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1 Semantik – Systematischer Aufriss

1.1 Linguistische Verortung

Das sprachwissenschaftliche Fachwort bzw. der linguistische Terminus Semantik leitet sich aus altgriechisch σημαίνειν, sēmaínein ‚bezeichnen‘ ab und bezieht sich auf die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen – sei es nun die Bedeutung einzelner Wörter oder auch diejenige von Sätzen oder ganzen Texten. Im Folgenden soll die Disziplin Semantik linguistisch und didaktisch verortet werden.

Im Rahmen der linguistischen Verortung wird die Semantik zunächst von anderen zentralen Disziplinen der Sprachwissenschaft abgegrenzt. Im Anschluss daran wird geklärt, auf welchen Ebenen der Beschreibung von Sprache Semantik eine Rolle spielt, um abschließend einige Hinweise auf das Verhältnis zwischen Lexikologie (Wortforschung) und Lexikographie (Wörterbuchschreibung) zu geben.

1.1.1 Semantik, Syntax und Pragmatik

Zeichen und insbesondere sprachliche Zeichen können in ganz verschiedener Hinsicht beschrieben werden. Zu den bekanntesten Gliederungen solcher Dimensionen der Semiotik (Lehre sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen – aus altgriechisch σημεῖον sēmeĩon ‚Zeichen‘; vgl. Eco 92002; Nöth 22000; 2017; Posner/Robering/Sebeok 1996ff.) im Allgemeinen und der Linguistik (Lehre sprachlicher Zeichen – aus lateinisch lingua ‚Sprache, Zunge‘; vgl. Auer 2013; Kessel/Reimann 52017) im Besonderen gehört diejenige des amerikanischen Semiotikers Charles William Morris (1901–1979).

Morris bezeichnet den Vorgang, in welchem etwas als ein Zeichen fungiert, als Semiose. Im Zentrum seines semiotischen Modells (vgl. Abb. 111a) steht dabei der Zeichenträger, der wiederum in drei Dimensionen erscheint (die im Folgenden jeweils am Beispiel des Wortzeichens Köter kurz erläutert werden):

 die syntaktische Dimension im Hinblick auf andere Zeichenträger, mit denen dieser gemeinsam verwendet wird – etwa im Rahmen eines Satzes wie Dieser Köter ist bissig, in dem Köter zusammen mit anderen Wörtern verwendet wird;

 die pragmatische Dimension hinsichtlich der Personen, die den Zeichenträger verwenden (Interpretant, Interpret) – zum Beispiel in bestimmten Verwendungssituationen, wenn sich die Personen mit Köter abfällig über einen bestimmten Hund äußern möchten; und

 die semantische Dimension in Bezug auf die Wirklichkeit, auf die sich der Zeichenträger bezieht (Designat, Denotat) – in diesem Falle die sachliche und die wertende Bedeutung des Wortes Köter, die ‚Hund‘ und eine negative Einstellung in sich vereinigt.

Jeder dieser drei Dimensionen werden nun eigene semiotische Unterdisziplinen zugeordnet: So beschäftigt sich die Syntax (bei Morris: Syntaktik) mit der syntaktischen Dimension, also mit der Kombination einzelner Zeichen, während sich die Pragmatik mit der pragmatischen Dimension, das heißt mit der Art und Weise, wie Zeichen von ihren Verwendern gebraucht werden, auseinandersetzt. Die Semantik ist hiernach diejenige Disziplin, welche die semantische Dimension in Augenschein nimmt, sich also mit der Beziehung zwischen den Zeichen einerseits und der Wirklichkeit, auf die sich diese beziehen, andererseits beschäftigt.

