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IV. Nullum crimen, nulla poena sine lege

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Dieser Grundsatz ist in Art. 103 II GG mit Verfassungsrang ausgestattet und beinhaltet vier Einzelausprägungen:

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1. Ausschluss von Gewohnheitsrecht (lex scripta)

Gesetzlichkeit erfordert schon nach dem Wortsinn gesetztes, d. h. geschriebenes Recht. Strafbegründendes oder strafschärfendes Gewohnheitsrecht ist daher ausgeschlossen.

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2. Bestimmtheitsgebot (lex certa) [26]

a) Es gibt keinen allgemein gültigen Bestimmtheitsgrad.

b) Das Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit schließt nicht die Verwendung von Begriffen aus, die der wertenden Deutung durch den Richter bedürfen.

c) Einzelkriterien:

- Voraussehbarkeit der richterlichen Handhabung für den Normadressaten.
- Tatbestand muss zumindest das geschützte Rechtsgut erkennen lassen. Zu unbestimmt wäre z. B. ein Gesetz mit dem Wortlaut: „Wer sich unangemessen benimmt, wird angemessen bestraft“. Entscheidend ist das sog. Konkretisierbarkeitskriterium, d. h. wenn ein Tatbestand ohne große Schwierigkeiten kasuistisch erfasst werden kann, so ist grundsätzlich hinreichende Bestimmtheit gegeben.
- Verhältnismäßigkeitsprinzip: Je schwerer die angedrohte Strafe ist, desto präziser muss das Gesetz die Strafbarkeit bestimmen. Ist dies nicht der Fall, so wird man aufgrund des ultima ratio-Prinzips den Tatbestand im Zweifel teleologisch reduzieren müssen.

Beispiel: Da Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird, ist zu erwägen, ob man hier die Tatbestandsvoraussetzungen nicht zu lockern hat. So liest man bei Sinn zu § 211 StGB den denkwürdigen Hinweis: „Da die Strafe starr ist, muss der Begriff flexibel sein.“[27]

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3. Analogieverbot (lex stricta) [28]

a) Anwendungsbereich Das Analogieverbot dient dem Schutz des Einzelnen. Daher ist gegen eine täterbegünstigende Analogie nichts einzuwenden.

b) Wesen und Bedeutung der Analogie Die Analogie ist eine Methode richterlicher Rechtsergänzung durch Ausfüllung planwidriger Regelungslücken im Wege der Übertragung eines einem Tatbestand (Gesetzesanalogie) oder einer Mehrheit vergleichbarer Tatbestände (Rechtsanalogie) zugrunde liegenden Gedankens auf einen gesetzlich nicht geregelten ähnlichen Fall.

c) Grenze zwischen Auslegung[29] und Analogie[30] Die Grenze wird von der ganz h. M. beim „noch möglichen Wortsinn“ gezogen.[31] Neben der grammatischen Auslegung (Ermittlung des Wortsinns der gesetzlichen Begriffe) spielt die systematische Auslegung (der Zusammenhang, in dem sich die Vorschrift befindet), die historische Auslegung (Orientierung am Willen des historischen Gesetzgebers) sowie vor allem die teleologische Auslegung[32] (Interpretation nach Sinn und Zweck des Gesetzes) eine Rolle. Darüber hinaus ist aber auch auf eine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung zu achten.[33] Jedes Interpretationsergebnis, das zulasten des Täters den möglichen Wortsinn verlässt, überschreitet die Grenze von der zulässigen Auslegung hin zur verbotenen Analogie.

Beispiel: A setzt den B mit dem bloßen Hintern auf eine heiße Herdplatte (RGSt 24, 372); A schlägt den Kopf des B gegen eine Hauswand (BGHSt 22, 235).

Lösung: Hier wird von der h. M. aufgrund des Analogieverbots eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 I Nr. 2 StGB abgelehnt, weil die Benutzung festgefügter Gegenstände wie Herdplatte oder Hauswand nach dem Sprachgebrauch nicht unter den Begriff des Werkzeugs fallen könne, da dieser Beweglichkeit voraussetze. In der Lit. wird dies zwar bestritten, jedoch wird man der h. M. deshalb Recht geben müssen, weil niemand derartige Gegenstände als Werkzeug bezeichnet, mag die Wirkung auch die gleiche sein. Der Zweck der Vorschrift kann also den Wortlaut nicht überschreiten. Freilich wird man je nach Tatbild beim Schlagen des Kopfes gegen eine Hauswand ggf. § 224 I Nr. 5 StGB (lebensgefährdende Behandlung) bejahen können und bei schweren Verbrennungen wird sogar § 226 StGB in Frage kommen, sodass sich das Problem zumindest relativiert.

