Читать книгу POLYGLOTT on tour Reiseführer Golf von Neapel - Christian Nowak - Страница 22
ОглавлениеDIE MENSCHEN
Natürlich gibt es auch in Neapel wohlhabende und gut verdienende Bürger, die in traumhaften Terrassenwohnungen hoch über dem Golf residieren. Aber sie sind eine Minderheit. Das Leben vieler Neapolitaner ist weitgehend von Armut geprägt.
Ein Gang durch die engen Gassen des Spanischen Viertels (Quartieri Spagnoli) macht dies für genaue Beobachter sichtbar. Oft leben dort noch Großfamilien in den typischen ebenerdigen Einzimmerwohnungen, den bassi. Diese sind meist fensterlos, ihre einzige Öffnung ist die Tür, sodass die Straße notgedrungen zum Lebensraum wird. Eine feste Arbeitsstelle hat hier kaum jemand. Die Menschen leben z.T. immer noch von Gelegenheits- und Heimarbeit. Ein ausgeprägter Familiensinn hält die Sippe zusammen.
Wie in jeder Großstadt ist auch in Neapel, wo die sozialen Probleme besonders krass sind, die Kriminalitätsrate überproportional hoch. Sogar die Neapolitaner warnen die Fremden vor den Taschendieben, die sie selbst als Beleidigung ihrer Gastfreundschaft gegenüber den Touristen empfinden.
VOLKSFRÖMMIGKEIT UND HEILIGENKULT
Eine auffallende Besonderheit der Neapolitaner ist ihre Heiligenverehrung. In beinahe jeder Einzimmerwohnung, sei sie auch noch so eng, steht in der Ecke eine Madonnina, oft von Plastikblumen und kleinen Glühbirnchen umrankt. Sie beschützt die Familie, man betet zu ihr, etwa wenn der Großmutter eine Herzoperation bevorsteht oder dem Familienoberhaupt der Verlust seines Arbeitsplatzes droht.
Oftmals ist die Madonnina von der Fülle und Schwere der an sie herangetragenen Fürbitten überfordert; dann wendet man sich an einen der mächtigen Heiligen in den Kirchen – es gibt ihrer unzählige. Allen voran steht San Gennaro, dessen geronnenes Blut (in zwei Phiolen im Dom) sich dreimal im Jahr verflüssigt. Viele Neapolitaner glauben felsenfest an die Wundertätigkeit der Heiligen. Auch so mancher Aberglaube ist im Alltag präsent, so etwa die Legende vom Munaciello, der u.a. Dinge plötzlich verschwinden lassen kann, oder die Angst vor dem bösen Blick.
C DIE MAFIA HEISST HIER CAMORRA
Über den Ursprung des Wortes »Camorra« weiß man nur, dass sich bereits im 19. Jh. clevere und skrupellose Kriminelle erpresserisch ins Geschäftsleben der Stadt Neapel einzumischen begannen. Bis heute stammen hohe Einnahmen der Camorra aus Schutzgeldern, die Geschäftsinhaber an sie entrichten müssen, damit sie von ihr unbehelligt bleiben. Wer nicht zahlt, riskiert Existenz oder gar Leben. Das erpresste Geld wird in illegale Geschäfte investiert: Geldwäsche, Zigarettenschmuggel und Drogenhandel verhalfen der Camorra zu immensem Reichtum. In den letzten Jahrzehnten wuchs sie auf geschätzte 7000 Mitglieder heran, organisiert in über hundert Clans.
In Neapel räumte ab 1993 der damalige Bürgermeister Antonio Bassolino mit den Missständen auf. Seit 2011 bekämpft der aktuelle Bürgermeister und Staatsanwalt Luigi de Magistris die organisierte Kriminalität. Neben Polizeiaktionen versucht Neapels Stadtverwaltung seit den 1990er-Jahren, die Camorra an den Wurzeln zu bekämpfen und investiert in soziale Dienste und Jugendstätten. Ungelöst bleibt jedoch das Problem der hohen Jugendarbeitslosigkeit. Die Polizei hat durchaus Erfolge zu verzeichnen, wie 2009 die Festnahmen der prominenten Camorra-Bosse Giuseppe Bastone und Salvatore Russo, oder im März 2012 mit der Verhaftung von insgesamt 58 Camorra-Mitgliedern und -Kollaborateuren. Doch macht Neapel auch immer wieder Negativschlagzeilen mit Camorra-Morden.
BUCH-TIPP:
»Gomorrha« heißt der packende Reportage-Roman des neapolitanischen Autors Roberto Saviano. Das Buch (dtv, 2009) gewährt detaillierte Einblicke in die Machenschaften der Camorra und wurde 2007 verfilmt. Eine TV-Serie startete 2014. In einem weiteren Buch »Der Kampf geht weiter« (Hanser, 2012) beschreibt Saviano engagiert u.a. die Hintergründe des Müllskandals in Neapel und die Aushöhlung des italienischen Rechtsstaates.