Abb. 111a:

Zeichenmodell nach Morris (engl. 1939: 417; dt.: 1972: 94)

An dieser Dreiteilung in Semantik, Syntax und Pragmatik wird innerhalb von Semiotik und Linguistik bis heute festgehalten (zu einer theoretisch orientierten Übersicht vgl. etwa Hagemann/Staffeldt 2014; Staffeldt/Hagemann 2014; 2017), auch wenn deren innere Systematik wiederholt infrage gestellt wurde. So gibt es semiotische bzw. linguistische Ansätze, die syntaktische Erscheinungen allein in Abhängigkeit von semantischen oder funktionalen Gesichtspunkten diskutieren, oder auch solche, die semantische Phänomene ausschließlich aus pragmatischer Perspektive betrachten und somit die Grenzen zwischen den einzelnen Dimensionen und ihren Disziplinen aufbrechen. Als Ausgangspunkt für solche Überlegungen sowie zur systematischen Einordnung dessen, worum es in dem vorliegenden Bändchen geht, erscheint Morris’ Modell indessen nach wie vor als eine gute Basis.

1.1.2 Lexikologie und Lexikographie

Die sprachwissenschaftliche Untersuchung von Bedeutungen wird in der Öffentlichkeit nur allzu oft mit der semantischen Beschreibung von Wörtern in Wörterbüchern oder Lexika gleichgesetzt. Hier gilt es zu differenzieren: Zum einen stellen Wörter nicht die einzigen sprachlichen Einheiten dar, die Bedeutungen tragen. Zum anderen sind Wörterbücher nicht das zentrale Medium der Beschreibung von Bedeutungen – einmal ganz abgesehen davon, dass es neben Bedeutungswörterbüchern auch andere Typen von Wörterbüchern gibt.

In einem vorwissenschaftlichen Verständnis stellen Wörter die kleinsten sprachlichen Zeichen dar, aus denen sich einzelne Sätze und aus diesen wiederum ganze Texte zusammensetzen. Diese Auffassung wird (mit der Differenzierung, dass Wörter die kleinsten selbständigen sprachlichen Zeichen darstellen) von der Sprachwissenschaft geteilt; hinzu kommen hier die Bereiche Laut und Schrift sowie Morphologie mit Wort- und Formbildung (vgl. Abb. 112a). Vor diesem Hintergrund sind nun mindestens drei Ebenen der semantischen Beschreibung von Sprache zu unterscheiden:

 die Ebene der Wortsemantik (die sog. lexikalische Semantik)

 die Ebene der Satzsemantik

 die Ebene der Textsemantik

Abb. 112a:

Sprachliche Variation nach sprachlichen Beschreibungsebenen und kommunikativen Bedingungen (Roelcke 2011: 17)

In diesem Band wird ein besonderer Schwerpunkt auf Wortsemantik gelegt; Satz- und Textsemantik finden in einem eigenen Kapitel Berücksichtigung (vgl. Kap. 2.6).

Der vorliegende Band behandelt im Wesentlichen die Semantik am Beispiel der deutschen Sprache. Doch welche Sprache ist damit genau gemeint? Denn so etwas wie die deutsche Sprache gibt es nicht: Zum einen unterliegt das Deutsche seit seiner Entstehung vor etwa zwölfhundert Jahren zahlreichen historischen Veränderungen und befindet sich auch derzeit im ständigen Wandel. Zum anderen zeigt auch die deutsche Sprache der Gegenwart zahlreiche Varianten – sei es mit regionalen Besonderheiten in verschiedenen Dialekten wie dem Bairischen, Sächsischen oder Moselfränkischen, oder sei es in funktionaler bzw. in sozialer Hinsicht mit der Sprache in Wissenschaft, Technik und Institutionen oder der Presse-, der Jugend- und der sog. Kiezsprache; hinzu kommen hier verschiedene mediale Ausprägungen wie gesprochene und geschriebene Sprache einschließlich deren Gebrauch in den sog. neuen, elektronischen Medien. Sofern nicht anders angegeben wird hier die deutsche Standardsprache der Gegenwart zum Ausgangspunkt semantischer Betrachtungen gemacht; die Variation von Bedeutung ist jedoch ebenfalls Gegenstand eines eigenen Kapitels (vgl. Kap. 2.5).