Als besonders schillernder Begriff im Grenzbereich zwischen Auslegung und Analogie hat sich das Merkmal der „Gewalt“ im Rahmen des § 240 StGB erwiesen.[34] Das BVerfG[35] hat diesbezüglich mit Blick auf Art. 103 II GG klargestellt, dass ein Täter Gewalt i. S. des § 240 StGB nur anwendet, wenn er durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern auch körperlich empfunden wird. Die bloße körperliche Anwesenheit und eine dadurch ausgelöste psychische Zwangswirkung auf den Genötigten genügten daher für die Annahme von Gewalt nicht. Im konkreten Fall handelte es sich um eine Sitzblockade, durch die verhindert werden sollte, dass Fahrzeuge ein Kasernentor passieren. Das BVerfG verneinte hier gerade im Hinblick auf den ersten herannahenden Fahrer die Annahme von Gewalt, da ein vergeistigter Gewaltbegriff die natürliche Wortlautgrenze überschreite. Später hat der BGH in seiner sog. Zweite-Reihe-Rspr. allerdings Gewalt gegenüber den weiteren herannahenden Kraftfahrern angenommen, da diese infolge des Anhaltens des zuerst Eintreffenden durch die jeweils vor ihnen befindlichen Fahrzeuge eine unüberwindbare und damit physische Barriere vorfänden (vgl. zum gesamten Problemkomplex ausführl. Jäger, BT, Rn. 149 f.).[36]

Unklar war, welche Auswirkungen diese Sitzblockaden-Entscheidung des BVerfG auf andere Sachverhalte hat. Jedoch hat das BVerfG versucht, seiner Auffassung Konturen zu verleihen. Dies zeigt folgendes

Beispiel[37]: A fuhr der F innerhalb geschlossener Ortschaft im dichten Kolonnenverkehr nahe auf, betätigte den Blinker, gab mehrfach Licht- und Hupsignale und fuhr bei etwa 50 km/h bis auf ca. 1 m auf das Kfz der F auf. Der ganze Vorgang verlief über eine Strecke von etwa 300 m. Die F wurde dadurch in einen Angst- und Nervositätszustand versetzt, der sie zunehmend fahrunsicher machte. Dennoch gelang es ihr, sich in den dichten Kolonnenverkehr der rechten Fahrspur einzuordnen.

Lösung: Das BVerfG hat im Beispielsfall eine nötigende Gewalt i. S. des § 240 I, II StGB bejaht. Dabei machte es noch einmal deutlich, dass eine rein psychische Zwangswirkung für die Annahme von Gewalt nicht genügt. Vorliegend lasse sich zunächst die den Auffahrvorgang ausmachende dynamische Bewegung des Kraftfahrzeugs ohne Weiteres als Kraftentfaltung begreifen, die auch im Betätigen des Gaspedals als unrechtsrelevantes Verhalten gesehen werden könne. Sofern die Auswirkungen dann körperlich empfunden werden, also zu physisch merkbaren Angstreaktionen führen, liege auch auf Opferseite ein körperlicher Zwang vor, der – auch gemessen an verfassungsrechtlichen Maßstäben – Gewalt sein könne. Dabei müsse der Fahrzeugführer bei bedrängender Fahrweise grundsätzlich auch damit rechnen, dass sein Verhalten zu Furchtreaktionen anderer Verkehrsteilnehmer führen kann. Ob in einem derartigen Fall auch § 315c I Nr. 2b StGB wegen „falschen Überholens“ vorliegt, ist Tatfrage (es hängt insbesondere davon ab, ob man das Verhalten als grob verkehrswidrig einstufen und von einem Beinaheunfall ausgegangen werden kann). Nicht gegeben sein dürfte regelmäßig § 315b StGB, da bei ihm im fließenden Verkehr eine Pervertierung des Straßenverkehrs vorausgesetzt wird und die Rspr. diesbezüglich sogar einen Schädigungsvorsatz verlangt (vgl. näher dazu Jäger, BT, Rn. 690 a. E.).

Man muss sich klar machen, dass die soeben genannte Entscheidung des BVerfG auch auf andere Konstellationen Auswirkungen haben kann. So wird man künftig auch das Bedrohen mit einer Pistole zumindest dann als Gewalt begreifen können, wenn es beim Opfer zu einer körperlichen Schreckreaktion führt. Die Problematik der verfassungsgerichtlichen Rspr. liegt freilich darin, dass eine rechtssichere Handhabung kaum mehr möglich ist, weil die Bejahung von Gewalt von der schwer überprüfbaren „Belastbarkeit“ des Opfers abhängt. Das BVerfG hat dies allerdings gesehen und darauf hingewiesen, dass es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommen wird (vgl. zum Ganzen auch Jäger, BT, Rn. 141).

