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2. Nachhaltigkeit

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Eine Tätigkeit wird grundsätzlich nachhaltig ausgeübt, wenn sie auf Dauer angelegt ist.[12] Nachhaltig sind danach zunächst Dauerleistungen, die über längere Zeiträume erbracht werden. Auf Dauer angelegt und damit nachhaltig handelt weiter, wer mehrere gleichartige Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses ausführt.[13]

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Beispiele:

Die Vermietung von Immobilien sowie die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Grundstück geschehen als Dauerleistungen (Duldungsleistungen) nachhaltig.[14] Damit ist jeder Vermieter einer Immobilie Unternehmer – ohne Rücksicht darauf, ob die Immobilie eine Wohn- oder Gewerbeimmobilie ist, und ob sie ertragsteuerrechtlich dem Privatvermögen (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG) oder einem Betriebsvermögen zugeordnet ist. Schon die Vermietung einer einzigen kleinen Wohnung macht den Vermieter umsatzsteuerrechtlich zum Unternehmer (der Vermietungsumsatz ist allerdings regelmäßig steuerfrei, s. noch Rn 498 ff). Ebenso kann die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb über einen längeren Zeitraum steuerbar sein (Dauer-Unterlassungsleistung).[15] Gleichartige Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit sind etwa zu bejahen bei Ladenverkäufen, im Einzelfall bei eBay-Verkäufen[16] sowie bei Prostitution.[17] Der An- und Verkauf mehrerer neuer Kfz geschieht ebenfalls regelmäßig nachhaltig.[18] Schließlich wird zum Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuerrechts, wer eine Photovoltaik-Anlage auf seinem Hausdach installiert und den erzeugten Strom gegen Einspeisevergütung (ein Anspruch darauf besteht nach § 16 EEG) in das Stromnetz einspeist.[19]

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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Begriff der Nachhaltigkeit allerdings nicht ausschließlich in einem zeitlichen Sinne zu verstehen.[20] Vielmehr kann im Einzelfall trotz wiederkehrender oder dauerhafter Leistungen Nachhaltigkeit zu verneinen sein. Umgekehrt kann eine einzige Handlung ohne Wiederholungsabsicht nachhaltig im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein.[21] Der Begriff der Nachhaltigkeit ist hier das „Einfallstor“ für eine teleologische – am Gesetzeszweck der Umsatzsteuer – orientierte Auslegung des Unternehmerbegriffs: Die Umsatzsteuer soll den privaten Endverbrauch erfassen, typisch unternehmerisches Handeln aber nicht. Typische private Verwertungshandlungen sind daher nicht nachhaltig, begründen also nicht die Unternehmereigenschaft; wer typisch unternehmerisch handelt, ist dagegen Unternehmer. Wie der BFH betont, ist dieses Verständnis auch bei richtlinienkonformer Auslegung geboten, weil das Richtlinienrecht die Eigenschaft als Steuerpflichtiger an die Ausübung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ knüpft (Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, s. dazu bereits Rn 98).[22]

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Der Rechtsprechung[23] lassen sich u. a. folgende Kriterien entnehmen, die für typisch unternehmerisches Handeln sprechen sollen:

Intensität des Tätigwerdens,
Beteiligung am Markt,
Auftreten wie ein Händler,
Unterhalten eines Geschäftslokals,
Auftreten nach außen, z. B. gegenüber Behörden.

