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2.1.2 Bedeutung als Gebrauch von Zeichen

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Die Annahme, Bedeutungen seien eigenständige Einheiten, ist aus Sicht vieler Vertreterinnen und Vertreter aus Sprachphilosophie, Semiotik und Linguistik derart problematisch, dass sie selbst auf deren Ansatz als hermeneutische Größe verzichten: Der Status der Konzepte bzw. Termini Begriff und Bedeutung sei hiernach in einem so hohen Maße unbestimmt, dass diese konzeptionell nicht haltbar seien und deren wissenschaftlicher Gebrauch daher abgelehnt werden müsse.

Vor diesem Hintergrund fordert bereits Charles S. Peirce (1878), nicht die konzeptionelle Intension von Begriffen selbst zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Untersuchungen zu machen, sondern die pragmatische Relevanz der Gegenstände und Sachverhalte, auf die durch solche Begriffe jeweils Bezug genommen wird: Ein Begriff bzw. eine Bedeutung spiegele sich in der Art und Weise wider, wie der damit erfasste Gegenstand oder Sachverhalt verwendet werde; diese Verwendungsweise zu erfassen, mache die Beschreibung von so etwas wie Begriffen oder Bedeutungen hinfällig. Stark vereinfacht lässt sich dies am Beispiel des Worts oder Begriffs Hammer zeigen: Dieser Gegenstand kann intensional als ein Werkzeug aufgefasst werden, das dazu dient, Gegenstände an Wänden usw. zu befestigen; seine Verwendungsweise besteht dagegen darin, Nägel in Flächen usw. zu schlagen.

Für die Sprachwissenschaft bedeutsam wurde ein solcher Ansatz mit der Philosophie des späteren Ludwig Wittgenstein (1958/77: 236), der die Bedeutung eines (lexikalischen) Zeichens mit dessen Gebrauchsweise bzw. mit deren Beschreibung bzw. Erklärung gleichsetzt: „‚Die Bedeutung des Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt‘. Das heißt: willst du den Gebrauch des Worts ‚Bedeutung‘ verstehen, so sieh nach, was man ‚Erklärung der Bedeutung‘ nennt.“ Die Bedeutung eines Wortes wie Hammer wird hiernach nicht durch Beschreibung seines (kognitiven, mentalen oder konzeptionellen) Inhalts erfasst, sondern durch die Beschreibung seiner (pragmatischen) Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch. Seinen Niederschlag fand Wittgensteins Philosophie etwa in der pragmatischen Semantik der 1970er Jahre oder in der Sprechakttheorie von John L. Austin (1962) und John Searle (1969).

Eine konsequente Ablehnung erfährt das Konzept der Bedeutung im Rahmen des Behaviorismus (aus englisch behaviour ‚Verhalten‘). Menschliches Verhalten wird hier als Abfolge von unmittelbaren Reizen und Reaktionen (Stimulus und Response) beschrieben – so etwa, wenn der Anblick eines Apfels eine Person dazu bewegt, diesen an sich zu nehmen und zu essen (S → R). Sprachliche Handlungen erscheinen im Rahmen dieses Konzepts als Reize und Reaktionen auf einer mittelbaren Ebene – hier etwa, wenn der Anblick eines Apfels zu einer sprachlichen Reaktion gegenüber einer anderen Person führt, die diesen Apfel dann zum Verzehr reicht (S → r → s → R; dieses berühmte Beispiel, das durchaus biblische Erinnerungen weckt, stammt von Leonard Bloomfield 1933: 74; als weitere Vertreter des Behaviorismus gelten etwa Charles Morris oder Willard van Orman Quine). Der entscheidende Punkt des behavioristischen Ansatzes besteht somit darin, menschliche Handlungen im Allgemeinen und Sprachhandlungen im Besonderen ohne einen Rückgriff auf so etwas wie Bedeutungen oder Begriffe zu erfassen.

Letztlich hat sich ein behavioristischer Ansatz innerhalb der linguistischen Semantik nicht durchsetzen können. Mit der Etablierung der linguistischen Pragmatik rückten indessen Konzeptionen in den Fokus des Interesses, die an verschiedenen Funktionen sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen ansetzen und auf diese Weise eine Semantik erlauben, die sowohl pragmatische als auch systematische Aspekte berücksichtigt. Das bekannteste Modell dieser Art stammt von dem Psychologen Karl Bühler (1934: 24–33). Es wurde ausdrücklich als Alternative zu behavioristischen Ansätzen entwickelt und wird als Organon-Modell (aus altgriechisch ὄργανον organon ‚Werkzeug‘) bezeichnet (vgl. Abb. 212a).

Abb. 212a:

Zeichenmodell von Karl Bühler (1934: 28)

In der Mitte des Modells steht das (sprachliche) Zeichen Z – symbolisiert durch einen Kreis für dessen Ausdrucks- und ein Dreieck für dessen Bedeutungs- bzw. Funktionsseite. Teile des Kreises, die über das Dreieck hinausreichen, stellen Aspekte des Ausdrucks dar, die im Rahmen „abstraktiver Relevanz“ für die Kommunikation unerheblich sind; hierzu zählen etwa Stimmlage oder Sprechgeschwindigkeit. Demgegenüber verweisen die Spitzen des Dreiecks, die über den Kreis hinausreichen, auf Aspekte der kommunikativen Funktion, die nicht von der Ausdrucksseite abgedeckt werden, sondern eine „apperzeptive Ergänzung“ erforderlich machen.

