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14.

Die fünfundzwanzig Mitglieder des Irdischen Weltrats trafen sich mit ihren Gefolgschaften in Geneva zu einer außerordentlichen Vollversammlung. Die zwölf Vertreter der Kolonien befanden sich allerdings nicht darunter. Es kam äußerst selten vor, dass sich alle irdischen Räte zu einer Besprechung trafen, eigentlich nur in Krisensituationen von globalem Ausmaß. Der Grund für das heutige Treffen war ein solcher Anlass.

Im Luftraum über sämtlichen größeren Städten der Erde hatte es seit einigen Tagen Beobachtungen von unzähligen geheimnisvollen, leuchtenden Kugeln gegeben. Und es wurden immer mehr.

Nebst dem Irdischen Weltrat war auch der komplette Militärische, Wissenschaftliche, Wirtschaftliche und Diplomatische Rat anwesend. Eine Zusammenkunft von dieser Größenordnung hatte es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben.

Der amtierende Sprecher des Irdischen Weltrats, ein Inder namens Ashraf Desai, stand am Rednerpult der großen Tagungshalle und begrüßte die Anwesenden über das Mikrofon an seinem Headset. Nachdem er alle Personen namentlich erwähnt hatte, ließ er die einzelnen Mitglieder von ihren Beobachtungen berichten. Dieser Prozess erstreckte sich über einen Zeitraum von mehreren Stunden.

Danach übergab der Sprecher des Weltrats das Wort an Alan Simmerman, dem Leiter des Wissenschaftlichen Rats, zu einer ersten Einschätzung.

»Meine Damen und Herren. Aus den soeben geschilderten Beobachtungen und anhand unserer ersten, allerdings noch ungenauen Analysen, können wir davon ausgehen, dass es sich bei all diesen Kugeln um dieselben Objekte handelt. Nach ersten Schätzungen besitzen alle die gleiche Größe und strahlen dieselbe Lichtstärke aus. Dabei handelt es sich nicht um reflektiertes Licht der Sonne oder anderer Quellen. Diese Kugeln besitzen eigenes Licht. Andere Strahlungen, beispielsweise Radioaktivität, Gammastrahlung oder die für uns schädliche UV-Strahlung, konnten wir bisher nicht feststellen. Man kann sagen, dass dieses Licht den Sonnenstrahlen, wie wir sie auf der Erdoberfläche empfangen, sehr ähnelt.«

»Heißt das, diese Kugeln sind ungefährlich?«, fragte ein Mitglied des Weltrats.

»Was Strahlungen angeht schon. Über alles andere befinden wir uns noch im Unklaren. Wir wissen nicht, welche Energieform sie nutzen, aus welchem Material sie bestehen, woher sie kommen und warum sie hier sind. Sämtliche Observatorien weltweit führen Messungen und Analysen durch und vergleichen sie untereinander. Wir erwarten für morgen die ersten Resultate.«

»Wurden irgendwo feindliche Aktivitäten festgestellt?«, fragte ein Mitglied des Militärischen Rats.

»Bisher nicht. Sie sind einfach aufgetaucht und verharren in ihren Positionen.«

»Konnten Sie an deren Oberfläche irgendwelche Waffensysteme entdecken?«

»Dies mag etwas eigenartig klingen, aber wir konnten bisher gar keine Oberfläche ausmachen. Zumindest keine materielle. Dadurch konnten wir in ersten Messungen weder Größe noch Positionshöhe ermitteln. Unsere Messstrahlen gingen einfach durch sie hindurch.«

Unter den Ratsmitgliedern brach ein Raunen aus, gefolgt von leisen Diskussionen.

»Und was ist das, was wir sehen?«, erklang es aus dem rechten Teil des Saals.

