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Höhen und Tiefen

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Es ist kurz nach der hektischen Mittagessensschicht. Die eingeteilten Studenten entsorgen gerade unter Einsatz der Reinigungsroboter die Reste von den Tischen im Observatorium. Professor Todd hat außer der Reihe Lust auf einen Espresso verspürt, was vermutlich die Folge von dem einen oder anderen Glas zu viel an Rotwein ist, das er hier am Abend zuvor mit Sal geleert hat. Die schöne Erinnerung daran macht sich trotz seines vernebelten Kopfs wohlig in ihm breit. Endlich fühlt er sich seinem Freund wieder so nah wie früher. Manchmal gibt es selbst in einer guten Freundschaft Brüche, reflektiert er erleichtert, aber durch die Tiefen kann man sich umso mehr über die Höhen freuen. Apropos freuen: Schnell holt er sich seinen Espresso an der Bar ab und setzt sich ein paar Tische weiter entspannt in die Lounge. Die dunkle Crema schmeckt ihm heute besonders gut, denn in letzter Zeit bleibt er seiner Gesundheit zuliebe eher bei Oreas-Tee. Ein seltenes Vergnügen, bedauert er schon jetzt, als die ersten Tropfen seine Kehle hinab gleiten. Ich muss fit bleiben. Die Zwillinge werden uns bald auf Trab halten, und das für die nächsten 25 Jahre. Das wird ein Spaß.

Während er seinen Kaffee in wohldosierten Schlücken genießt, ist Kim, eine seiner ehemaligen Studentinnen, am Nachbartisch mit dem Aufräumen zugange. Er grüßt sie freundlich und interessiert. „Hallo Kim, wie geht‘s? Wie immer fleißig?“

„Danke, Professor Todd, aber das ist eher Erholung für mich. Sie sollten erst mal die Stapel in meinem Display sehen“, antwortet Kim gut gelaunt. Sie verdreht spaßhaft die Augen.

„Na, das machen Sie doch mit links, wie ich Sie kenne“, erwidert Todd amüsiert und ehrlich zugleich. Keiner seiner zahlreichen Studenten, nicht einmal Kisha, hat sich je mit derartiger Leichtigkeit, Gewissenhaftigkeit und Ausdauer an das Lernmaterial herangemacht wie Kim.

„Ihr Wort in Professor Balthazars Gehörgang. Aber danke für das schöne Kompliment.“

„Das ist nur zu verdient. Immer noch die Nummer 1 in Astrophysik?“

„Ich gebe mein Bestes“, strahlt sie zurück. „Professor? Wenn ich Sie hier sehe, darf ich Sie vielleicht kurz etwas fragen, so ganz unter uns?“ Vorsichtig kommt sie näher an Todds Tisch heran. Sie schaut sich besorgt um.

„Aber gerne. Setzen Sie sich doch einen Moment. Die Akademie-Leitung wird es Ihnen schon verzeihen, wenn Sie mit Ihrem alten Professor ein paar Takte reden“, meint Todd belustigt. Es ist nicht gerade selten, dass ehemalige Studenten mit anderen als rein fachlichen Problemen auf ihn zukommen, vermutlich weil er gerne auch jenseits der Vorlesungen ein offenes Ohr für sie hat. So hat er schon dazu beitragen können, Fauxpas auszubügeln, und wie immer ist es ihm eine Freude, wenn er unnötige Desaster verhindern kann. Er ist deshalb eher auf ein emotionales Problem eingestellt, als sich Kim ihm gegenüber setzt und zu reden beginnt.

„Professor, Sie sind doch der Beauftragte der Akademie für die große Mission“, eröffnet sie mit einer Feststellung. „Sie wissen deshalb sicher, dass ich eine der ausgewählten Studentinnen bin, die am Projekt im Hangar mitarbeiten.“ Todd nickt und fragt sich insgeheim, was für ein Problem wohl jetzt kommen mag.

„Ich will ja nicht zu neugierig erscheinen und sicher nicht den Ältesten Avner unnötig belästigen, aber ich habe mich gefragt, warum wir Testreihen mit Schwingungs-Modifikationen an einer der Sphären vornehmen. Das macht für mich irgendwie keinen Sinn vor dem Hintergrund des technologisch-physikalischen Konzepts, so wie es mir vermittelt wurde und ich daran mitentwickle.“

Professor Todd lehnt sich einen Moment in seinem Stuhl zurück und versucht, eine ruhige Miene zu bewahren. Die Synapsen in seinem Gehirn beginnen, wild zu feuern.