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Der BFH hat in folgenden Fällen trotz dauerhafter oder wiederholter Tätigkeit die Nachhaltigkeit verneint:

Die Anlage von Geld auf Giro-, Bauspar- und Sparkonten stellt für sich allein keine umsatzsteuerbare Leistung dar.[24]
Nicht unternehmerisch handelt weiter der Arbeitnehmer eines Autoherstellers, der von diesem unter Inanspruchnahme des Werksangehörigenrabatts fabrikneue Automobile erwirbt und diese nach einer Behaltefrist von einem Jahr wieder verkauft (Jahreswagen).[25]
Nicht unternehmerisch handeln auch Briefmarken– oder Münzsammler, die aus privaten Neigungen sammeln und Einzelstücke veräußern oder wegtauschen, die Sammlung teilweise umschichten oder die Sammlung ganz oder teilweise veräußern.[26]

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Beispiel (den Entscheidungen von EuGH und BFH in der Rs. Enkler[27] nachgebildet):

Frau Enkler erwarb 1984 ein Wohnmobil, das sie und ihr Ehegatte in der Folge überwiegend privat nutzten. Der Ehegatte finanzierte den Erwerb und die laufenden Kosten ganz überwiegend. Die insgesamt geringen Mieteinnahmen Frau Enklers – umgerechnet etwa € 2000 in drei Jahren – entfielen ganz überwiegend auf Vermietungen an den Ehegatten. 1986 erklärte Frau Enkler die Entnahme des Wohnmobils „aus dem Unternehmen“. Frau Enkler begehrte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Wohnmobils und ging davon aus, im Hinblick auf die private Nutzung einen „Eigenverbrauch“ (heute: unentgeltliche Wertabgabe, § 3 Abs. 9a Nr 1 UStG) versteuern zu müssen. Zu Recht?

Lösung: Der begehrte Vorsteuerabzug setzt voraus, dass Frau Enkler bei Erwerb des Wohnmobils als Unternehmer(in) im Rahmen ihres Unternehmens gehandelt hat (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr 1 UStG). Unternehmerisch ist jede selbstständige, nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs. 2 UStG). Im Falle Frau Enklers hat der BFH – einer Vorlageentscheidung des EuGH folgend – eine nachhaltige Tätigkeit abgelehnt. Der Begriff der Nachhaltigkeit sei richtlinienkonform im Sinne einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ auszulegen. Bei der Entscheidung über die Nachhaltigkeit sei die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Werde ein Gegenstand vermietet, der seiner Art nach sowohl für wirtschaftliche als auch für private Zwecke verwendet werden könne, seien alle Umstände der Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob der Gegenstand tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet werde. Dabei falle im Streitfall entscheidend ins Gewicht, dass Frau Enkler nur ein einziges, seiner Art nach für die Freizeitgestaltung geeignetes Fahrzeug angeschafft, es überwiegend für eigene private Zwecke und für nichtunternehmerische Zwecke des Ehegatten genutzt habe, dass das Wohnmobil nur mit Verlusten eingesetzt und weitestgehend von dem Ehegatten finanziert und unterhalten worden sei, und dass weder ein Büro noch besondere Einrichtungen zur Unterbringung und Pflege des Fahrzeugs vorhanden gewesen seien. Die nur gelegentliche Vermietung des (im Übrigen privat genutzten) Wohnmobils durch Frau Enkler sei nach allem keine unternehmerische Tätigkeit, ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

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Nachhaltiges, weil typisch unternehmerisches Handeln ist dagegen etwa zu bejahen, wenn mehrere Bauunternehmer sich zu einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) in Form einer GbR zusammenschließen, und wenn diese Arge dann im Außenverhältnis gegenüber einem Auftraggeber als Auftragnehmerin ein Bauprojekt ausführt. Die Unternehmereigenschaft der Arge wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese nur für einen einmaligen Zweck gegründet worden ist.[28] Daher unterliegen einerseits die Leistungen der Arge an den Auftraggeber (den Bauherrn) der USt. Andererseits haben die zur Arge zusammengeschlossenen Unternehmer die (gesondert berechneten[29]) Entgelte zu versteuern, die ihnen von der Arge für an diese erbrachte Teilleistungen zufließen (hier findet nach § 13b Abs. 2 Nr 4, Abs. 5 S. 2 UStG das Reverse Charge-Verfahren Anwendung;[30] die Arge ist unter den allgemeinen Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigt).[31]

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