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Eine veritable Unruhe hatte sich in ihm breit gemacht, bevor er wirklich begann, die Tasten des Telefons niederzudrücken. Nachdem er den Brief an Lothar zum Postkasten gebracht, seine Einkäufe getätigt, den Kühlschrank eingeräumt und seine Wohnung aufgeräumt hatte, schenkte er sich von dem aus der Kaufhalle mitgebrachten Wodka mindestens fünfzig Gramm in ein Saftglas ein und mixte daraus durch Zugabe von Vitacola den inzwischen republikweit beliebten Softdrink mit besonderer Wirkung. Er stellte das Telefon auf den Couchtisch und versuchte, eine bequeme Haltung auf seinem kleinen schwarzen Ledersofa zu finden. Er wollte entspannt klingen, wenn er mit ihr sprach. Er hatte nicht einmal vergessen, einen Zettel und einen Kugelschreiber parat zu legen, falls es etwas zum Aufschreiben gab.

Er ärgerte sich darüber, dass er nicht gelassen bleiben konnte. Was hing denn ab von diesem Kontakt? Würde sein künftiges Leben besser oder schlechter verlaufen, je nachdem, wie das Telefonat ausging? Von dem zweiten Glas, das er mittlerweile zurecht gemacht hatte, trank er nur einen Schluck, denn er wollte keinesfalls, dass sie bemerkte, dass er versucht hatte, sein Gemüt zu beruhigen und seine Zunge mit Alkohol etwas zu lösen. Mein Gott – er war jetzt siebenunddreißig Jahre alt, hatte einige Affären und eine Ehe hinter sich und seinen Vater begraben; er war doch kein Pennäler mehr!...

Wauer wählte ihre Nummer.

„Ja bitte!“, meldete sie sich, nachdem vier Einwähltöne verklungen waren, er kurz aufgelegt und dann noch einmal gewählt hatte. Das war von Anfang an ihr Erkennungszeichen gewesen.

„Ich bin´s, ich bin wieder hier in Berlin.“

„Ja klar,“ erwiderte sie, „ich hab´s gemerkt und damit gerechnet, dass du dich meldest.“

„Wie geht es dir? Geht es dir gut?“ Er stotterte leicht und bemerkte, dass er gerade etwas tautologisch gesprochen hatte.

„Es geht mir gut, den Umständen entsprechend. Was ist mit Dir?“

„Es geht mir auch gut. Das heißt, im Prinzip. Ich denke, es geht mir gut.“

„Das heißt also, dass nicht alles OK ist, oder?“

„Na ja, im Grunde ist alles OK. Können wir uns sehen?“ Und nachdem eine kurze Pause entstanden war, fügte er „bitte“ hinzu.

“Bist du sicher, dass du mich sehen willst?“, fragte sie zurück.

„Du hattest angeordnet, dass ich Ruhe geben soll, bis du dich meldest. Du hast dich aber nicht gemeldet!“

„Ja, reg dich nicht auf. Das war schließlich auch ein Scheißweihnachten voriges Jahr. Es ging mir danach nicht besonders. Aber jetzt geht es mir vielleicht besser. Also gut. Wo wollen wir uns treffen?“

„Na, am einfachsten ist es ja wohl bei mir. Es gibt da keine Veränderungen seit dem Jahreswechsel. Du musst nur kommen.“

Sie überlegte einen Moment. Dann sagte sie: „OK, ich komme morgen Abend rüber, da können wir Verschiedenes feiern. Mach bisschen Salat. Ich bringe dir was zu trinken mit. Hauptsache, du hast ein paar Flaschen Bier da, was anderes brauchst du nicht zu kaufen.“

Er zögerte ebenfalls ein wenig und hoffte, dass sie es nicht gemerkt hatte. Wieso sagte sie, dass sie ihm etwas zu trinken mitbrächte? „OK“, sagte er, „bleibst du da?“

„Wieso willst du das wissen? Das weiß ich doch heute noch nicht! Hängt doch wohl nicht alleine von mir ab“, antwortete sie spitz.

Morgenrosa

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