Ein schönes und klausurträchtiges Beispiel für die Problematik des Art. 103 II GG liefert auch § 265a StGB. Rechtsprechung und h. M. gehen hier davon aus, dass es auch als Erschleichen der Leistung verstanden werden kann, wenn der Täter, der keine Fahrkarte gelöst hat, nur unauffällig im Zugabteil sitzt und sich auf diese Weise mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit umgibt.[38] Ausführlich dazu mit Fall und Lösung Jäger, BT, Rn. 476 ff.

Einen weiteren Fall zur Grenzziehung zwischen verbotener Analogie und zulässiger Auslegung liefert der Streit um die Frage, ob das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort einem berechtigten oder entschuldigten Entfernen nach § 142 II Nr. 2 StGB gleichgestellt werden kann. Das BVerfG[39] hat diese Frage jedoch mit der Begründung verneint, dass anderenfalls die Grenze des Wortsinns gesprengt würde.

Achtung Klausur: Diese Entscheidung des BVerfG führt dazu, dass für den zuerst zu prüfenden § 142 I Nr. 1 StGB bedeutsamer wird, wann noch von einem unerlaubten Entfernen vom „Unfallort“ gesprochen werden kann. Näher dazu mit Fall und Lösung Jäger, BT, Rn. 727.

Zu einem weiteren Fall der Abgrenzung von zulässiger Auslegung und verbotener Analogie Jäger, BT, Rn. 182.

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4. Rückwirkungsverbot (lex praevia)

Das Rückwirkungsverbot zielt darauf ab, dem Bürger einen Vertrauensschutz zu gewährleisten.

a) Anwendungsbereich

- Unbestritten ist die rückwirkende Neuschaffung oder Erweiterung von strafbegründenden Normen verboten. Unstreitig verboten ist auch die strafschärfende Änderung oder Neueinführung von Rechtsfolgen.
- Strittig ist dagegen, ob das Rückwirkungsverbot nur die Normen des Besonderen Teils des StGB (also §§ 80 ff. StGB) betrifft oder auch die Normen des Allgemeinen Teils. Eine Mindermeinung geht davon aus, dass nur im Besonderen Teil die einzelnen Tatbestände vertypt sind, sodass auch nur hier das Rückwirkungsverbot sinnvoll anwendbar sei. Dem ist jedoch mit der h. M. strikt zu widersprechen, da die Reichweite eines Tatbestandes letztlich erst durch die Regeln des Allgemeinen Teils näher bestimmt wird; im Übrigen sind die Regeln des Allgemeinen Teils nur aus formellen (gesetzestechnischen) Gründen „vor die Klammer“ gezogen, ohne dass eine materielle Differenz bestünde.
- Streitig ist auch, ob das Rückwirkungsverbot in gleicher Weise für die prozessuale Verfolgbarkeit gilt. Bsp.: Verjährungsausschluss für Mord nach Begehung der Tat. Nach Auffassung des BVerfG[40] ist eine derartige nachträgliche Verjährungsverlängerung bzw. ein Verjährungsausschluss möglich. Bei der Verjährung fehle es nämlich an dem Vertrauensschutzelement, da diese ohnehin jederzeit unterbrochen werden kann.[41] Immerhin sei aber auch hier das Rechtsstaatsprinzip (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) ausschlaggebend, sodass ein Verjährungsausschluss wohl nur im Bereich schwersten Unrechts in Frage komme.
- Rückwirkende Änderung der Rspr. Rspr. und Lehre gehen davon aus, dass Art. 103 II GG auf den Bereich der Rechtsschöpfung beschränkt ist und daher einer rückwirkenden Änderung der Rspr. nicht entgegensteht. Daher kann ein davon überraschter Täter allenfalls unter Schuldgesichtspunkten wegen eines Verbotsirrtums Straffreiheit oder Milderung erlangen. Jedoch komme ein strafbefreiender unvermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 S. 1 StGB) nur in Betracht, wenn das Verhalten des Täters nach der zur Tatzeit praktizierten höchstrichterlichen Rspr. als straflos gelten konnte und der Täter diese Rspr. gekannt und auf sie vertraut hat. Nach OLG Celle[42] ist dies alles Tatsachenfrage. Im Fall des OLG Celle ging es um die Herabsetzung der BAK von 1,5 auf 1,3 (heute sogar 1,1) Promille für die Annahme von absoluter Fahruntauglichkeit. Diese Rechtsprechungsänderung verstieß nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil nur die Rechtsschöpfung, nicht aber eine bestimmte Auslegung eines Tatbestandes von diesem Verbot erfasst wird. Denn der Einzelne kann kein Vertrauen auf eine stets gleichbleibende Rspr. haben.

