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2.5 Vorlesetechnik

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Jeder Dolmetscher klagt über Redner, die ihre Texte zu schnell vorlesen. Konferenzdolmetscher legen sogar vertraglich fest,1 dass vorzulesende Texte den Dolmetschern rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass das Geschriebene anderen Regeln als das Gesprochene unterliegt. Verba volant, scripta manent. Ein Autor nimmt sich Zeit, seinen Text sorgfältig zu redigieren. Der geschriebene Text wird meistens für Leser konzipiert, die komplexe Passagen immer wieder lesen können. Redner mit Lampenfieber wollen diese Pflichtübung schnell erledigen, und da sie ausformulierte Sätze schnell lesen, fällt die notwendige Identifikation mit der Mitteilung aus: Ihr Redefluss wird gehetzt und monoton. Das Publikum hat keine Gelegenheit, den so vorgetragenen Gedanken nachzuvollziehen. Der frei sprechende Redner konstruiert dagegen seine Mitteilung erst vor dem Publikum, das somit den Gedankengängen zu folgen vermag.

Eine Anekdote illustriert diese Beobachtung: Sigmund Freud lud häufig Professoren aus dem deutschsprachigen Raum in sein Institut nach Wien ein. Sobald diese ein Manuskript zum Vortrag hervorzogen, protestierte Freud heftig: „Bitte sprechen Sie frei! Wenn Sie vorlesen, ist es, als ob Sie mich zu einer Spazierfahrt einladen würden, selbst im Auto sitzend, mich aber hinterherlaufen ließen”. Leider ist aber das Vorlesen immer mehr Usus in der heutigen mündlichen Kommunikation, und daran kann kaum etwas geändert werden. Sowohl bei wissenschaftlichen Kongressen als auch im Rahmen von Gerichtsverhandlungen werden zahlreiche Texte verlesen. Die mündliche Kommunikation scheitert hier aber nur, wenn die Vorlesenden es versäumen, ihre Texte sinnvoll zu oralisieren, das heißt, wenn sie die Augen ausschließlich auf das Manuskript heften und das Publikum ignorieren.

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