Читать книгу Windschwingen - Chris Svartbeck - Страница 7
ОглавлениеIntrigen
„Die Mutter des Königs hat schon wieder hinter dem Wandschirm gesessen. Oh, sie hat keinen Laut von sich gegeben, man hat keine Bewegung gesehen, aber ihr Sohn hat zwei- dreimal dorthin gesehen. Und die Wachen haben gesagt, sie sei hinterher bei ihm gewesen und habe mit ihm gesprochen. Und was immer sie gesagt hat, wir haben den Steuererlass danach jedenfalls nicht mehr durchbekommen.“
„Verdammte tolorische Berghexe. Kanata hätte seine Finger von den Bergen lassen sollen. Diese nutzlose Alte ist nicht einmal zivilisiert genug, um sich in den Winterharem zurückzuziehen.“
„Kunststück. Der König hat ja auch keine Erste Gemahlin aus dem Hochadel. Hätte er eine solche, wäre die Tolorierin längst an ihren Platz verwiesen worden. Aber so … Erst diese unzumutbaren Frauen aus den Grauen Schluchten, und dann diese Kleine aus niederem Provinzadel vom Grünwassersee.“
„Ganz zu schweigen davon, dass selbst unser König kein reinrassiger Karapakier mehr ist.“
„Gemach, gemach“, bremste Melechko seine illustren Gäste, während er den Sklaven winkte, ihnen erneut Wein einzuschenken. „Wir sind uns doch einig, dass das Königshaus selbst tabu ist. Immerhin wird es nach wie vor von den Priestern und Zauberern gestützt. Aber wer ist jene Stimme, die unserem jungen, unerfahrenen König immer wieder verderbliches Gedankengut einflüstert? Doch nur seine Mutter! Bei ihr müssen wir ansetzen.“
„Und wie? Seit unserem Versuch, seine derzeitige erste Gemahlin unfruchtbar zu halten sind die Wachen und die Kontrollen des Sommerharems verdreifacht worden. Außerdem heißt es, sie könne anderen Menschen böse Gedanken mit ihren Spiegelaugen förmlich ansehen. Wie sollen wir an diese Frau herankommen?“
Melechko schnippte mit den Fingern. Ein Sklave kam herbei, mit unsicherem, taumelnden Gang, in seinen Händen eine brennende Kerze. Die Kerze war schon tief abgebrannt, so tief, dass die Flamme über seinen Daumen leckte. Er schien es nicht zu spüren.
„Was seht Ihr, meine Herren?“
„Einen nutzlosen, kranken Sklaven“, knurrte Herzog Komato.
„Nutzlos mag er jetzt sein, aber krank ist er nicht.“
Komatos Gesicht wurde lauernd. „Weshalb geht er dann so merkwürdig?“
„Taubtod.“
Baron Fikarasi zischte anerkennend. „Teuer.“
„Und wirksam. Die Kerze ist damit imprägniert. Sie hatte eine Brenndauer von fünf kleinen Kerzen. Er hat sie die ganze Zeit gehalten.“
Der Sklave schien jetzt zu merken, dass sein Daumen geröstet wurde. Die Finger zuckten, er öffnete den Mund, als ob er schreien wollte, aber es kam nur ein Röcheln heraus, gefolgt von kurzen, stöhnenden Atemzügen.