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b) Sonderproblem: Sicherungsverwahrung[43] Nach einem Urteil des EGMR vom 17.12.2009[44] hat Deutschland in der Vergangenheit mit der Regelung zur Sicherungsverwahrung gegen die EMRK verstoßen. Die durch § 67d III StGB bewirkte rückwirkende Aufhebung der zeitlichen Begrenzung einer erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und damit nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung habe gegen das Recht auf Freiheit in Art. 5 EMRK und das Rückwirkungsverbot in Art. 7 EMRK verstoßen. Damit wich diese Entscheidung ausdrücklich von einer Entscheidung des BVerfG[45] ab, in der es zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen war. Nach Ansicht des BVerfG sei das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 II GG auf die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. Hier sei die grundlegende Unterscheidung zwischen Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem StGB zu beachten. Der EGMR stellte jedoch fest, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung unabhängig von ihrer Bezeichnung und formellen Konstruktion um eine Strafe i. S. von Art. 7 I EMRK handele. In der Folge handhabten die Oberlandesgerichte diese Rechtslage sehr unterschiedlich, sodass sich der Gesetzgeber 2010 gezwungen sah, in § 121 II GVG bei Fällen, die die Sicherungsverwahrung betreffen, eine Vorlagepflicht an den BGH bei Abweichungen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte einzuführen.[46] Insbesondere das OLG Nürnberg vertrat die Auffassung, dass die Entscheidung des EGMR nicht bindend und ihr auch im Übrigen nicht zu folgen sei.[47] Daraufhin entschied der 5. Strafsenat des BGH, dass das Urteil des EGMR nicht zur Folge habe, dass Verurteilte, die wegen vor dem 31.1.1998 begangener Taten seit mehr als zehn Jahren erstmals in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind, ohne weitere Sachprüfung zu entlassen seien.[48] Um die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung zu harmonisieren und Schutzlücken zu schließen, ist am 1.1.2011 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010[49] in Kraft getreten. Hierdurch wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung für die Zukunft weitgehend abgeschafft. Nach den neuen Regelungen muss die Sicherungsverwahrung im Strafurteil angeordnet oder vorbehalten sein. Wenig später entschied der EGMR erneut, dass die nachträgliche Verlängerung einer Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig sei.[50] Zudem erklärte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4.5.2011[51] sämtliche Normen für verfassungswidrig, die die Voraussetzung für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung regelten. Da die Vorschriften nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31.5.2013, fortgelten sollten, war damit nicht die Konsequenz verbunden, dass alle Sicherungsverwahrten zu entlassen sind.[52] Während im Jahr 2004 vom Bundesverfassungsgericht eine über zehn Jahre hinausreichende Freiheitsentziehung noch als verhältnismäßig eingestuft wurde,[53] ging derselbe Senat nunmehr davon aus, dass es einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung bedürfe. Ausgehend hiervon sei festzustellen, dass die Sicherungsverwahrung das sog. Abstandsgebot zur Strafe nicht einhielt. Denn der Vollzug der Sicherungsverwahrung sei so ausgestaltet, dass kein hinreichender Unterschied, d. h. kein ausreichender Abstand zur Strafe erkennbar sei. Mit Blick auf die Altfälle ging der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass sich das Gewicht des Vertrauensschutzes einem absoluten Vertrauensschutz annähere.[54] Der legitime Zweck, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, trete weitgehend hinter den Vertrauensschutz zurück. Nachträgliche Verschärfungen der Sicherungsverwahrung dürften daher auf Altfälle nicht angewandt werden, auch wenn das Rückwirkungsverbot in diesem Bereich nicht unmittelbar gelte. Dennoch sei in Ausnahmefällen von einem Überwiegen der Sicherheitsinteressen auszugehen, falls das Abstandsgebot eingehalten werde und die „hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist“.[55] Im Übrigen ließ das Bundesverfassungsgericht eine fortgesetzte oder nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung zu, wenn eine psychische Störung i. S. von § 1 I Nr. 1 ThUG (Therapieunterbringungsgesetz) vorlag. Die durch die Entscheidung des BVerfG notwendige Reform wurde mittlerweile durch das am 1.6.2013 in Kraft getretene Gesetz zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung umgesetzt.
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