Читать книгу Der Casta-Zyklus: Initiation - Christina Maiia - Страница 25
Avner
ОглавлениеDas Licht des Tages ist bereits erloschen, als er tief unter der Erde den Hangar durch eine der Geheimtüren betritt. Die einzelnen Gänge, die durch Schwingungs-kontrollierte Sicherheitsbarrieren voneinander getrennt sind und nur eine Handvoll autorisierter Personen anerkennen, sind schmucklos und dunkel. Lediglich eine schwache Lichtquelle aktiviert sich für die Dauer seiner Präsenz, um dann wieder in ihren Dämmerzustand zu versinken.
Wie so oft ist er ganz in seine Gedanken vertieft, während er routinemäßig die kahlen Gänge durchschreitet. Er ist auf sein brillantes Hirn konzentriert, das ihm schon so vieles leicht gemacht hat, vieles, das andere, wenn überhaupt, an seiner Stelle nur mit großer Mühe bewältigt hätten. Spezialbeauftragter des Rates zu werden, zum Beispiel, ist keine ernsthafte Herausforderung für ihn gewesen. Jedes der weiteren Ratsmitglieder hat seine besonderen Qualitäten, die sich von den seinen eindeutig unterscheiden, aber auf dieser Aufgabe hat ohne Zweifel von Anfang an sein Name gestanden. Die jahrelange Vorarbeit, die er hinsichtlich seines Standings im Rat und in der Gemeinschaft geleistet hatte, machte sich endlich bezahlt und seine Nominierung war nicht eine Sekunde lang ernsthaft in Gefahr. Selbst Richard war kein Hindernis, analysiert Avner treffend, er ist froh, wenn er sich endlich den angenehmeren Seiten des Lebens widmen kann und nicht zu viel Zeit in ein einzelnes Projekt stecken muss, zumal in eines dieser Dimension. Er lächelt befriedigt. Irgendwann werde ich ihn auch noch in seinem Rats-Vorsitz beerben, soviel steht fest, aber das ist ein Thema für eine andere Zeit und jetzt gibt es eindeutig Wichtigeres zu erledigen, beschließt er dann.
Kurz vor der letzten Barriere aktiviert Avner erneut die Freischaltung über einen mentalen Befehl, woraufhin die finale Tür zum großen Hangar sich öffnet und den Blick auf eine riesige, hell erleuchtete Halle freigibt. Das gleißende Licht, das aus Millionen von Energiequellen stammt, brennt zunächst in seinen Augen, doch wie immer gewöhnt er sich schnell daran und betritt diesen Ort hektischer, rund um die Uhr ununterbrochener Aktivität mit der ihm üblichen Faszination. Fast so wie früher, denkt er sich und fühlt sich auf eine Weise zuhause, die nur er selbst begreifen kann.
„Hallo Avner“, schallt es ihm respektvoll entgegen, als er zu dem Koordinator des Ingenieurteams aufschließt, welcher gerade von einer Montage-Gruppe zu der nächsten den Hangar durchkämmt.
„Guten Abend, Chris, wo stehen wir?“, will Avner ohne Umschweife wissen.
„Alles soweit in Ordnung, wir kommen gut voran. Die neu strukturierten Teams sind sehr engagiert bei der Sache.“
„Das freut mich sehr zu hören. Haben Sie einen Moment Zeit für mich, Chris? Ich würde Sie gerne unter vier Augen in meinem Büro sprechen“, meint Avner in höflichstem Ton, der jedoch keinen Widerspruch duldet.
„Ich komme gleich zu Ihnen, Avner. Ich muss nur noch schnell ein paar dringende Ergebnisse des letzten Tests an die Teams weitergeben. Zwei Minuten“, bestätigt Chris. Auf sein Verständnis für Prioritäten ist immer Verlass.
Ein guter Mann, denkt sich Avner zum wiederholten Mal, korrekt, präzise, engagiert, professionell. Und sehr loyal, fügt er mit innerer Befriedigung hinzu. Er öffnet die ausschließlich auf ihn codierte Tür seines Büros und nimmt auf seinem spartanischen Lieblingsstuhl Platz. Mit einer Drehung um seine Achse blickt er durch die nur einseitig transparente Bürofront hinaus in den Hangar. Es ist schon erstaunlich, was wir in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt haben, reflektiert er mit reichlich Stolz, der Rat kann äußerst zufrieden sein. Wenn wir jetzt noch die Lösung für dieses eine, hartnäckige Problem finden, dann bin auch ich zufrieden.
