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2.3.5 Kritik am Kompetenz-Strukturmodell: Prototyp oder intellektuelles Surrogat?

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Grundsätzlich attestiert die Fachwelt dem FUER-Modell einen hohen Grad an Ausgereiftheit und einen weiten Horizont. Barricelli, Gautschi und Körber heben hervor, dass FUER das historische Lernen als lebenslangen Prozess begreift, dass es klar unterscheidbare Kompetenzbereiche sowie „[…] das methodisierte Konstruieren und geschichtsbewusste Orientieren“191 gibt, dass ein Graduierungskonzept vorliegt und dass auf der Ebene der Teilkompetenzen die Anschlussfähigkeit an Kompetenzen anderer Modelle gegeben ist.192 Kritik wird an der an der ausgeprägten rational-intellektuellen Ausrichtung des Modells geübt.193 Auch Schönemann et all. würdigen den systematischen Zugang sowie die Forderung nach zeitgemäßer Gestaltung des Geschichtsunterrichts, kritisieren aber den Mangel an empirischer Validität.194 Während Gautschi im FUER-Modell das elaborierteste sieht und Parallelen einzelner Teilkompetenzen zu „Hinschauen und Nachfragen“ erkennt,195 ist Sauer das Modell zu komplex, was vor allem in der Begrifflichkeit deutlich werde. Zwar attestiert auch er dem FUER-Modell, „[…] das am differenziertesten theoretisch entfaltet(e)“196 zu sein, meint aber zugleich, dass es als Basis für die Schule untauglich sei, weil es keine Orientierung auf Lehrer*innen gebe und weil Unterrichtsmaterialien fehlten.197 Aus der Sicht von Heil hat die Gruppe FUER „[…] Maßstäbe in der Beschreibung von Kompetenzen gesetzt, hinter die kein Kompetenzmodell zurückgehen kann“.198 Hervorzuheben seien die Konfiguration der Kompetenzen, die Reduktion auf wenige Kernkompetenzen, die Erarbeitung von Niveaustufen und die Schaffung des Bewusstseins, Kompetenzen seien immer auf allgemeinen Niveaus zu beschreiben. Hierin habe das Modell „Pionierarbeit geleistet und darf als der klassische Prototyp eines Kompetenzmodells bezeichnet werden.“199 Der Rückgriff auf Konstruktivismus sei „[…] in der Natur der menschlichen Erkenntnis verankert“200 und die Beschreibung der Orientierungskompetenz formuliere das zentrale Anliegen im Umgang mit Geschichte.201 Aber auch Heil meint, es bedürfe für die Anwendbarkeit im Unterricht einer inhaltlichen Präzisierung und des Ausbaus zu einem Entwicklungsmodell.202 So sei etwa im Bereich der Fragekompetenz das Fachspezifische unklar, denn Fragen sei nichts „genuin Historisches“.203 Kritik übt Heil auch an der Verengung des Konstruktionsgedankens auf „Sinn“ und moniert, dass die Existenz von „Wirklichkeiten“ ignoriert würde. Es müsse um die „Aufdeckung der Voraussetzung von Sinnbildung gehen“, i. e. um die Entwicklung der Fähigkeit, das eigene Wirklichkeitsmodell (sowie die Wirklichkeitsmodelle anderer) zu erkennen. Stattdessen setze FUER in unzulässiger Weise Narrativität mit Sinnbildung gleich. Daher kommt Heil zu dem Schluss, FUER könne nicht den Anspruch darauf erheben, ein Strukturmodell entwickelt zu haben, denn es handle sich bei dem Vorschlag um ein „Kompetenzkonfigurationsmodell“.204 Thünemann et al. kritisieren die Fokussierung des Modells auf Kognition und die Ausblendung deklarativen Wissens.205 Eine fundamentale Kritik am FUER-Modell übt Markus Daumüller, der den wissenschaftstheoretischen Ansatz in Frage stellt.206 Er wirft FUER vor, zu postulieren, historisches Denken bei Schüler*innen anregen und „Manifestationen von Geschichtsbewusstsein“207 evozieren zu wollen, zugleich aber persönlichkeitsbildende Parameter (soziologische, politische, philosophische, lebensgeschichtliche u. a.), die zentrale Komponenten jedes Denkvorgangs sind, zu ignorieren. Es gehe dem Modell weniger um die Achtsamkeit auf den Akt des Verstehens als um die mentale Durchdringung eines Kompetenzsystems. „In solchen Modellen historischen Denkens wird […] implizit ein lebenstüchtiger, aufgeklärter Mensch mit dem historisch gebildeten Menschen gleichgesetzt.“208 Als Ursache dieses Theoriedefizits identifiziert Daumüller die pädagogische Legitimierung des Kompetenzmodells durch die Übernahme bildungspolitischer Konzepte (Klieme, Weinert). Ein vager Bildungsbegriff, die Rationalisierung der Kompetenzbeschreibung und die Reduktion der Umsetzung auf das Erlernen von Arbeitsvorgängen würden den selbst formulierten Anspruch, „[…] das historische Verstehen eines Individuums verstehen zu können“209 konterkarieren. Es bestehe die Gefahr, das prozedurale Einüben vorwissenschaftlicher Verfahren mit mentalen Prozessen zu verwechseln und Normierungsvorgänge einzuleiten. Anstelle der Förderung der Individualität des Denkens sei „[…] ein Konzept der Planbarkeit von Bewusstseinsvorgängen […]“ entwickelt worden, wobei das „[…] Planen […] unwillkürlich zum Zweck des Denkens“210 werde. Die Orientierung auf Lebensbewältigung in einem Kant’schen Sinn (der Anspruch, „mündige Bürger“ aus dem Schulsystem zu entlassen) konvergiere nicht mit einem geisteswissenschaftlichen Verständnis vom Akt des Verstehens und sei daher dem Bestreben, historisches Lernen zu professionalisieren, abträglich.211

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