Kim registriert seine Pause und wird unsicher. Hastig setzt sie nach: „Ich meine ja nur. Es ist mir aufgefallen und ich konnte es mir einfach nicht erklären. Ich will Ihnen natürlich nicht zu nahe treten, wenn das unter die spezielle Geheimhaltung fallen sollte, insofern vergessen Sie es bitte gleich wieder, dass ich gefragt habe. Entschuldigen Sie“, rudert sie zurück und steht auf, als Todd sich noch nicht aus seiner geistesabwesenden Position herausbewegt hat.

Er schaltet schnell. „Nein, Kim, machen Sie sich doch keine Gedanken. Und bleiben Sie bitte sitzen, ich wäre wirklich froh, wenn alle Studenten so engagiert und selbständig im Denken wären wie Sie“, setzt er taktisch klug hinterher. Dann, um sich mehr Zeit zu verschaffen: „Ich überlege nur, ob und wie ich Ihnen das präziser erklären kann, so dass Sie einerseits mit meiner Antwort zufrieden sind und ich andererseits dem Ältesten Avner nicht zu sehr auf die Füße trete. Mmmmh.“ Er reibt sich sein Kinn und zieht seine buschigen Augenbrauen hoch. „Wissen Sie was, Kim? Warum geben Sie das Ihrem alten Professor nicht als Hausaufgabe mit und ich liefere Ihnen gleich morgen meine höchst diplomatische Antwort darauf, einverstanden? Und bis dahin behalten wir zwei Hübschen das schön für uns. Was meinen Sie?“ Er lächelt.

„Das wäre mir wirklich lieb, Professor. Verzeihen Sie, ich komme mir ziemlich dumm vor, dass ich Sie so unüberlegt überfallen habe.“

„Ach, das ist doch Blödsinn, Kim. Sie dürfen mich jederzeit mit Problemen kontaktieren. Achten Sie bitte nur darauf, dass Sie solcherlei Thematiken nicht außerhalb des autorisierten Kreises besprechen, ja? Dann hätten wir nämlich tatsächlich ein Problem.“ Todd reaktiviert sein charmantes Selbst.

Seine ehemalige Studentin entspannt sich sichtbar. „Da bin ich froh. Vielen Dank für Ihre Zeit, Professor Todd. Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen. Wenn Sie mir dazu etwas sagen können, fantastisch, wenn nicht, kein Problem. Ich verstehe das.“

„Prima. Dann will ich Sie jetzt nicht weiter von Ihren Pflichten abhalten, Kim. Es hat mich sehr gefreut, mit Ihnen zu plaudern“, erwidert Todd, als sie sich von ihrem Stuhl erhebt. „Weiterhin viel Erfolg und bis bald“, verabschiedet er sich laut, während Kim sich umdreht und den anderen Tischen zuwendet.

Als er Kim in sicherer Entfernung mit dem Rücken zu ihm weiß, erlaubt sich Todd einen tiefen Atemzug und lässt seinem Gesicht Platz für Entspannung. Uff, das war knapp, bringt er dieses unerwartete Gespräch auf den Punkt. Zum Glück habe ich mir nichts anmerken lassen, dank Misses K´s wunderbaren Konzentrations-Übungen. Aber das ist nicht das Eigentliche, worum es hier geht, stellt er dann nachdenklich fest. Avner macht also geheime Experimente mit einer der Sphären. Ob nun vom Rat autorisiert oder nicht, das sei einmal dahingestellt. Aber wozu verdammt nochmal tut er das nur? Todd ist nun erstmals wirklich besorgt. Die Sache mit Kevin ist die eine. Vielleicht fließt sie auch irgendwie in diese Angelegenheit mit ein. Aber eines ist auch so sicher: Da wird noch ein verdammt größeres Rad gedreht als ich zunächst dachte. Und ich müsste mich schon ziemlich täuschen, wenn das nicht auf Avners persönlichem Mist gewachsen wäre. Ja, wird ihm dann vollauf bewusst, das ist auch der eigentliche Grund, warum er vor kurzem so besorgt geklungen hat! Irgendetwas läuft da nicht so, wie er es will. Und darin mag eine gewisse Hoffnung liegen.

Todd fährt mit seinen Überlegungen fort. Experimente mit der Schwingungs-Barriere also. Warum nur, was soll das bringen? Und dann kommt es ihm plötzlich. In seinem Gesicht bricht seine eben noch gelassene Fassade weg und das erste Mal in den drei Jahren, seit er in dieser Mission engagiert ist, wird ihm gewaltig mulmig zumute. Nein, er wird doch nicht etwa……… Nein, das kann nicht sein, das kann er doch nicht tun! Das gefährdet doch die ganze Mission!

Der Casta-Zyklus: Initiation

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