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Gespräch mit Johannes dem Täufer

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© Dieter Theobald

Ich möchte dich keineswegs negativ beeinflussen, Johannes. Auch möchte ich in dir nicht etwas wecken, das bis jetzt geschlummert hat. Doch du bist ja ein gescheiter Mensch, und ich kann mir kaum vorstellen, dass gewisse Überlegungen die Windungen deiner Gehirnzellen nicht bereits durchlaufen haben.

Eigentlich bist du doch ein „Dazwischengekommener“. Wie ich das meine? Nun, vom Weihnachtsgeschehen hast du nicht viel mitbekommen; also von Maria und Josef, den Hirten und Weisen, auch nicht viel von Herodes. Du zuckst zusammen? Ich verstehe. Herodes spielt natürlich eine Rolle in deinem Leben. Und was für eine! Aber du meinst den Nachkommen. Seinen Vorgänger hast du nicht gekannt, womit du auch wirklich nichts verpasst hast. Der war keine Spur besser als „dein“ Herodes. Mörder waren sie beide. Wie gesagt: Du warst zwar mitten im Weihnachtsgeschehen und hast doch nicht viel mitbekommen. Babyschicksal!

Deine Eltern haben dir sicherlich eine Menge davon erzählt. Deine erste Begegnung mit Ihm fand noch vor deiner Geburt statt. Ihr seid euch zum Greifen nah gewesen, konntet euch aber nicht sehen. Eure Mütter trugen euch noch unter dem Herzen. Elisabeth dich, Maria Ihn. Altersmäßig warst du Ihm voraus. Gewiss, es waren nur wenige Monate. Aber immerhin. Du konntest deinen Vorsprung nie halten. Er hat dich überholt. Man kann nicht sagen „eingeholt“. Du bist Ihm nie davongelaufen. Im Gegenteil! Immer hast du Ihm Platz gemacht. Als du auf dem Höhepunkt deiner Laufbahn warst, hast du das nicht ausgekostet. Eine Laufbahn wie die deine kann man eigentlich auch nicht auskosten. Ist es übertrieben, wenn ich sage: Man kann sie nur erleiden? Nie hast du dich als Märtyrer gefühlt – und doch bist du einer gewesen.

Auf dem Höhepunkt deines Lebens hast du von dir gesagt: „Meine Freude ist nun erfüllt.“ Aber es war nicht die Freude über deinen persönlichen Erfolg. Es war – ich sage das einmal in der Sprache der heutigen Geschäftswelt – die Freude darüber, dass die „Konkurrenz“ dich geschlagen hat. Aber nein, diese Formulierung passt nicht zu dir. Sie passt nicht zu dir und nicht zu Ihm. Denn um Ihn handelt es sich ja. Du hast dich über Ihn schon im Mutterleib gefreut. So steht es in der Bibel. Und du hast dich gefreut, als du Ihn gesehen hast. „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen!“ Das ist ein Zitat von dir, Johannes. Jeder kennt es. Aber das sind nicht nur schöne Worte. Auch keine leeren Worte und schon gar keine frommen Worte. Das bist du! Damit hast du dein Leben und dein Lebenswerk charakterisiert. Im bewussten Verzicht auf eigene Größe hast du eine Größe erreicht, die dir niemand streitig machen kann.

Er muss wachsen,

ich aber muss abnehmen.

Johannes 3,30

Ein Dezember voller Weihnachten

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