Читать книгу Semantik für Lehrkräfte - Christian Efing - Страница 10

1.2.5 Fazit und Konsequenzen

Оглавление

Die kontinuierliche Förderung des Wortschatzes nicht nur quantitativ mit Blick auf den Wortschatzumfang, sondern vor allem auch qualitativ bezüglich des Wissens um die semantische Tiefe von Wörtern mit ihren Beziehungen und Stellungen in Wortnetzen ist eine zentrale, wenn bislang auch vernachlässigte schulische Aufgabe insbesondere des Sprachunterrichts (Ulrich 2013: 33). Der durch semantisch orientierte Wortschatzarbeit erzielte Kompetenzzuwachs betrifft nicht nur das Wortwissen selbst, sondern auch generelle kognitive und Lernfähigkeiten in jedem Fachgebiet: „Die Beherrschung von vielen und richtigen Wörtern und der flexible Umgang mit einem situationsgerechten Wortschatz erscheinen daher als Schaltstelle für eine umfangreiche Wissensaneignung“ (Neumann 2013: 10). Dabei gilt natürlich eine Interdependenz in beide Richtungen, da sich enzyklopädisches Weltwissen und Sprachwissen gegenseitig bedingen: Wer viel weiß, kennt viele Wörter; wer einen großen Wortschatz besitzt, verfügt auch über ein umfangreiches Wissen (Ulrich 2013: 29, Ekinci-Kocks 2013: 22).

Zudem spart Wortschatzarbeit Zeit, denn „wer Wörter in ihrer Funktionalität beherrscht, gewinnt Zeit und kann seine Ressourcen […] für anderes Lernen nutzen“ (Neumann 2013: 9). Damit werden Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses für andere Aufgaben frei.

In einem engeren Sinne der Sprachbildung geht es darum, bei Schülerinnen und Schülern die Sinne für Wörter zu schärfen, für Bedeutungsnuancen zu sensibilisieren und Lexeme zielgenau zu speichern und demnach schnell und leicht wieder abrufen zu können (Ulrich 2013: 34).

Allgemein zielt Wortschatzarbeit demnach nicht auf das Erlernen einzelner Wörter, sondern auf den Erwerb einer allgemeineren Kompetenz, mit Wörtern und semantischen Fragen umzugehen und ein Sprachbewusstsein zu entwickeln und dabei auch die kognitiven Fähigkeiten zu erweitern.

Es wurde bisher einerseits die didaktische Relevanz von (semantikorientierter) Wortschatzarbeit, andererseits aber auch der Bedarf an einer solchen gezeigt, da diese bislang weitgehend fehlt, Wortschatzdefizite der Lerner eine solche aber als dringlich erscheinen lassen. Um es mit Plewnia (2006:13) zu sagen: Zum einen nimmt Wortschatzarbeit keinen sehr breiten Raum im Deutschunterricht ein; zum Zweiten wird dieser wenige Raum nur in relativ unspezifischer Weise gefüllt und zum Dritten dominiert an Stellen, an denen Wortschatz thematisiert wird, eine relativ konservative Betrachtungs- und Beschreibungsweise. Es liegt aber auf der Hand, dass die Förderung des Wortschatzerwerbs als eine zentrale Aufgabe des Deutschunterrichts verstanden werden sollte (Ulrich 2016b: 39). Im weiteren Verlaufe dieses Bandes werden daher sowohl Ziele als auch Konzepte einer modernen, semantikorientierten Wortschatzarbeit aufgezeigt.

An dieser Stelle lässt sich als Konsequenz des bisher Gesagten aus didaktischer Sicht aber schon zusammenfassen, dass semantikorientierte Wortschatzförderung nicht auf die Primarstufe begrenzt, sondern auf alle Schulstufen ausgeweitet werden sollte. Des Weiteren sollte Wortschatzförderung nicht auf den Deutschunterricht beschränkt bleiben, sondern, gerade, wo es um bildungs- und fachsprachlichen Wortschatz geht, auf den Fachunterricht ausgeweitet werden, da Wortschatzerwerb und fachliches Lernen und Wissen miteinander einhergehen (Steinhoff 2013: 14f.). Diesen Zusammenhang von Deutsch- und Fachunterricht sowie Sprachreflexion und Kommunikationsförderung verdeutlicht folgende Abbildung:

Abb. 125a:

Kommunikationsförderung und Sprachreflexion im Sprach- und Sachunterricht (Roelcke 2013: 337)

Am stärksten wird die semantische Seite des Wortschatzes dabei in einem reflexiven (Deutsch-)Unterricht zum Tragen kommen, der nicht allein Wortschatzarbeit als Förderung anderer sprachlicher Kompetenzen betreibt, sondern Einsichten in semantische Tiefenstrukturen, Polysemie und Ambiguitäten anstrebt. Traditionelle Themen, die hier im Deutschunterricht in Frage kommen, wären etwa:

 Semantik in Definitionen und terminologischen System, z.B. bei Fachterminologien der Unterrichtsfächer

 Semantik bei Anglizismen und anderen Fremdwörtern (in Relation etwa zu nahe stehenden deutschen Begriffen)

 wörtliche vs. übertragene Bedeutung von Redensarten und Sprichwörtern; bei Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) oder Deutsch als Fremdsprache (DaF) generell die Semantik von Phraseologismen usw.

 Semantik und (Schein-)Synonyme – in Verbindung mit Schreibunterricht (Stilistik, Angemessenheit)

 kritische Semantik/Semantik und Sprachkritik/Sprachmanipulation (bspw. zu Euphemismen, Unwörtern des Jahres, Metaphorik in politischen Reden)

 …

Über den schulischen Unterricht hinaus sollte Wortschatzarbeit zudem – nicht nur für mehrsprachige Kinder, sondern auch für einsprachige – bereits vorschulisch im Kindergarten ansetzen, da sich die „bedeutendsten Entwicklungen im Bereich des [mentalen] Lexikons [im] Alter von ungefähr drei bis acht Jahren“ ereignen (Moser/Berweger/Stamm 2005: 61).

Übung 125a

Nennen Sie drei Argumente, die für eine gezielte Wortschatzarbeit im Deutschunterricht auch für Erstsprachler sprechen.

Literatur

Balsliemke/Peschel/Runschke 2015; Feilke 2009; Kilian 2011; Steinhoff 2009, 2013; Ulrich 2011a, 2011b, 2013, 2014.

Semantik für Lehrkräfte

Подняться наверх