„Wie wir alle wissen“, dozierte Melechko, „gibt es gegen Taubtod kein Gegengift. Und der Stoff ist wunderbar hautgängig.“
„Und wie“, fragte Komato spöttisch, „wollt Ihr die Mutter des Königs dazu bringen, stundenlang eine Kerze festzuhalten?“
„Es muss keine Kerze sein. Alles, was diese Flüssigkeit auf oder in ihren Körper bringt, wird funktionieren.“
„Der Sommerharem hat Vorkoster. Solche, die alle Lebensmittel und Getränke bereits bei der Anlieferung probieren, Tage, bevor sie im Harem gegessen werden.“
„Es gibt Dinge, die so harmlos sind, dass sie niemand verdächtigt. Gegenstände, Zutaten, mit denen die Mutter des Königs niemals selbst direkt in Kontakt kommen wird. Aber sie können das Gift weiterreichen an jene Dinge, die sie dann tatsächlich berührt.“
„Hmmm.“ Komato beobachtete den Sklaven, der jetzt seitlich einknickte. Sein Atem war hastiger geworden und gleichzeitig flacher. Er wirkte wie ein Fisch, der in der Luft vergeblich nach Sauerstoff schnappte. „Und das funktioniert sicher?“
„Er ist der Dritte, an dem ich es ausprobiert habe. Es funktioniert immer.“
„Wie lange hat er noch?“
„In dem Zustand? Gut eine kleine Kerze, vielleicht auch anderthalb.“
„Verliert er dabei das Bewusstsein?“
Ein verzerrtes Grinsen entstellte Melechkos Züge. „Oh nein! Das ist ja das Schöne an Taubtod! Man bleibt bei Bewusstsein, kann sich aber nicht mehr bewegen, nicht mehr reden und kaum noch atmen. Man merkt, wie man langsam erstickt.“
Herzog Komato hob sein Glas. „Ihr seid ein Mann mit vortrefflichen Ideen und gutem Wein!“
*
Einer der königlichen Hunde war vergiftet worden. Ausgerechnet die Waschfrauen erfuhren zuerst davon.
„Warum sollte jemand einen Hund töten wollen?“ Mai, die jüngste der Wäscherinnen, hob prüfend den Stoff aus dem Flusswasser. Nein, der Fleck war noch nicht weg. Sie tauchte den Stoff wieder ein und griff erneut zur Bürste.
„Vielleicht war ja gar nicht der Hund das Ziel. Es heißt, die Hunde hätten an dem Tag Reste der königlichen Tafel als Futter bekommen.”
Pashti, eine der älteren Waschfrauen, wedelte mit ihrer Bürste in Richtung Palast. „Der Zwingermeister hat es unter den Tisch gekehrt. Hat so getan, als wäre der Hund an einer Krankheit verreckt. Der junge König ist zwar nicht ganz so jähzornig wie sein Vater, aber er liebt seine Hunde.”
„Aha. Und woher weißt du das dann?”
„Ich habe eine Nichte, die arbeitet im Palast als Wasserträgerin. Und die kennt den Koch, und der hat von Marek, dem Meister der Innenhöfe, gehört, was geschehen ist.”
„Der arme Hund. Kann doch nichts dafür, dass sein Herr der König ist.”
„Besser, ein Hund stirbt, als unser König. Stell dir vor, wenn es den König wirklich erwischt hätte. Seine Söhne sind kleine Kinder. Womöglich hätten wir dann wieder die Mutter des Königs als Regentin!”
Mai erschauerte. „Bloß nicht. Sie soll Zauberaugen haben. Diese tolorische Berghexe ist mir nicht geheuer.” Sie spuckte auf einen besonders hartnäckigen Fleck und scheuerte dann etwas Asche in die Spucke. Der Fleck rührte sich nicht. Sie seufzte. „Ich werde wohl doch etwas Seife brauchen. Wenn die bloß nicht immer so teuer wäre.”
Pashti grinste. „Meine Nichte, die im Palast arbeitet, sagt, die Palast-Wäscherinnen haben da ein sehr gutes Rezept, nach dem man Seife selbst machen kann. Sogar welche, die duftet. Soll ich sie mal fragen?”
„Duftende Seife?” Mai sah auf die schmutziggelben Fluten des Tsaomoogra, deren Geruch man beim besten Willen nicht als Duft bezeichnen konnte. „Das wäre mal etwas. Frage sie!”
*
Düfte waren Frauensache. Aber selbst Inagoro fiel auf, dass seine Mutter plötzlich nach anderen Düften roch. Irgendwie … herber. Aber nicht unangenehm. Sirit lächelte, als er sie schließlich danach fragte. Ihre Zofe Visari hatte den Waschfrauen des Palastes verraten, welche Kräuter Sirit besonders liebte. Und die Waschfrauen hatten eine ganz spezielle Seife zusammengestellt, mit der nur die Gewänder der Mutter des Königs gewaschen wurden. Eine Aufmerksamkeit, die Sirit zu schätzen wusste.
Bei sich dachte Inagoro, dass das einer der ganz wenigen Augenblicke gewesen war, in denen seine Mutter sich wie eine ganz normale Frau benommen hatte.