»Wir konnten mit unseren bisherigen Messungen an der Oberfläche keine feste Materie ausmachen, sondern lediglich eine uns unbekannte Form von Energie. Man könnte auf die Idee kommen, dass es sich um kleine, harmlose Sonnen handelt, allerdings ohne ihre schädliche UV-Strahlung.«

Wieder brach ein mittlerer Tumult aus, was Simmerman dazu veranlasste, die Leute um Ruhe zu bitten. »Wir haben uns hier versammelt, um zu beraten, was wir unternehmen und wie wir vorgehen wollen.«

»Müssen wir denn etwas unternehmen?«, fragte der Leiter des Diplomatischen Rats, Arjan Schouten. »Wir könnten doch auch abwarten und schauen, was passiert.«

»Diese Haltung scheint mir äußerst naiv«, konterte ein hoher militärischer Offizier. »Wenn sie unsere Städte in Schutt und Asche bombardieren, gibt es nicht mehr viel, was wir unternehmen können.«

»Wenn sie das wirklich vorhaben, hätten sie es schon längst getan.«

»Wahrscheinlich warten sie damit, bis sie vollzählig sind. Es treffen ja immer noch welche ein.«

»Meine Damen und Herren, es bringt nichts, wenn wir uns streiten. Wir sollten nach Erklärungen und Lösungen suchen.«

Die Diskussion dauerten noch weitere drei Stunden an, bevor Ashraf Desai wieder ans Rednerpult trat und um Ruhe bat.

»Wir vertagen uns auf morgen. Die verschiedenen Räte werden vormittags in getrennten Räumen tagen und Lösungsvorschläge erarbeiten. Am Nachmittag treffen wir uns wieder hier und werden uns diese Vorschläge anhören und darüber debattieren.«

Als man sich am nächsten Tag wieder traf, hatte sich die Anzahl der leuchtenden Kugeln massiv erhöht. Sie schwebten nun nicht mehr nur über Städten, sondern verteilten sich in regelmäßigen Abständen flächendeckend über den gesamten Luftraum der Erdoberfläche. Ashraf Desai übergab das Wort als erstes dem Leiter des Militärischen Rats, General John Morcroft.

»Meine Damen und Herren. Ich möchte Sie über die derzeitige Situation in der Bevölkerung informieren. Vor allem in größeren Städten kam es zu Unruhen, in einigen Fällen sogar zu Panik. Wir beorderten unverzüglich Truppen in die betroffenen Gebiete, um die Ordnung wiederherzustellen und Plünderungen zu vermeiden. Vereinzelt kam es zu Gewaltakten. Es gab Verletzte und Verhaftungen. In einigen ländlichen Orten gab es Sektenzusammenkünfte. Die Leute schienen zu den Kugeln zu beten und Rituale zu zelebrieren. Alles in allem können wir aber derzeit davon ausgehen, dass unsere Truppen die Lage überall im Griff haben.

Des Weiteren möchte ich Sie über die Situation unseres gesamten Flugverkehrs informieren. Als uns die ersten Meldungen über das Erscheinen der Kugeln erreichten, stellten wir aus Sicherheitsgründen den gesamten zivilen und militärischen Flugverkehr ein. Ankommenden Schiffen von interplanetarischen und interstellaren Flügen befahlen wir, bis auf weiteres im Orbit in eine Warteposition zu gehen. Wir versetzten sämtliche planetarischen und orbitalen Abwehrmechanismen in höchste Alarmbereitschaft.

Nach einer gewissen Zeit des Abwartens starteten wir von verschiedenen Stützpunkten auf der Erde Aufklärungsdrohnen. Sie umkreisten die Erde in Standardflughöhe mehrmals ohne Probleme.

Als nächstes wurde ein bemannter Überwachungsgleiter gestartet. Der Pilot vermeldete während des gesamten Flugs keinerlei Schwierigkeiten. Er berichtete uns zudem, dass sein erster Eindruck bezüglich Flughöhe der Kugeln falsch war. Er meinte, sie befänden sich in weitaus größerer Höhe als zuvor angenommen.

Dann gaben wir einem zivilen Frachtgleiter die Starterlaubnis. Auch sein regulärer Flug verlief ohne Komplikationen. Trotzdem beließen wir die Abwehrmechanismen in höchster Alarmbereitschaft. In der Folge stellten wir fest, dass von verschiedenen Provinzflugplätzen kleinere Privatgleiter ohne offizielle Starterlaubnis abhoben. Wir verfolgten deren Kurs. Es gab auch hier keine Schwierigkeiten. Alle erreichten ihr Ziel unbeschadet.

