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3.5 Wertmaßstab

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„Gerüchte über Preiserhöhungen sind keine.“

Manfred Hinrich (1926 - 2015)

Durch die Einführung des Euro brauchen wir bei einer Reise durch Europa (zumindest durch alle Euro-Länder) kein Geld mehr zu wechseln, und das Gefühl für die Veränderung des Wertes unserer Währung ist uns noch etwas fremder geworden als es ohnehin schon ist.

Im eigenen Land oder den Ländern des Euroraumes bekommt man die Schwankungen der eigenen Währung nur indirekt mit durch veränderte Preise. Bei einer moderaten Preissteigerungsrate (bei der die Preise von Jahr zu Jahr steigen, und alles von Jahr zu Jahr teurer wird) im einstelligen Prozentbereich macht sich das auch erst über Jahrzehnte bemerkbar, und wir wundern uns verdutzt, dass eine Kugel Eis, die jetzt 1 Euro kostet, in unseren Kinderjahren doch umgerechnet nur 10 Cent gekostet hat (bzw. 20 Pfennig).

Dass auch unsere Währung nicht ständig stabil im Wert bleibt, bekommen wir erst bei einer Hyperinflation mit, die es zum Glück zuletzt in Deutschland 1914-1923 gab. Bei einer Hyperinflation entwertet sich das Geld so schnell bzw. steigen die Preise der Güter so schnell, dass die Preisschilder täglich angepasst werden müssen. Das Geld muss so schnell wie möglich ausgegeben werden, damit nicht noch weniger dafür gekauft werden kann. Innerhalb kurzer Zeit müssen dann für tagtägliche Waren wie Brot, Milch oder Butter das 100-fache oder mehr bezahlt werden.

Inzwischen sind die Menschen verstorben, die noch darüber berichten könnten, dass z.B. ein Brot 105 Milliarden Reichsmark kostete. Eine Hyperinflation kann entstehen, wenn es viel zu viel Geld im Verhältnis zu den Waren und Dienstleistungen einer Wirtschaft gibt.

By Reichsbank (Aus Zeitschrift eingescannt), via Wikimedia Commons

Für mich war der Wertmaßstab des Geldes unmittelbar mit der Intuition erfahrbar, als wir in eines der ärmsten Länder Afrikas, nach Malawi reisten. Es gab kaum oder nur sehr teure Möglichkeiten, unser Geld in Deutschland in Kwacha (die malawische Währung) umzutauschen. Wegen der 20% Inflationsrate rieten uns unsere Freunde vom Auswärtigen Amt in Malawi, das Geld dort umzutauschen. In den ersten Tagen in Malawi fuhren wir also mit 1.000 € zur Bank. Unser Bekannter fragte noch, ob wir einen Rucksack hätten und bestand darauf, diesen zum Umtausch mitzunehmen. Uns wurde erst am Schalter der Bank klar, wofür wir den Rucksack brauchten: als uns der Bankbeamte 453.000 Kwacha in 1000 Kwacha-Scheinen vorzählte. Bündelweise stapelten sich die Kwacha-Noten zu je 100.000 pro Bündel. So hatten wir also viereinhalb ca. 10 cm hohe Stapel, die wir niemals in einem Portemonnaie hätten verstauen können.

Eine Cola kostete ca. 500 Kwacha, die es dann in Münzen gab. Hotels, Benzin und Supermarktbesuche wurden meist mit fünfstelligen Beträgen bezahlt. Dafür mussten wir immer zwischen Rucksack mit den Kwacha-Stapeln und unserem Portemonnaie hin und her disponieren.

Sollten Sie je in so eine Situation geraten, hier ein Tipp: Bündeln Sie die Kwacha-Scheine im Portemonnaie in Zehner-Haufen, indem Sie den zehnten Schein in der Mitte falten und die anderen neun da hineinlegen. So behielten wir damals einen besseren Überblick und das Geld abzählen dauerte mit den 10.000 Bündeln nicht mehr ganz so lange.

Ebenfalls in Malawi haben wir zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn es bestimmte Güter nicht gibt. Wir wollten in der zweiten Woche eine Cola kaufen, doch es gab im ganzen Supermarkt weder Wasser noch Cola. „So ein Mist“, dachten wir bei uns, „dann versuchen wir es eben beim nächsten Supermarkt“. Als auch der 10. Supermarkt keine Cola hatte, wurde uns klar, dass es überall in dieser Region derzeit keine Cola gab, und später - zum Glück erst am Ende unserer Reise - gab es auch kein Benzin mehr. Wir erfuhren so am eigenen Leib, was es bedeutet, nichts mehr kaufen zu können selbst wenn genügend Geld da ist.

Weitere Malawi-Anekdoten können Sie übrigens auch im meinem Buch „Malawi – Aus dem warmen Herzen von Afrika“ nachlesen.

