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In der Charité

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Melanie nimmt die langen Gänge in der Charité und die darin voraneilenden Weiß- und Grünkittel nur wie durch Nebelwände wahr. Die Stimmen sind verschwommen, die Sprache ist unverständlich. »Wo bin ich?« Der Gedanke scheint ausgesprochen worden zu sein, von einer dünnen Stimme gehaucht. Einige Worte sind nun verständlich und klingen beruhigend. »Keine Sorge. Es ist alles gut, Melanie!«

»Hallo, Melanie, aufwachen!« Sie würde sich normalerweise sofort aufrichten oder gar aus dem Bett springen. Doch sie bleibt schlaff liegen und schaut zur Decke. Ein Gesicht kommt in ihr Blickfeld, es ist freundlich. Die grauen Augen schauen sie verständnisvoll an.

»Melanie, ich bin Dr. Günther. Du fühlst dich wohl etwas merkwürdig. Stimmt’s?«

Sie kann kaum nicken. Doch der Arzt hat die Bewegung des Kopfes bemerkt.

»Das ist normal am Anfang. Es geht bald wieder alles viel besser. Du wirst sehen. Ich besuch dich morgen wieder. Ruh dich aus. Hier wird nichts von dir erwartet.«

Professor Dr. Hugo Günther, 55, ist Facharzt für Innere Medizin und Bakteriologe. Er hat bereits beim ersten Sichten der bisherigen Diagnosen und Befunde einen Verdacht. Starke Irritation der Magenschleimhäute durch enorm vermehrte Bakterien, vermutlich Helicobacter pylori. Diese Bakterien leben im Magen der meisten Menschen, ohne Schaden anzurichten. Doch sind sie aktiviert, zum Beispiel durch zu viel Zucker, andere Bakterien oder durch Stress, kann es zu Attacken von Übelkeit und Kopfschmerzen kommen.

Einen Tag später wird Dr. Günther mit Melanie sprechen. Ihre Ernährung ist nicht gerade gesund. Aber noch mehr wundert er sich über diesen seltsamen Energydrink. Sie konnte sich an die Marke erinnern. Daraufhin hat er sich eine Flasche davon gekauft. »Super« heißt das Getränk. Es enthält die üblichen Zusatzstoffe und viel zu viel Zucker. Doch dann stutzt Günther. Triptophan? Eine aromatische, essenzielle Aminosäure. Was hat die hier zu suchen? Und Taurin! Soll die Leistung steigern. Über die langfristigen Nebenwirkungen sind sich die Kollegen nicht einig.

Dr. Günther muss an eine Epidemie denken, die 1990 in den USA passierte und von den Medien auf Druck der Politik verschleiert worden ist. Sie wurde EMS genannt, nach der wissenschaftlichen Bezeichnung Eosinophilie-Myalgie-Syndrom. Viele Tausend Menschen litten unter heftiger Übelkeit, Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen und Atemnot. Etliche starben sogar daran. Ursache dafür sollen genmanipulierte Zusatzstoffe in dem Nahrungsergänzungsmittel L-Triptophan gewesen sein.

Günther ist ehrenamtliches Mitglied in einem Gremium, das sich mit den EU-Richtlinien für die Gesundheit befasst. Genbehandeltes Getreide ist ein wichtiges Thema. Und der Fall von EMS in den USA war gerade in der letzten Sitzung heftig diskutiert worden (Mehr dazu in Kapitel 3).

Könnte Melanie gar durch genveränderte Bakterien so krank geworden sein? »Alles nur Möglichkeiten«, sagt sich Günther, um sich gegen den Strom seiner Gedanken zu wehren. Aber diese Möglichkeiten wollen ja in Betracht gezogen werden!

»Ich brauche mehr Informationen von Melanie, muss das Vertrauen wirksamer aufbauen. Ja. Ich hab’s. Das könnte klappen!«

GENveränderte Nahrungsmittel

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