Schließlich ließen wir einen Liniengleiter mit freiwilligen Passagieren starten. Sie werden es nicht glauben, der Zustrom an Freiwilligen, die sich für diesen Flug gemeldet haben, hätte zehn Liniengleiter bis auf den letzten Platz gefüllt.«

Ein kurzes Lachen erfüllte den Raum.

»Und was ist mit unseren vielen Satelliten?«, fragte ein Mitglied des Weltrats. »Diese befinden sich doch alle oberhalb der Flughöhe der Kugeln.«

»Die Satelliten befinden sich ausnahmslos auf ihren regulären Bahnen oder Positionen und senden nach wie vor ihre Signale zur Erde. Eigentlich müsste der Signalaustausch zwischen den Satelliten und der Erde durch die hohe Anzahl der Kugeln gestört sein. Aber es liegen keinerlei Beeinträchtigungen vor.«

Der General blickte ins Auditorium und wartete auf weitere Fragen. Aber es kamen keine. »Wir gehen davon aus, dass diese Kugeln an unserem Flugverkehr nicht interessiert sind. Noch nicht. Sollte jedoch nur ein einziges unserer Fluggeräte angegriffen oder sogar beschossen werden, sollten wir unverzüglich Gegenmaßnahmen ergreifen.«

»Dies würde eine Autorisierung des Weltrats erfordern«, sagte ein Mitglied der höchsten Instanz.

»Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst.«

Ashraf Desai erhob sich und schritt zum Rednerpult. »Vielen Dank, General Morcroft, für Ihre detaillierten Ausführungen. Ich möchte nun Alan Simmerman bitten, uns über die Erkenntnisse und Einschätzungen des Wissenschaftlichen Rats zu informieren.«

Simmerman trat ans Rednerpult, räusperte sich einmal und blickte zu seinem Publikum. »Meine Damen und Herren. Heute Morgen haben wir Resultate weiterer Messungen und Analysen erhalten. Sie stammen von verschiedenen Observatorien und Radarstationen und wurden untereinander verglichen und verifiziert.«

Er sah auf das große Display vor sich, als ob er Daten studieren würde. Dann blickte er auf und sprach weiter: »Bei diesen Messungen sind einige Merkwürdigkeiten aufgetaucht, die wir versuchen sollten, richtig zu deuten und zu interpretieren.«

Im Saal herrschte absolute Stille. Sämtliche Blicke hafteten an den Lippen des Redners.

»Mittlerweile konnte die genaue Flughöhe der Kugeln gemessen werden. Sie liegt exakt auf der Stratopause, also ziemlich genau fünfzig Kilometer über mittlerer Meereshöhe, auf der Grenze zwischen Strato- und Mesosphäre. Wir gehen davon aus, dass dies kein Zufall ist. Auch dass der Signalaustausch zwischen den Satelliten und der Erde nach wie vor intakt ist und der planetarische Flugverkehr ungehindert funktioniert, betrachten wir nicht als Zufall.«

Der Sprecher machte eine kleine Pause, räusperte sich erneut und blickte wieder auf sein Display. »Des Weiteren konnte die genaue Größe der Kugeln ermittelt werden. Der Durchmesser beträgt exakt dreizehn Kilometer und vierhunderteinunddreißig Meter.«

Ein Raunen ging durch die Menge.

»Nachdem sich die Kugeln im Luftraum der gesamten Erdoberfläche in genauen, regelmäßigen Abständen zueinander verteilt und wir die exakte Flughöhe festgestellt hatten, konnten wir auch die genaue Anzahl ermitteln. Das Ergebnis hat uns überwältigt. Insgesamt sind es 3.177.933 Kugeln.«

Ein kollektiver Aufschrei ging durch den Saal. Die entsetzten Gesichter sahen entweder zum Rednerpult oder zu ihren Nachbarn. Gleich darauf entbrannte eine wilde Diskussion.

»Meine Damen und Herren. Bitte beruhigen Sie sich. Es gibt absolut keinen Grund zur Panik. Lassen Sie mich die weiteren Erkenntnisse schildern.«

Nur zögernd kehrte im Saal wieder Ruhe ein. Die Blicke sämtlicher Ratsmitglieder waren wieder auf das Rednerpult gerichtet.