In diesem Moment klopft Chris bereits an die Tür. Avner öffnet ihm mit einem konzentrierten Gedanken. „Nehmen Sie doch Platz, Chris. Ein Glas Wasser oder einen Tee für Sie? Bedienen Sie sich doch, bitte.“
„Nein, danke. Was kann ich für Sie tun, Avner? Mein Bericht dürfte sich bereits auf Ihrem Display befinden, ich habe ihn pünktlich heute Morgen gesendet“, beginnt Chris dienstbeflissen das Gespräch. Er lässt sich etwas steif in den zweiten Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches sinken.
„Nein, vielen Dank, ich habe ihn bereits gelesen und er ist wie immer sehr präzise und sehr zufriedenstellend. Ich möchte heute gerne ein anderes Thema mit Ihnen besprechen. Wie geht es mit meinem speziellen Auftrag voran, Sie wissen schon?“
„Natürlich. Nun, wir haben das physikalische Problem mit der Energiebarriere leider immer noch nicht knacken können. Es gibt zwar einige Testergebnisse, die durchaus vielversprechend sind, aber in größerem Rahmen angewandt, stellen sie uns noch immer vor unüberwindbare Hürden. Ich gebe es nur sehr ungern zu, Avner, denn ich möchte Sie wirklich nicht enttäuschen, aber ich habe ernsthafte Zweifel, ob wir dieses doch sehr elementare Problem gelöst bekommen, zumal in dieser kurzen Zeit, die uns noch bleibt“, führt Chris aus.
Avner hat einige Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Er räuspert sich hinter seiner geballten Faust, fasst sich aber umgehend wieder. Dann schlägt er einen Ton an, der für ihn einer Schmeichelei am nächsten kommt: „Ich verstehe, Chris. Ich weiß, Sie tun Ihr Bestes und ich zähle auf Sie. Es hängt wirklich sehr viel von dem Gelingen dieses Auftrags ab, müssen Sie wissen, für mich persönlich, wie auch für Casta 3. Und falls es Ihnen doch noch gelingen sollte, dann können Sie und Ihre gesamte Familie sich meiner dauerhaften Dankbarkeit und Unterstützung sicher sein. Es gibt doch bestimmt unter Ihnen noch mehr solch talentierte und fähige Köpfe wie Sie, die sich in herausfordernden Projekten beweisen möchten, nicht wahr?“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, freut sich Chris über das Lob. Dann wird er ernst. „Ich verspreche Ihnen, ich werde mich weiterhin mit vollen Kräften in diese Aufgabe hinein knien. Sie sollten nur wissen, dass sie nur sehr schwierig und eventuell sogar unmöglich zu lösen sein wird.“
Avner lächelt. „Aber sicher doch, Chris, keiner erwartet von Ihnen das Unmögliche. Ich möchte Sie lediglich dazu ermutigen, Ihr wahres Potenzial zum Nutzen unserer Sache zu entfalten.“
„Das werde ich, ganz sicher. Wären wir dann soweit durch? Nicht, dass ich Sie unterbrechen möchte, Avner, aber ich muss dringend die Teams der nächsten Schicht anweisen, damit wir nicht in Verzug kommen.“
Wie immer eifrig und pflichtbewusst, denkt sich der Älteste zufrieden, eine gute Wahl, die ich da getroffen habe. „Aber natürlich, Chris, bitte gehen Sie Ihren Aufgaben nach und lassen Sie sich durch mich nicht stören. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihre ehrliche Einschätzung.“
Als sich die Schwebetür hinter Chris geschlossen hat, gibt Avner sich ungebremst seinen Gedanken hin. Seine Mundwinkel sacken automatisch nach unten und seine Augen entledigen sich des vagen Eindrucks von Freundlichkeit. Verdammt, warum gibt es nur so viel Widerstand in diesem Projekt! Erst die Sache mit Kisha Moon, statt wie geplant Kevin zu entsenden, den ich schon genauestens instruiert habe. Alles nur wegen Professor Todd, diesem hirnrissigen, sentimentalen Idioten. Und dann auch noch diese vermaledeite, physikalische Barriere! Wie kann ich das jetzt noch hinbiegen? Die Zeit wird langsam knapp und mein Kontaktmann wartet dringend auf mein Signal, sagt er sich angespannt. Hoffentlich löst sich wenigstens die Moon-Sache in Wohlgefallen auf.
Sein Stuhl dreht sich 180 Grad vom Hangar weg und die Sicht durch die Frontverglasung verschwindet. In Avners Büro wird es dunkel.