Читать книгу Verlass die Stadt - Christina Maria Landerl - Страница 8
Оглавление(Ungargasse)
Ich wollte schon immer nach Wien. Aber nicht, weil ich Geschichten aus dem Wiener Wald gelesen habe. Auch nicht, weil ich Die Strudlhofstiege gelesen habe (das habe ich nicht) und nicht wegen Falco, den ich seit meiner Kindheit verehre; sondern weil ich Malina gelesen habe. Wer das Buch kennt, weiß, dass Wien darin keine sehr große Rolle spielt.
Nach meiner Ankunft habe ich angefangen, die Stadt abzusuchen. Ich habe die Stadt aus dem Buch gesucht. Ich habe nicht viel gefunden. In der Ungargasse: Am Haus Nummer5 eine Gedenktafel für Beethoven, der seine 9.Sinfonie hier beendet hat. Am Haus27 eine für Jakob Degen, Schweizer Flugpionier und Erfinder. An 6 und 9 keine Tafeln. Für wen auch.
Ich fand das trotzdem nicht richtig. Ich wollte noch ein steirisches Bier beim alten Heller, Nummer34, trinken, aber die Gaststube war mir zu finster. Ich kaufte eine Dose Ottakringer an der U-Bahnstation Rochusgasse und nahm sie mit nach Hause. Alles war anders, als ich es mir vorgestellt hatte.
Ich habe die Stadt nach Malinas abgesucht. Ich habe nicht viele gefunden. Im Telefonbuch ein paar Einträge: Helmuth und Erna Malina. Rudolf Malina, sinnliche Fotografie. Marlen Malina, bescheuerter Name. Für mich war kein Malina dabei.
Ich habe angefangen, die Stadt nach mir abzusuchen. Ich habe nicht viel gefunden. Nichts, was mich an mich erinnert hätte. Keinen Grund, hier zu sein, und auch keine Berechtigung. Offensichtlich hatte ich hier nichts verloren.
Also bin ich geblieben.
Erst später habe ich weitergesucht. Ich habe begonnen, in Büchern zu suchen. Ich habe die Bibliotheken der Universität und der Stadt Wien nach der Stadt Wien in den Werken Ingeborg Bachmanns abgesucht. Ich habe nicht viel gefunden. Dafür habe ich herausgefunden, dass Bachmann in der Ungargasse nie gewohnt hat, sondern in der Beatrixgasse, einer Querstraße, außerdem in der Gottfried-Keller-Gasse, ein paar Straßen weiter. Ob dort Gedenktafeln hängen, weiß ich nicht. Ich habe es unterlassen, hinzufahren, ich habe mir untersagt, nachzusehen.
Sieben Jahre hat sie hier nur verbracht, trotzdem ist Wien zum Hauptschauplatz ihrer Texte geworden. Ich war länger hier. Es ist mein Hauptschauplatz geworden.
Als Ingeborg Bachmann vor über sechzig Jahren in Wien ankam, war es nicht Sommer, es war Herbst. Es war Herbst, als ich vor gut zehn Jahren in Wien ankam. Es ist bald Winter geworden.