»Ich muss ehrlich zugeben, dass wir mit unseren ersten Einschätzungen völlig daneben lagen. Ich gehe davon aus, dass es den meisten von Ihnen ebenso ergangen ist. Erstens vermuteten wir die Kugeln wesentlich näher an der Erdoberfläche, zweitens hielten wir sie für kleiner und drittens schätzten wir ihre Anzahl wesentlich geringer ein.« Wieder eine kleine Pause. »Doch diese Zahlen haben noch eine ganz andere Bedeutung, wie wir feststellen konnten. Und das sollte uns wirklich zu denken geben. Nehmen wir den Durchmesser von 13,431 Kilometern und multiplizieren ihn mit 3,14159, der Kreiszahl Pi, so erhalten wir für den Umfang den Wert 42,195 Kilometer.«

Als niemand reagierte, fragte Simmerman: »Fällt Ihnen dabei nichts auf?«

Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Rats hielten sich bedeckt, da sie die Antwort bereits kannten.

Plötzlich erhob sich ein ranghohes Mitglied des Militärischen Rats und sagte: »Das ist die exakte Länge eines Marathonlaufs.«

Die Anwesenden sahen sich verwirrt an. Niemand konnte sich vorstellen, warum der Umfang dieser Kugeln etwas mit der Länge eines Marathonlaufs zu tun haben sollte.

»Das könnte ein Zufall sein.«

»Es gibt eine weitere Zahl, die uns bekannt sein sollte. Die Erde hat eine Oberfläche von 510.072.000 Quadratkilometern. Berücksichtigen wir die Flughöhe der Kugeln von fünfzig Kilometern und bilden daraus eine imaginäre, äußere Kugel, deren Durchmesser auf jeder Seite fünfzig Kilometer größer ist, würde diese Oberfläche 518.101.922 Quadratkilometer betragen. Die Anzahl der Kugeln auf diese Fläche verteilt, würde eine Dichte von hundertdreiundsechzig Kilometern und einunddreißig Metern ergeben. Subtrahiert man davon den Durchmesser der Kugeln, so bekommen wir als Distanz zwischen den Kugeln die Strecke von hundertneunundvierzig Kilometern und sechshundert Metern. Dies entspricht exakt dem Tausendstel der Distanz zwischen der Erde und der Sonne.«

»Auch das könnte ein Zufall sein.«

»Könnte es«, antwortete Simmerman. »Ist es auch Zufall, dass sämtliche Kugeln genau auf der Stratopause schweben? Ist es auch Zufall, dass trotz der enormen Anzahl von über drei Millionen Kugeln der Funkverkehr mit unseren Satelliten in keiner Weise eingeschränkt wird? Dass unser Flugverkehr nicht beeinträchtigt wird? Und noch einen weiteren Faktor sollten wir berücksichtigen. Nämlich dass die Kugeln bis zu diesem Zeitpunkt keine feindlichen Aktivitäten gezeigt haben.«

»Was schließen Sie aus diesen Übereinstimmungen?«, fragte General Morcroft resolut.

»Wir glauben, dass es sich hierbei um gezielte Botschaften handelt«, antwortete Simmerman. »Nur wissen wir noch nicht, wie wir sie zu interpretieren haben.«

Wieder brach unter den Anwesenden eine heftige Diskussion aus. Alan Simmerman dachte vorerst nicht daran, die Leute wieder um Ruhe zu bitten. Er wollte ihnen Gelegenheit geben, das soeben Erfahrene zu verdauen und untereinander Meinungen auszutauschen.

Doch mitten im Lärm begannen die meisten Kommunikatoren der Ratsmitglieder zu summen. Sofort wurde es ruhig im Saal. Auch Ashraf Desais Gerät meldete sich. Er griff danach und blickte gleichzeitig in die entsetzten Gesichter der anderen Ratsmitglieder.

Dann nahm er den Anruf entgegen und eine Stimme sagte: »Sir. Es gab einen verheerenden Zwischenfall mit einer der Kugeln.«

Der Hüter der Sphären

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