Dies lässt sich an folgendem Beispiel leicht veranschaulichen: Im Rahmen eines Telefonats etwa sind zum einen die individuelle Höhe der Stimme oder die situative Geschwindigkeit der Sprecherin oder des Sprechers (in einem gewissen Rahmen) nicht wesentlich, um die gesprochenen Äußerungen selbst zu verstehen (abstraktive Relevanz); zum anderen können hier bestimmte Laute, die technisch nicht übertragen werden, oder ganze Wörter, die von den Sprechenden verschluckt oder ausgelassen werden, von den Telefonierenden intutiv so mitgedacht werden, dass der volle Inhalt dieser gesprochenen Äußerungen dennoch erschlossen und verstanden wird (apperzeptive Ergänzung).

Um das Zeichen herum sind in dem Modell ein Sender und ein Empfänger als Verwenderinnen und Verwender des Zeichens sowie Gegenstände und Sachverhalte als die Wirklichkeit, auf die sich das Zeichen bezieht, angeordnet. Gegenüber jeder dieser Einheiten erfüllt das Zeichen im Rahmen der Kommunikation eine bestimmte Funktion: die Funktion einer Darstellung der außersprachlichen Gegenstände von Sachverhalten, diejenige von Appell (etwas zu tun bzw. zu verstehen) an den Empfänger sowie die von Ausdruck (eigener Herkunft und Befindlichkeit) seitens des Senders. Mit diesen drei kommunikativen Funktionen wird die Vorstellung einer bestimmten Bedeutung aufgehoben und durch drei Dimensionen des Zeichengebrauchs ersetzt.

Übung 212a

Exemplifizieren Sie das Organonmodell von Karl Bühler anhand des folgenden Beispielsatzes: „Es regnet!“

Mindestens zwei Parallelen zu den bereits skizzierten Zeichenmodellen von de Saussure sowie Ogden und Richards sind offensichtlich: Zum einen wird hier ebenfalls zwischen der Ausdrucks- und der Bedeutungs- bzw. Funktionsseite eines Zeichens unterschieden. Zum anderen findet sich auch der Bezug auf Gegenstände und Sachverhalte der außersprachlichen Wirklichkeit, der das semiotische Dreieck von Ogden und Richards gegenüber dem Zeichenmodell von de Saussure kennzeichnet. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Organon-Modell und den beiden anderen Modellen betrifft jedoch den Status des Zeichens: Im Falle von Bühlers Modell handelt es sich (primär) um ein Zeichen im konkreten Gebrauch (parole), im Falle der Modelle von de Saussure sowie Ogden und Richards um ein Zeichen auf der abstrakten Ebene eines einzelsprachlichen Systems (langue).

Unterscheidet Bühler drei Funktionen des Gebrauchs von sprachlichen Zeichen, so sind dies bei Roman Jakobson (1960/79) sechs, die an die folgenden „Faktoren“ in einem einfachen Modell sprachlicher Kommunikation gebunden sind (vgl. Abb. 212b): einen Sender und einen Empfänger, die in einem bestimmten (außersprachlichen) Kontext in Kontakt zueinander stehen und anhand eines (einzelsprachlichen) Kodes einander eine Mitteilung (über den Kontext der außersprachlichen Wirklichkeit) zukommen lassen.

Abb. 212b:

Faktoren (sprachlicher) Kommunikation nach Roman Jakobson (1960/79: 88)

Gegenüber jedem dieser sechs Faktoren erfüllt das sprachliche Zeichen nun jeweils eine kommunikative Funktion, die den drei Funktionen in Bühlers Organonmodell partiell entsprechen (vgl. Abb. 212c): Eine emotive Funktion gegenüber dem Sender (analog der Ausdrucksfunktion), eine konative Funktion gegenüber dem Empfänger (Appellfunktion), eine referentielle Funktion in Bezug auf den Kontext (Darstellungsfunktion), eine metasprachliche Funktion hinsichtlich des Kodes (der durch die konkrete Verwendung von Zeichen seinerseits zum Ausdruck kommt), eine phatische Funktion bezüglich des Kontakts (der durch die Kommunikation hergestellt bzw. erhalten wird) sowie eine poetische Funktion im Hinblick auf die Mitteilung (die durch die Art und Weise ihrer Gestaltung wirkt) selbst. Insbesondere die poetische Funktion ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, da sie Ausdruck einer eigenen ästhetischen Konzeption ist, die als Autoreflexivität von Kunstwerken bekannt geworden ist. Diese Ästhetikkonzeption stellt bis heute ein wichtiges Bindeglied zwischen Sprach- und Literaturdidaktik dar, das insbesondere zur Interpretation von Lyrik herangezogen wird.

Abb. 212c:

Funktionen (sprachlicher) Kommunikation nach Roman Jakobson (1960/79: 94)

Bei der Betrachtung eines Gedichts – etwa über den einsetzenden Frühling – zum Beispiel kommen letztlich alle sechs Funktionen ins Spiel: Die Autorin bzw. der Autor bringt emotiv ihre bzw. seine Freude über das referentiell vorgetragene, neu erwachende Leben zum Ausdruck und wirkt dabei auf die Lesenden konativ als Aufforderung zur Mitfreude. Damit entsteht eine phatische Verbindung zwischen dem Schreibenden und den Lesenden. Mit der Art und Weise, über den Frühling zu schwärmen, wird Sprachgebrauch im Allgemeinen metasprachlich bekräftigt und im Speziellen poetisch zum Gegenstand der Betrachtung selbst (und somit ggf. eines ganz eigenen künstlerischen Genusses).

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