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Die Neolithische Revolution

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Die riesigen Steinblöcke aus der Geschichte mit Charan gibt es wirklich, auch heute noch. Sie gehören zu der in der südöstlichen Türkei entdeckten Tempelanlage Göbekli Tepe. Um 10.000 v. Chr. war es – soweit wir heute wissen – das bis dato größte von Menschen erbaute Monument. Archäologen waren bereits in den 1960er-Jahren auf die Mauern gestoßen. Doch erst 1994 erkannte der deutsche Prähistoriker Klaus Schmidt (1953 – 2014) die enorme Bedeutung der 20 Ringanlagen und mehr als 200 überlebensgroßen Stelen, die mit eindrucksvollen Tierreliefs bedeckt und von Tierskulpturen flankiert sind.

Hier hat eine Gemeinschaft von Sammlern und Jägern über Jahrhunderte einen Ort für Rituale und gemeinsames Feiern geschaffen, lange bevor die Jäger als Bauern sesshaft wurden oder gar in Großsiedlungen und Städten lebten. Göbekli Tepe kann als Schnittstelle zwischen Jägerkultur und ackerbäuerlicher Kultur gesehen werden.

Die Frauen sammelten anfangs mühsam die auf den Boden gefallenen Ähren der Wildgerste, bis sie Mutationen fanden, bei denen die Körner am Halm blieben und gepflückt werden konnten. Der Molekular-Pflanzengenetiker Dr. Nils Stein beschreibt in der ZDF-Sendung Terra X – Sternstunden der Steinzeit, wie sich die Menschen die besten Wildpflanzen mit den meisten Ähren aussuchten und deren Samen verwandten. Dazu gehörte eine weitere Mutation, bei der die Zweizeiligkeit der Gerste in eine Sechszeiligkeit übergegangen war.

Zur Zeit von Göbekli Tepe gab es vermutlich noch kein in einem Ofen rundum gebackenes Brot, sondern nur den über erhitzte Steine ausgebreiteten Gerstenbrei. Daraus entstand ein Fladenbrot, ungesäuert und nicht gelockert, das heißt ohne Hefe. Es ist heute immer noch im Vorderen Orient sehr verbreitet und beliebt.

Was den Gärungsprozess betrifft, der unerlässlich ist für die Bierzubereitung, das war den Menschen damals unerklärlich und wurde als ein Geschenk der Götter interpretiert. Erst in den vergangenen Jahrhunderten entdeckten Forscher, dass die Bakterien in der Luft, zum großen Teil von uns Menschen stammend, dafür verantwortlich sind. Der dünne Gerstenbrei verwandelt sich so über Nacht in das berauschende Bier. Und der dickere Brotteig bläht sich durch die Versäuerung auf, wird luftig und köstlich im Geschmack. Bier und Brot haben viel zu erzählen. Alle Kulturen der Menschheit in den Breitengraden, wo Getreide wächst, sind davon geprägt.

Die sogenannte Neolithische Revolution, der Wandel vom Leben als herumziehender Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern und Viehzüchter, wird von allen Historikern als die Umwälzung in der Menschheitsgeschichte bezeichnet. Doch sie geschah nicht wie die Französische Revolution in wenigen Jahren – oder gar an einem Tag mit einem besonderen Ereignis wie dem Sturm auf die Bastille. Sie dauerte Jahrtausende. Und es gibt heute noch kleine Gemeinschaften von Jägern und Sammlern in den Urwäldern am Amazonas, im Kongo und in Papua-Neuguinea. Dort leben die Menschen wie vor der Neolithischen Revolution.

Der Anbau von Getreide und das Halten von Vieh haben das Leben der Menschen auf der Erde radikal verändert. Inwiefern? Nun, ich brauche mir nur mal vorzustellen, was mir alles fehlen würde, wenn ich ausschließlich von dem leben müsste, was mir die von Menschen unbeeinflusste Natur bietet.

Es gibt eine Art von Survival-Trend, der erst kürzlich aus den USA nach Europa gekommen ist. Die Prepper – das Wort leitet sich ab von »be prepared« = »sei(d) vorbereitet« – bereiten sich durch Anhäufung von Vorräten auf den Ernstfall vor, zum Beispiel auf eine radioaktive Katastrophe. In Survival trainings kann man / frau lernen, in der Wildnis zu überleben. Sich eine regengeschützte Unterkunft bauen, Wurzeln und Beeren finden, womöglich eine Forelle im Bach fangen und sie über einem mit Zunder entfachten Feuer braten. Nach zwei bis drei Tagen ist der Spaß meist vorbei. Danach würde es auch unerträglich werden.

Alles, was wir heute für selbstverständlich und lebensnotwendig erachten, ist eine Folge der Neolithischen Revolution. Regelmäßige Mahlzeiten, Brot, Gefäße und Teller zum Trinken und Essen. Das Zusammenleben in Dörfern und Städten. Der Handel, Werkzeuge aus Metall. Das Handy. Was hätten wir noch mit den Jägern und Sammlern gemein?

Nun, Musik und Malerei gab es schon vor über 30.000 Jahren, wie die Knochenflöten und Höhlenmalereien belegen. Liebe und Lebensfreude dürften auch unabhängig davon sein, ob der Mensch als Nomade, als Bauer oder als Großstadtbewohner lebt.

Die ersten größeren Siedlungen entstanden übrigens etwa 1000 Jahre, nachdem die Tempelanlage von Göbekli Tepe mit Erde zugeschüttet wurde. Die bekannteste ist Çatalhöyük, ein Weltkulturerbe. Wenigstens 200, manche Forscher glauben über 1000 Häuser, wurden hier flach und dicht aneinandergebaut. Man erreichte den Eingang zur eigenen Wohnung über das flache Dach. Jede Familie war zum Überleben auf die eigenen Ressourcen angewiesen. Es handelte sich mithin um Selbstversorger. Erst die späteren Hochkulturen wie Babylon, Sumer, Ägypten, Harappa, China oder auch die der Tolteken in Mittelamerika hatten Städte mit einer komplexen sozialen und wirtschaftlichen Vernetzung, oft ausgerichtet auf ein religiöses Zentrum.

Götter, höhere Wesen, in vielen menschlichen und tierischen Formen dargestellt, wurden angebetet und angebettelt, beschworen und verflucht. Dafür finden sich archäologische Zeugnisse aus den vergangenen 12.000 Jahren nicht nur im Vorderen Orient, sondern auch in China, in Indien, im Zweistromland, in Palästina, in Ägypten, in Peru und in Mittelamerika. Und immer geht es um dieselben Themen: Saat und Ernte, Krieg und Herrschaft, Liebe, Tod und Sterne.

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