Für das Unterbewusstsein ist das eine sehr direkte Erfahrung: zu erkennen, dass Geld nur bestimmte Funktionen hat, aber nicht an sich einen Wert besitzt.

Diese weitere Funktion des Geldes als Wertmaßstab bedeutet, dass es in der Wirtschaft für jedes Gut oder jede Dienstleistung einen Preis gibt. Mit diesem Preis wird der Wert im Verhältnis zu den anderen Gütern und Dienstleistungen gemessen, und es wird angezeigt, in welchem Verhältnis Nachfrage und Angebot zueinander stehen. Je mehr nachgefragt wird, und je geringer das Angebot, desto höher steigt der Preis. Dabei ist sozusagen das Geld ein Messwert für alle Güter und Dienstleistungen einer Gesellschaft.

Wenn wir z.B. eine Gesellschaft hätten, in der es nur ein Gut gäbe, z.B. Schokolade, sagen wir 100 Tafeln Schokolade, so würde das Geld messen, wie wertvoll die Schokolade für die Gesellschaft ist, indem ein Preis benannt wird. Stellen wir uns nun vor, diese Gesellschaft besteht nur aus Schokoladenliebhabern und der Wert von Schokolade wird sehr hoch bemessen, mit z.B. 20 € pro Tafel, dann würden in unserer Gesellschaft 100 Tafeln Schokolade einen Geldwert von 2.000 € haben. Damit unsere Wirtschaft immer wie geschmiert laufen kann und das Geld einen stabilen Wert behält, müsste die Geldmenge in unserer Gesellschaft also 2.000 € betragen.

2.000 € Geldmenge = 100 Tafeln Schokolade = 20 € / Tafel

Dieser Wertmaßstab für eine Tafel Schokolade ist also festgelegt. Das Geld spiegelt nur wider, was den Schokoladenliebhabern die Tafeln Schokolade wert sind. Wenn jetzt in diesem System eine Tafel Schokolade aufgegessen wird und wir nehmen an, dass keine neue produziert werden kann, dann gibt es verschiedene Szenarien, wie das System reagieren kann.

Bei einer Geldmenge von 2.000 € und nun nur noch 99 Tafeln Schokolade, wäre die Geldmenge jetzt überbewertet. Damit der Preis stabil bleibt, könnten 20 € vernichtet oder aus dem Verkehr gezogen werden. So bliebe der ursprüngliche Wert erhalten und die Geldmenge wäre 1.980 € = 99 Tafeln Schokolade (bei 20 € / Tafel).

Allerdings gestaltet es sich als etwas schwierig, den Menschen Geld wegzunehmen, denn rein rechtlich gesehen ist das Geld Eigentum der Person, die es besitzt, und das darf dieser Person nicht weggenommen werden. Sonst wäre es Diebstahl oder Enteignung und das ist in unserem Rechtssystem nicht gestattet.

Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Schokolade teurer bzw. der Preis der Schokolade erhöht wird. In diesem Fall wären das 99 Tafeln Schokolade für 2.000 € und damit würde der Preis auf 20,20 € steigen. Die Schokolade ist also teurer geworden, aber eigentlich nicht unbedingt wertvoller. Die Schokoladenliebhaber sind vielleicht bereit, dafür mehr zu zahlen, weil die Menge der Schokoladentafeln ja auch weniger geworden ist, aber an sich hat sich der Nutzwert der Schokolade nicht verändert. In diesem Fall hat sich das Verhältnis vom umlaufenden Geld zur Schokolade verändert, und deshalb haben die Schokoladenliebhaber mehr Geld, aber weniger Schokolade zur Verfügung und sind deshalb bereit, dafür mehr zu bezahlen. Das bedeutet aber nicht, dass der Nutzwert der Schokolade sich verändert hat, sondern nur, dass das Geld an Tauschwert verloren hat. Durch die Preissteigerung (oder auch durch eine Geldentwertung) ist das System wieder ins Gleichgewicht geraten.

In diesem Schokoladenbeispiel wird die Geldstabilität von der Zentralbank gesteuert. Durch indirekte Mittel, wie den Zins, kann die Größe der Geldmenge und der Wirtschaftsmenge beeinflusst werden. Wenn also die Menge des Geldes im Verhältnis zur Wirtschaftsmenge zu groß ist, wird das Verhältnis durch eine Inflation = Geldentwertung wieder ausgeglichen. Umgekehrt kann das Geld auch aufgewertet werden. Nehmen wir z.B. an, in unserer Schokoladengesellschaft wird eine Schokoladenfabrik gebaut, die jährlich 120 Tafeln Schokolade produziert. Dann würde z.B. im nächsten Monat die Menge aller Schokoladentafeln auf 99 + 10 = 109 steigen. Bei einer stabilen Geldmenge von 2.000 € würde eine Tafel dann nur noch 18,35 € kosten. In diesem Fall ist die Geldmenge kleiner als die Menge der Schokoladentafeln und das Geld wird aufgewertet. Es kommt zu einer Deflation.

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