Die wissenschaftliche Analyse und Interpretation von Wörtern ist Gegenstand der Lexikologie; die Aufgabe der Lexikographie ist das Erstellen von Wörterverzeichnissen, in denen einzelne Wörter (unter welchen Gesichtspunkten auch immer) beschrieben werden (vgl. Cruse et al. 2002–2005; Elsen 2013; Lutzeier 1995; Schlaefer 22009). Dabei sind je nach Auswahl der Wörter und Art der Angaben, die über diese Wörter jeweils gemacht werden, zahlreiche verschiedene Typen von Wörterbüchern denkbar (vgl. Abb. 112b): Zahl der Sprachen, Wortschatzausschnitt (Art der Wortschatzabgrenzung), Beschreibungsaspekt (beschriebene Zeichenebene oder Zeichenbeziehung), Gruppe der Benutzenden (bzw. vorrangiges Benutzungsziel), Analysebasis (Bezugswissenschaft oder Beschreibungsverfahren) und institutionelle Verankerung (Träger des Wörterbuchprojekts). Von solchen Wörterbüchern, die auf sprachliche Phänomene bezogen sind, werden in der Wörterbuchforschung, der sog. Metalexikographie (Hausmann et al. 1989ff.), Lexika und Enzyklopädien unterschieden: Diese enthalten im Wesentlichen Informationen, die sich auf Personen, Sachen oder Ereignisse beziehen.

Leitmerkmal Wörterbuchtypus
Anzahl der Sprachen Einsprachiges, mehrsprachiges Wörterbuch, Polyglottenwörterbuch
Art der Wortschatzabgrenzung Gegenwartssprachliches, neuhochdeutsches, mittelhochdeutsches, althochdeutsches Wörterbuch; Mundartwörterbuch, umgangssprachliches, standardsprachliches, fachsprachliches Wörterbuch; Individualwörterbuch, Grundwortschatz-Wörterbuch, Fremdwörterbuch, Thesauruswörterbuch, Sprachstadienwörterbuch
Beschriebene Zeichenebene Orthographisches, orthoepisches, morphologisches, phraseologisches Wörterbuch, Bedeutungswörterbuch, Valenzwörterbuch
Beschriebene Zeichenbeziehung Begriffswörterbuch, Synonymenwörterbuch, Antonymenwörterbuch, Kollokationswörterbuch, Wortfamilienwörterbuch, Homographenwörterbuch
Vorrangiges Benutzungsziel, Zielgruppe Übersetzungswörterbuch, Produktionswörterbuch, Hand-, Taschenwörterbuch, Lernerwörterbuch, Schülerwörterbuch, Expertenwörterbuch, Laienwörterbuch
Methodische Grundlage, Bezugswissenschaft Semasiologisches, onomasiologisches, synchronisches, diachronisches, etymologisches Wörterbuch
Lexikographische Grundlagen und Beschreibungsverfahren Korpuswörterbuch, Belegwörterbuch, Definitionswörterbuch, Allgemeinwörterbuch, Spezialwörterbuch
Träger des Wörterbuchprojekts Verlagswörterbuch, Akademienwörterbuch

Abb. 112b:

Wörterbuchtypen (nach Schlaefer 22009: 108)

Da in diesem Band die lexikalische Semantik im Vordergrund steht, wird neben deren lexikologischer Betrachtung örtlich auch deren lexikographische Erfassung berücksichtigt.

Übung 112a

Welcher Wörterbuchtyp kommt dem lexikologischen Schwerpunkt des vorliegenden Bändchens am nächsten? Suchen Sie nach Beispielen.

Literatur

Auer 2013; Cruse et al. 2002–2005; Eco 92002; Elsen 2013; Haß-Zumkehr 2001; Hausmann et al. 1989ff.; Kessel/Reimann 52017; Lutzeier 1995; Nöth 22000, 2017; Schlaefer 22009.

Allgemeine Lehr- und Studienbücher zur Semantik: Busse 2009; Cruse 1986; Hurford/Heasley/Smith 22007; Löbner 22015; Maienborn/von Heusinger/Portner 2011f.; Pafel/Reich 2016; Schwarz/Chur 62014; Staffeldt/Hagemann 2017; Stechow/Wunderlich 2008; Zimmermann 2014.

Semantik für Lehrkräfte

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