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If a new result is to have any value, it must unite elements long since known, but till then scattered and seemingly foreign to each other, and suddenly introduce order where the appearance of disorder reigned. (Henri Poincaré)

Evolution II: Morphogenese

Um die neuen, hybriden Figurationen zu beleuchten, die im Kontext der Vernetzung entstehen, braucht es erneut eine evolutionäre Perspektive. Nur so wird deutlich, wie aus dem Kontrollverlust der nächsten Gesellschaft, aus der intensivierten Tendenz zur Entropie, doch wieder Negentropie entstehen kann: eine zumindest vorübergehende Ordnung.

Dafür gilt es zunächst generell zu verstehen, wie sozialer Wandel funktioniert. Der Begriff des „dynamischen Systems“ allein hilft nur bedingt weiter. Eine plausible Theorie des sozialen Wandels muss auf den Begriff der Autopoiesis zurückgreifen, auf das Konzept der emergenten Selbstorganisation: Autopoietische Systeme sind gewissermaßen von Natur aus dynamisch, da sie ihre Elemente als Ereignisse konstituieren und ständig auswechseln müssen. So liefert die Autopoiesis die Bedingung für die Änderbarkeit von Strukturen – die wiederum die Voraussetzung für die Wahrnehmung von Wandel bilden, denn ohne Struktur kann es auch keinen Strukturwandel geben: „Strukturen garantieren trotz der Irreversibilität der Ereignisse eine gewisse Reversibilität der Verhältnisse“ (Luhmann 1984, 472).

Geht man von einer Theorie autopoietischer, selbstreferenziell-geschlossener Systeme aus, verliert auch der Begriff der Anpassung an Aussagekraft. Die entscheidende Frage lautet vielmehr, mit welcher Semantik ein System selbst die Unterscheidung von System und Umwelt bestimmt, die dann wiederum systeminterne Anpassungsnotwendigkeiten generiert: „Alle Strukturänderung, sei sie nun Anpassung an die Umwelt oder nicht, ist Selbständerung“ (ebd., 478).

Von besonderer systemtheoretischer Relevanz ist dabei ein Veränderungsmodell, das sich nicht aus Anpassungszwängen ergibt, sondern Strukturänderungen anhand der Differenz von Aktivierung und Unterbindung ermöglicht: die Morphogenese. Durch Morphogenese werden verfestigte Sinnstrukturen reaktiviert, indem kontingente Möglichkeiten in die Systemreproduktion übernommen werden. Auslöser für diese Reaktivierungsprozesse können sowohl evolutionäre Variationen als auch die autopoietischen Operationen der Selbstbeobachtung, Selbstbeschreibung und Selbstorganisation sein.

Morphogenese schafft also neue Strukturen, indem sie ein vorhandenes System umbaut, sodass dessen Komponenten einen neuen Sinn gewinnen. Damit kennzeichnet Morphogenese auch die Evolution der Verbreitungsmedien, von Sprache über Schrift bis zu Buchdruck und elektronischen Medien. Das morphogenetische Modell ergänzt die Evolutionstheorie um eine Prozesskomponente – und misst zugleich dem Zufall eine prominente Rolle bei: Im unkoordinierten Zusammenspiel von Variation und Selektion entstehen so Strukturen mit immer höherer Unwahrscheinlichkeit.

Luhmann zufolge wäre die Soziologie „gut beraten, wenn sie mehr Aufmerksamkeit auf die Beobachtung und Beschreibung von morphogenetischen Prozessen verwenden würde, die Unwahrscheinlichkeit normalisieren und akkumulieren, ohne dies beenden zu können“ (Luhmann 1984, 487). Die morphogenetische Perspektive soll daher auch den Beobachtungsrahmen bilden für die Betrachtung der hybriden Verflechtungen und Synergien, die soziale Systeme in der nächsten Gesellschaft eingehen. Konkret beobachten lassen sie sich an den neuartigen Ausprägungen und Ausrichtungen der Funktions- beziehungsweise Subsysteme in der vernetzten Gesellschaft.

Ausweitung der Kontingenzzone

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