Читать книгу Verlass die Stadt - Christina Maria Landerl - Страница 10

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(Das Konzert)

Der Ausbau des Wiener U-Bahnnetzes bringt sehr viele Vorteile mit sich. Einer davon ist, dass in Zukunft auch abgelegene Stadtteile wie Aspern und Rothneusiedl schnell und unkompliziert erreichbar sein werden. (Der Ausbau der U-Bahn hat auch ein paar Nachteile, er kostet zum Beispiel sehr viel Geld, und die Notwendigkeit der Erweiterung ist umstritten.)

Ein weiterer Vorteil dieser Baumaßnahmen ist hingegen, dass man halbfertige Stationen als Veranstaltungsorte nutzen kann. Zum Beispiel für ein Festival, eines von der Art, auf denen Gudrun gerne spielt, weil sich an ungewöhnlichen Orten meistens Menschen einfinden, die für außergewöhnliche Musik viel übrig haben.

Sie sitzt mit Freunden auf einer der Holzbänke und trinkt ihr zweites Bier. Sie mag das Provisorische und den Geruch nach Baustelle, sie freut sich, dass interessante Leute gekommen sind und viele Frauen. Mit dem dritten Bier lässt die Nervosität nach, wird von der Zuversicht abgelöst: Sie wird sehr gut sein heute, sie ist überhaupt sehr gut, wahnsinnig gut, der heutige Abend wird das allen deutlich machen.

Ein viertes Bier verbietet sie sich. Sie muss heute noch wichtige Handgriffe tun, an der Gitarre, am Laptop, dafür darf man nicht besoffen sein, das macht die Finger langsam, auch wenn es dem Gesang nicht schaden würde.

Max und Peter haben für ungewöhnliche Orte und außergewöhnliche Musik wenig übrig und sind dennoch gekommen. Gudrun hat sie eingeladen, sie hat sie auf die Gästeliste gesetzt, und in diesem Fall hat man zu kommen, auch wenn man müde ist, auch wenn man lieber zu Hause wäre, auch wenn man keine Lust hat.

Als sie an der Kasse vorbei sind, sieht Max sich irritiert um.

Wonach riecht es hier?

Es riecht komisch, bestätigt Peter, obwohl ihm kein komischer Geruch aufgefallen ist.

Nach Metall? Nach Schweißen?

Nach Schweiß?

Widerlich.

Hast du Gudrun schon gesehen?

Nein. Hier sehen alle aus wie Gudrun, oder?

Du meinst, die Frauen.

Ich meine alle. Sie sehen alle aus wie Künstler von der Stange.

Auf der Bühne steht ein einsames Mikrofon, elektronische Musik kommt aus Lautsprechern. Max und Peter wissen nicht, wohin mit sich, kennen niemanden, können Gudrun nirgends sehen, sind durstig und gehen an die Bar, die aus leeren Bierkisten gebaut ist. Während sie sich anstellen, boxt jemand Peter in den Rücken.

Schön, dass ihr da seid, sagt Gudrun.

Ja, sagen sie, fast gleichzeitig, nicht ganz.

Habt ihr Margot gesehen? Ich dachte, sie kommt mit euch.

Sie schütteln ihre Köpfe.

Sie wird schon noch kommen.

Sie kommt doch immer, wenn du spielst.

Wann bist du eigentlich dran?

Jetzt. Wir sehen uns später.

Während der ersten beiden Nummern ist Gudrun unruhig. Sie hat den Eingang im Blick. Sie sucht die vielen Reihen aus Köpfen ab, immer wieder von vorne nach hinten.

Bei der dritten Nummer siegt der Größenwahn über alles andere. Die Köpfe haben angefangen zu wippen, die Menschen beginnen zu tanzen. Gudrun winkt dem Tontechniker, hebt langsam ihre Hand: Lauter.

Als sie von der Bühne geht, wird ihr von allen Seiten auf die Schulter geklopft. Dass Max und Peter nicht mehr da sind, bemerkt sie, aber es ist ihr egal; es ist jetzt nicht wichtig.

Verlass die Stadt

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