Читать книгу Geschichtsmatura - Christian Pichler - Страница 15
2.3.7 Zur Kontroverse um den Aspekt Wissen und historische Kompetenzen
ОглавлениеDie gesellschaftlichen Ansprüche an Wissensbestände junger Menschen, die durch den Geschichtsunterricht zu erwerben seien, streuen erheblich. Während im öffentlichen Diskurs seit jeher das Verfügen über deklaratives Fachwissen (i. e. die Kenntnis über Daten und Fakten, Ereignissen, Epochen, Subjekten, Räumen, Dimensionen und Kategorien) im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, wünscht sich die Geschichtswissenschaft die Erarbeitung von Wissen zu forschungsrelevanten Themen, während eine an Sozialwissenschaften und Pädagogik orientierte Didaktik die Hinwendung zu „[…] epochentypische(n) Schlüsselprobleme(n) unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft“243 verlangt. Vertreter*innen der jüngeren Geschichtsdidaktik propagieren die Berücksichtigung individueller Interessen der Schüler*innen bei der Auswahl zu erarbeitender Inhalte.244 Im krassem Gegensatz zur Bandbreite der Erwartungen an historisches Wissen stehen die Befunde der empirischen Forschung über dessen Verfügbarkeit bei deutschen Schüler*innen. Bodo von Borries fasst sie pointiert in dem Diktum zusammen, es herrsche „gähnende Leere“.245 Mit dem kompetenzorientierten Unterricht werden die Ansprüche an den zu erarbeitenden „Stoff“ – das „[…] Substrat gesicherten Wissens über die Welt“246 – um mehrere Facetten erweitert: Nutzung von Wissen zum Zweck des Aufbaus der Fähigkeit, historische Phänomene selbstständig zu erschließen, die Gegenwart zu erklären und die Zukunft zu prädeterminieren. Folgt man der Kompetenzdefinition Weinerts, kann man Wissen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Ergebnis des Prozesses des Kompetenzaufbaus sehen,247 was die Klärung der Frage des Stellenwerts und der Rolle des Wissens im kompetenzorientierten Unterricht nicht erleichtert. Daher wird im Folgenden der Versuch einer Standortbestimmung unternommen, um einen denkbaren Zugang zum Umgang mit Wissen in den Reifeprüfungen zu finden.