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Tina Modotti
Skizze ihres Lebens
ОглавлениеAm 22. August 1896 meldete der Mechaniker Giuseppe Modotti beim Standesamt von Udine die Geburt seines dritten Kindes und gab an, Assunta Adelaide Luigia sei am 17. August um elf Uhr vormittags zur Welt gekommen. Im Taufschein der kleinen Assunta allerdings wurde der 16. August als Geburtstag eingetragen, und dieses Datum gab Tina Modotti auch an, als sie viele Jahre später in Moskau, bei der Kommunistischen Internationale, ihre Autobiografie abgab.
Die Modottis ließen ihre Tochter erst ein halbes Jahr nach ihrer Geburt taufen, und das war relativ ungewöhnlich. Es mag dadurch zu erklären sein, dass einer der beiden Taufpaten, Demetrio Canal, ein überzeugter Sozialist war, der möglicherweise nur aus Achtung vor der Mutter Assunta Mondini bereit war, an einer kirchlichen Zeremonie teilzunehmen. Die Kinder taufen zu lassen war denn auch das einzige Zugeständnis der Familie Modotti an ihre stark religiös geprägte Umwelt. In späteren Jahren gab es keine Hinweise darauf, dass die Modottis die Kirche besuchten oder ihr nahe standen. Nicht einmal in der Zeitungsanzeige zum Tode des Vaters am 14. März 1922 in San Francisco wurde eine kirchliche Trauerzeremonie angekündigt.
1897 oder 1898 ging Giuseppe Modotti mit Frau und drei Kindern nach Kärnten, wo der zweite Sohn Ernesto im Alter von dreieinhalb Jahren an »tuberkulöser Meningitis« starb. Die Gründe für eine Emigration mit der ganzen Familie können nur vermutet werden. 1897 hatte der Udinenser Sozialistische Kreis – geleitet unter anderem von Demetrio Canal – einen Streik der Spinnerei-Arbeiterinnen organisiert und unterstützt und wurde deshalb von den Behörden verboten. Gehörte Giuseppe Modotti zu diesem Kreis und wurde auch er auf eine schwarze Liste gesetzt? Fürchtete er, in der Heimatstadt keine Arbeit mehr zu finden? Versprach er sich in Kärnten bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Oder suchte er eine freiere Atmosphäre, in der er im Einklang mit seinen sozialistischen Ideen leben konnte? Wurde er möglicherweise sogar von seinen sozialistischen Genossen nach Kärnten geschickt, um dort unter den italienischen Arbeitern politisch aktiv zu sein?
Der erste Wohnort der Familie in Kärnten war die kleine, durch ihre Jagdwaffenproduktion bekannte Stadt Ferlach. Hier hatte man 1887 das erste Maschinenhaus errichtet, und es ist möglich, dass fähige Mechaniker aus der engeren und weiteren Umgebung gebraucht wurden. Giuseppes einziger Enkelsohn Tullio behauptete bis zu seinem Tode, sein Großvater sei in Österreich »Fabrikdirektor« gewesen. Dafür finden sich in den Archiven keinerlei Hinweise, und es dürfte sich hier um eine in der Familie überlieferte Legende handeln, die im Laufe der Jahre geschönt und ausgemalt wurde. Giuseppe Modotti selbst wies sich Jahre später im Hafen von New York bei der Befragung durch die Einwanderungsbehörden als »Ingenieur« aus.
Um die Jahrhundertwende geriet die Ferlacher Jagdgewehr-Industrie in eine tiefe Krise, und die Betriebe wurden auf die Produktion nützlicher Haushaltsgegenstände umgestellt. Eines der Fabrikgebäude wurde an einen Fahrradhersteller verpachtet, der die Rahmen seiner Fahrräder aus Bambus anfertigen ließ – eine in dieser Berglandschaft willkommene und sinnvolle Erfindung. In dieser Fahrradfabrik arbeitete Giuseppe Modotti im Jahre 1898, als seine Tochter Valentina geboren wurde. Die Familie wohnte in einem langgestreckten, einstöckigen Gebäude im Zentrum der Stadt. Die ältesten Einwohner Ferlachs erinnerten sich, als ich sie in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts befragte, noch gut daran, wie sie als Kinder die Polenta probierten, die von den italienischen Frauen oft im Freien zubereitet wurde.
Der Ferlacher Fahrradfabrik war kein langes Leben vergönnt, so dass die Familie Modotti um das Jahr 1900 nach St. Ruprecht übersiedelte, in einen kleinen, heute zur Stadt Klagenfurt gehörenden Ort. Hier brachte Assunta Mondini 1901 und 1903 ihre Kinder Yolanda und Benvenuto zur Welt und wurde bei beiden Entbindungen von der slowenischen Hebamme Mathilde Modric unterstützt.