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2.2.2 Wortfelder und Merkmalsemantik

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Wörter bestehen jeweils nicht für sich alleine, sondern stehen in Beziehung zu anderen Wörtern, mit denen sie zusammen den Wortschatz einer Sprache bilden. Eine semantisch interessante und dabei (etwa im Rahmen von Wortschatzarbeit) durchaus auch didaktisch relevante Frage besteht darin, ob der Wortschatz einer einzelnen Sprache in bestimmte thematische oder semantische Gruppen gegliedert werden kann. Zwei wichtige Ansätze, denen diese Vorstellung zugrunde liegt, stellen die Wortfeldtheorie und die Merkmalsemantik dar.

Der Terminus Wortfeld wurde bekannt durch die Arbeiten von Jost Trier (vgl. Trier 1973), die Anlass zu einer intensiven theoretischen wie empirischen Forschung gegeben haben (Staffeldt 2017). Als wesentliche semantische Eigenschaften von Wortfeldern werden dabei zum einen deren Abgrenzbarkeit von anderen Wortfeldern und zum anderen ihre Vollständigkeit und Unterscheidbarkeit (es bestehen keine Bedeutungslücken und keine Bedeutungsüberschneidungen zwischen den betreffenden lexikalischen Einheiten) diskutiert. Bekannte Beispiele für solche Wortfelder sind etwa:

 Substantive für VerwandtschaftsbeziehungenVerwandter, Eltern, Vater, Mutter, Geschwister, Bruder, Schwester, Kind, Sohn, Tochter, Onkel, Tante, Cousin, Cousine, Neffe, Nichte

 Substantive für menschliche BeziehungenFreund/Freundin, Partner/Partnerin, Bekannter/Bekannte, Kollege/Kollegin, Kommilitone/Kommilitonin, Geliebter/Geliebte usw.

 Verben, mit denen bestimmte sprachliche Handlungsweisen bezeichnet werdenreden, sagen, sprechen, schreien, schweigen, befehlen, lügen usw.

Ein weiteres Wortfeld stellt dasjenige zur allgemeinen Bezeichnung von Frau im Deutschen dar (vgl. Abb. 222a).

Abb. 222a:

Das Wortfeld Frau im gegenwärtigen Deutsch (nach König et al. 182015: 22)

Übung 222a

Vergleichen Sie die hier angegebenen Wortfelder auf deren semantische Abgrenzbarkeit und die darin enthaltenen Wörter auf Bedeutungslücken und -überschneidungen. Was bedeutet das Ergebnis für die theoretische Diskussion des Wortfeldes?

Ein bekanntes und ebenfalls einflussreiches Wörterbuch, das der Wortfeldtheorie verpflichtet ist, stellt „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“ von Franz Dornseiff (51959) dar. Hier wird der „gesamte Wortschatz […] in 20 Hauptabteilungen“ zusammengestellt; diese lauten: „1. Anorganische Welt. Stoffe / 2. Pflanzen. Tier. Mensch (körperlich) / 3. Raum. Lage. Form / 4. Größe. Menge. Zahl. Grad / 5. Wesen. Beziehung. Geschehnis / 6. Zeit / 7. Sichtbarkeit. Licht. Farbe. Schall. Temperatur. Gewicht. Aggregatzustand. Geruch. Geschmack / 8. Ortsveränderung […]“ (Dornseiff 51959: III). Unter „Farbe“ findet sich dann etwa der Eintrag „22. Violett. / lila. Violett / Amethyst. Flieder. Stiefmütterchen. Veilchen / Bischofsfarbe. Kardinalblau. Lila. Pflaumenblau. Purpur. Rotblau. Veilchenblau. Violett.“ (ebd.: 225).

Die Schwierigkeiten, die mit der intuitiven Gliederung von Wortfeldern im Einzelnen verbunden sind, machen ein eigenes linguistisches Verfahren erforderlich, das die semantische Unterscheidbarkeit der einzelnen Wörter und mögliche Lücken eines Wortfeldes hinreichend nachweist. Dieses Verfahren wurde von der sog. strukturalistischen Linguistik im Rahmen der Merkmalsemantik (oder auch: Komponential- oder Semsemantik) entwickelt. Die Grundidee besteht dabei darin, die einzelnen Bedeutungen der Elemente eines Wortfeldes anhand von kleineren semantischen Merkmalen zu bestimmen und anhand dieser voneinander zu unterscheiden. Ein solches semantisches Merkmal wird als Sem bezeichnet, eine Einzelbedeutung, die sich aus einem oder mehreren solcher Seme zusammensetzt, als Semem; der Terminus für eine semantische Untersuchung eines Wortfelds anhand von Semen lautet Semanalyse oder Komponentenanalyse.

Ein gutes Beispiel für eine solche Semanalyse stellen die erwähnten Verwandtschaftsbezeichnungen dar (vgl. Abb. 222b): In der Matrix werden den einzelnen Bezeichnungen (hier: Lexeme) diverse Merkmale (in eckige Klammern gefasst) zugeordnet; dabei wird zwischen zutreffend, nicht zutreffend und indifferent unterschieden. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass jede vertikale Verteilung von Merkmalen (das heißt also: jedes Semem) eine ganz eigene Kombination an Semen aufweist und sich somit eindeutig von anderen unterscheidet.

Abb. 222b:

Semanalyse der Verwandtschaftsbezeichnungen (nach Bierwisch 1969: 67). + = Merkmal trifft zu; – = Merkmal trifft nicht zu; 0 = indifferent in Bezug auf Merkmal

Übung 222b

In einer strengen Variante der Merkmalsemantik dürfen nur so viele Merkmale bzw. Seme angesetzt werden, wie zur semantischen Unterscheidung der betreffenden Wörter erforderlich sind. Untersuchen Sie die Merkmalmatrix in Abb. 222b auf überflüssige Merkmale.

An dieser Stelle tut sich die Frage nach dem epistemologischen Status von semantischen Merkmalen auf: Sind diese reale sprachliche Erscheinungen der Objektsprache, oder handelt es sich vielmehr um Einheiten der Metasprache, die zum Zweck der linguistischen Analyse unterschieden werden? Die Existenz (universeller) semantischer Merkmale, die den Wortschatz einzelner Sprachen gliedern, ist in der Sprachtypologie und Universalienforschung noch immer umstritten (zu denken ist dabei an Merkmale wie [Singular] und [Plural] oder [belebt] und [unbelebt]), erweist sich letztlich jedoch für die semantische Merkmalanalyse als irrelevant: Ungeachtet ihres Status’ werden hier Merkmale entweder herausgegriffen oder eigens angesetzt, um im Zuge einer sprachwissenschaftlichen Konstruktion Wortfelder semantisch zu gliedern. Problematisch bei diesem abgrenzenden Verfahren mag sein, dass dabei das Wesentliche oder auch: Typische (vgl. Kap. 2.2.3) außer Acht bleiben kann.

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