Читать книгу POLYGLOTT on tour Reiseführer Golf von Neapel - Christian Nowak - Страница 7
DER GOLF VON NEAPEL IST EINE REISE WERT!
ОглавлениеKampanien und die Golfregion sind vom Klima verwöhnt, üppig gedeihen Zitronen, Wein und Oliven. Kein Wunder, dass auf Märkten, Plätzen und in kleinen Gassen die pure Lebensfreude herrscht. Auf Schritt und Tritt begegnet man den jahrtausendealten Spuren von Griechen und Römern. In Neapel, der faszinierenden wie prekären Metropole des Südens, leben die Mythen und Mentalitäten der Antike fort.
© Nowak, Christian
CHRISTIAN NOWAK
zieht es oft von Berlin an den Golf von Neapel. Nicht unbedingt im Sommer, der Hauptferien- und Reisezeit, sondern im Frühjahr und Herbst, wenn es in den Küstenorten ruhiger zugeht und das milde Licht der Landschaft besonders schmeichelt. Jedes Mal aufs Neue fasziniert der Kontrast zwischen hektischem Neapel und stillem Cilento.
Die Ankunft in Neapel ist für mich immer wieder ein Feuerwerk für alle Sinne. Es beginnt schon auf der kurzen Fahrt vom Flughafen Capodichino ins Zentrum. Jäh werde ich aus der gewohnten Ordnung mitten ins Chaos katapultiert: Die Straßen sind vom Verkehr komplett verstopft, zwischen all den lärmenden Blechlawinen schlängeln sich noch Motorroller hindurch, nutzen jeden Zentimeter für ihre abenteuerlichen Schlenker – alles scheint zu stehen und sich doch irgendwie vorwärtszubewegen, vielleicht, weil alle ständig hupen und konsequent die Verkehrsregeln missachten.
Um endgültig in Neapel anzukommen, führt mich ein erster Spaziergang immer zum Spaccanapoli, mitten ins historische Herz der Stadt. Nirgendwo ist Neapel authentischer als in der engen, wie mit dem Lineal gezogenen Gasse, die die Altstadt in zwei Hälften spaltet (spaccare = spalten). Kleine Läden bieten Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch und so gut wie alle Dinge des täglichen Bedarfs an. Kleine Bars für den Espresso zwischendurch reihen sich aneinander, zwischen den Hauswänden der noch engeren Seitengassen flattert bunte Wäsche an Wäscheleinen und leben immer noch ganze Familien in den fensterlosen bassi – unter menschenunwürdigen Bedingungen. Aber entlang des Spaccanapoli paart sich Armut auch immer mit Anmut: Stets nur wenige Schritte entfernt liegen opulent ausgeschmückte Kirchen, ziehen sich die geheimnisvollen Katakomben durch den Untergrund und stellen Krippenbauer in ihrer Straße ihre filigrane Schnitzkunst aus. Vom exklusiven Stadthügel Posilippo aus offenbart sich Neapels einzigartige geografische Lage: Weit öffnen sich die Arme des Golfs, im Norden bis zum Kap von Miseno und darüber hinaus bis zur Insel Ischia, im Süden bis zur Sorrentinischen Halbinsel, der die Isola di Capri vorgelagert ist. Alles überragend und weithin sichtbar thront der Vesuv.
© Lookphotos/Martini, Rainer
Die Quartieri Spagnoli prägen das Herz Neapels
Neapel ist ein faszinierender Schmelztiegel – aber auch anstrengend, deshalb fliehe ich in der Regel nach einigen Tagen aus der Stadt und suche mir ein ruhigeres Plätzchen. Gerne auf der nahen Insel Procida, denn das kleinste Eiland im Golf von Neapel wurde bis heute vom Tourismus kaum entdeckt, vielleicht weil es weder Thermalquellen wie Ischia noch den Hauch von Luxus wie Capri besitzt. Nur einen Katzensprung mit dem Schnellboot von Neapel entfernt, bieten Procidas leicht verwitterte, pastellfarbene Würfelhäuser einen ungemein beruhigenden Anblick. In das Fischerdorf Corricella führen nur Treppenwege, kein Auto stört das friedliche Idyll. An der Hafenpromenade flicken die Fischer in aller Ruhe ihre Netze, bevor sie wie eh und je am Abend wieder aufs Meer fahren.
© Nowak, Christian
Fischfangflotte im Hafen von Corricella auf Procida
Immer wieder fällt es schwer, sich von diesem Idyll loszureißen, doch viele andere verlockende Ziele warten am Golf. Dazu gehören ganz unterschiedliche Sehenswürdigkeiten wie der Vesuv, von dessen kargem, steinigem Gipfel man einen famosen Blick in den Krater genießt, oder die Insel Capri, die nicht nur mit der Blauen Grotte und der Villa San Michele, sondern auch mit steil aufragenden Felswänden und ganzjährig üppigem Grün verzaubert. Ein weiterer Höhepunkt ist die amalfitanische Küste, an deren abweisenden Felsufern sich ehemals kleine Fischersiedlungen zu mondänen Ferienorten entwickelt haben, in denen sich die pastellfarbenen Häuser aus Platzmangel übereinander stapeln. Vom Tourismus noch kaum entdeckt ist der Nationalpark des Cilento, der eine einzigartige Mischung aus Natur, antikem Erbe, schönen Stränden und kulinarischen Genüssen bietet.
Pompeji und Herculaneum, einst blühende Städte, in denen das Leben 79 n.Chr. durch den Ausbruch des Vesuvs abrupt zum Stillstand kam, sind heute wie ein Fenster in die Vergangenheit. Doch gewähren sie gleichzeitig auch Einblick in die Probleme, mit denen die Golfregion heute zu kämpfen hat. Mein erster Pompejibesuch liegt mittlerweile viele Jahre zurück, seitdem hat sich der Zustand des UNESCO-Weltkulturerbes dramatisch verschlechtert. Trotz der üppigen Eintrittsgelder, die Millionen Besucher jedes Jahr in die Kassen spülen, und der internationalen Zuschüsse verfällt die Ruinenstadt zusehends. Nicht die gerne zitierte Finanznot, sondern vielfältige Misswirtschaft, ausufernde Bürokratie und organisierte Kriminalität sind die Ursachen des weiteren – und womöglich letzten – Niederganges der Ruinenstadt. Aber trotz dieser Schattenseiten wird der Golf von Neapel in meinem Herzen ein Sehnsuchtsort bleiben, zu dem ich immer wieder mit Herzklopfen zurückkehre.