Читать книгу Semantik für Lehrkräfte - Christian Efing - Страница 6
1.2 Didaktische Relevanz 1.2.1 Semantik, sprachliche Kompetenzen und Wortschatz(arbeit)
ОглавлениеSprachliche Kompetenz beruht nicht nur auf dem Umfang des Wortschatzes, den eine Person oder ein Schüler oder eine Schülerin beherrscht, sondern auch auf der so genannten Wortschatztiefe, d.h. auf der Einsicht von Sprecherinnen und Sprechern, verschiedene Bedeutungen eines Wortes zu kennen und differenzieren zu können – oder Bezüge zwischen den Bedeutungen verschiedener Wörter zu kennen und gezielt einzusetzen, zum Beispiel zwischen Synonymen oder Ober- und Unterbegriffen (Hypo- und Hyperonymen) zu wechseln. Wortschatzerwerb ist weit mehr als nur das Lernen neuer Wörter, es ist der Erwerb einer zunehmenden Einsicht in die (zum Teil metaphorische) Bedeutungsbreite bereits bekannter Wörter. Nur solch ein Wissen um die semantische Tiefenstruktur der eigenen Sprache, um die Vernetzung der Wörter und ihrer Bedeutungen, ermöglicht es einem Schreiber/einer Schreiberin etwa, variantenreiche, stilistisch ansprechende Texte zu verfassen – oder einem Leser/einer Leserin, eine bestimmte Lesart eines Wortes im Zusammenhang zu erkennen. Insbesondere bei Schülern und Schülerinnen, für die Deutsch die Zweitsprache ist, kommt es nicht selten vor, dass sie zwar ein bestimmtes Wort kennen, hiervon aber nur die prototypische Bedeutung. Mit Schule wird so das ‚Schulgebäude‘ oder eine ‚Lehrinstitution‘ verbunden, aber die biologische Verwendung im Kompositum Baumschule oder bei der Bezeichnung für einen ‚Fischschwarm‘ wird nicht verstanden. Und auch bei den grammatischen Funktionswörtern ist eine Kenntnis der Bedeutungsbreite von Wörtern elementar, um bildungs- und fachsprachliche Texte zu verstehen. Zu wissen, dass etwa die Konjunktion während nicht nur eine temporale (zeitliche), sondern auch eine adversative (entgegenstellende) Bedeutung hat, ist Voraussetzung für das korrekte Verstehen von Sätzen wie: Während Annika Vegetarierin ist, isst Nicolas sehr gerne Fleisch. Sowohl für die Sprachrezeption, das präzise Lese- und Hörverstehen, wie für die Sprachproduktion, die stilistische Ausdrucksfähigkeit, ist ein profundes Semantikwissen auf lexikalischer Ebene also unerlässlich. Hierzu zählt insbesondere auch ein generelles Verständnis für die Prozesse der metaphorischen Bedeutungserweiterung, das es ermöglicht, neue Bedeutungsnuancen und unbekannte Anwendungsbereiche und Verwendungen eines Wortes nachvollziehen und sich kontextuelle Bedeutungen selber erschließen zu können. Zweitsprachlerinnen und -sprachler stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, die wertenden Nebenbedeutungen eines Wortes (Konnotationen), die Erstsprachler im Laufe der Sprachsozialisation leichter oder früher erwerben, zu erkennen – also zum Beispiel, dass Köter kein neutraler, sondern ein abfälliger Ausdruck für ‚Hund‘ ist (vgl. Kapitel 2.1.3).