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Ein Wagnis und eine Neuerung: Das libretto in prosa
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acbeth ist in diesem kulturellen Klima ein Unikum ebenso wie ein Wagnis. Ein Wagnis deshalb, weil Verdi, der Englisch nicht spricht oder liest, in seinem Bestreben, eine Erneuerung der Oper herbeizuführen, auf die sprachlich schwerfällige, nicht gerade erstklassige Prosa-Übertragung von Carlo Rusconi angewiesen ist. Sie ist zudem mehr eine Bearbeitung als eine Übersetzung: Rusconi hat nicht nur Szenen umgestellt, sondern den Shakespeare-Text eigenmächtig gekürzt und ergänzt.
Um aus einem solchen Text ein gutes und für die Komposition geeignetes Libretto herzustellen, bedarf es einer erfahrenen Hand, die nicht nur die Vorstellungen des Komponisten, sondern auch die Erfordernisse und Möglichkeiten der Opernbühne genau kennt. Dabei kommt eine neue Lösung zum Tragen, denn es handelt sich um Verdis eigene, geschickt disponierende Hand. Beim Macbeth praktiziert der Komponist erstmals jene Vorgangsweise des libretto in prosa, die er bis zur Aida (1871) beibehalten und vervollkommnen wird. Er erstellt nicht etwa für seinen Librettisten nur ein Szenario der neuen Oper, sondern fertigt von eigener Hand ein komplett ausgearbeitetes Prosalibretto an, das sein Textdichter nur mehr entsprechend seinen metrischen Vorgaben und sonstigen Wünschen zu versifizieren hat.[300]