Читать книгу Harry in love - Christina Masch - Страница 10
ОглавлениеKapitel 5
Es war der 31. Dezember 2010 und Isabel und Anabel verbrachten wie jedes Jahr – seit ihrem 21. Geburtstag – den Silvesterabend in einer Diskothek; diesmal ging es in den Club Five. Es war das erste Mal wieder nach dem Sieg im Freestyle-Tanzen. Isabel betrat mit gemischten Gefühlen den Club. Denn hatte nicht Prinz Harry in seinem Brief an sie erwähnt, dass er recht oft hier war, weil er den Inhaber kannte? Und heute war auch noch Jahreswechsel … Isabel hoffe inständig, dass sie dem Prinzen heute nicht über den Weg laufen würde, denn so langsam, aber sicher wirkte es schon fast kindisch, dass sie immer wieder vor ihm davonrannte; zumal auch Anabel ihr nicht mehr wirklich abkaufte, dass sie den Prinzen einfach nur unsympathisch fand. Leider machte ihr das Schicksal – mal wieder – einen Strich durch die Rechnung. Denn zwei Stunden später war nicht nur Prinz Harry anwesend, sondern auch Prinzessin Jane und ihr Mann, Prinz William.
Anabel hatte noch vor Isabel die Prinzessin und die Prinzen entdeckt. Sie versuchte alles Mögliche, um Isabels Aufmerksamkeit von der Königsfamilie abzulenken. Doch als diese plötzlich anfingen Karaoke zu singen, wurde auch dem letzten Gast bewusst, wer sich unter das illustre Volk gemischt hatte. Zu Anabels Überraschung blieb Isabel und amüsierte sich sogar köstlich über die Nicht-Gesangskünste eines gewissen Prinzen. Natürlich blieb Isabel auch nicht lange vor Harry unerkannt. An der Bar kam es dann zum Aufeinandertreffen: Harry hatte gerade drei Gläser mit bunten Cocktails in der Hand und wollte sich von der Bar entfernen, als just in dem Moment Isabel vor ihm stand. Isabels Puls schlug heftig und sie hatte das Gefühl, jeden Moment umzukippen. Doch Harry lächelte sie nur an und sagte: „Hallo. Viel Spaß!“, und ging danach sogleich weiter an ihr vorbei. Völlig irritiert blickte sie ihm hinterher. Sie vergaß dabei sogar, dass sie Getränke für sich und Anabel besorgen wollte.
„Hey, was ’n los? Hast Du einen Geist gesehen? Oder war es doch nur die Erscheinung von Prinz Harry?“, fragte kurz darauf Anabel spitz, der die Getränkebesorgung zu lange dauerte. Isabel wurde prompt rot. Anabel grinste nur zufrieden, denn so ganz uninteressant schien Isabel den Prinzen wohl nun doch nicht zu finden. Und so kam es dann auch rein zufällig, dass sie sich alle auf der Tanzfläche wiederfanden. Erneut hatte Isabel heftiges Herzrasen, als Harry mit Prinzessin Jane direkt neben ihnen tanzte.
Isabel hörte sogar kurzzeitig damit auf, als sie sah, wie Prinz Harry mit Prinzessin Jane tanzte. Ziemlich gewagt. Sie glaubte kaum, ihren Augen zu trauen. Da ihr der Aussetzer peinlich war, machte Isabel, dass sie von der Tanzfläche kam. Anabel lief ihr kopfschüttelnd hinterher. „Was war das denn gerade?“
„Frag mich bitte nicht, ich habe keine Ahnung!“
„Du hast den Prinzen ja regelrecht angestarrt!“, piesackte Anabel ihre Freundin weiter. Sie hoffte so, ihren Verdacht bestätigt zu bekommen.
„Annie!“, rief Isabel verstört. Doch Anabel lachte nur auf und nippte gelassen an ihrem Cocktailglas.
Für Isabel dagegen war der Abend gelaufen, sie konnte einfach nicht mehr auf die Tanzfläche zurück. Anabel ließ sich davon jedoch nicht beirren und so kam es, dass sie auf einmal sogar selbst mit dem Prinzen tanzte. Anabel war begeistert und schaute immer wieder zu ihrer Freundin herüber. Isabel stand da und starrte die beiden an. Sie schien regelrecht in Trance. War Isabel etwa eifersüchtig, fragte sich Anabel nach einer Weile. Doch sie konnte sich darauf keinen wirklichen Reim machen. Sie bedankte sich stattdessen freudestrahlend bei Prinz Harry für den Tanz und ging dann zurück zu ihrer Freundin. Doch Isabel war nicht gut und sie wollte nur noch nach Hause, kaum dass es Mitternacht – Neujahr – war. Anabel seufzte, begleitete sie aber.
„Sag mal, Isa, hast Du nicht Lust, nächsten Dienstag mit mir mitzukommen? Ich will in die Tanzschule und meinen Gutschein einlösen. Machst Du mit?“, fragte Anabel auf dem Heimweg.
„Ich weiß noch nicht so recht“, gab Isabel betrübt von sich.
„Überleg es Dir einfach. Ich meine, es wäre doch schade, wenn er verfallen würde“, sagte Anabel, ehe sie sich von ihrer Freundin verabschiedete.
„Hey Nick, was gibt’s?“, fragte Harry und begrüßte den Inhaber der Tanzschule Nicks Dance Store.
„Hallo Harry, schön, dass Du kommen konntest, ich habe da ein kleines Problem und wollte Dich fragen, ob Du mir vielleicht helfen könntest, das Problem zu beseitigen?“
Harry zuckte mit den Schultern. „Klar, mach ich gern, wenn Du mir vielleicht vorher aber bitte noch sagen könntest, um was für ein Problem es sich dabei handelt?!“
„Ja, natürlich“, sagte Nick, doch weiter kam er nicht, denn sein Handy klingelte. „Entschuldige mich kurz“, sagte er zu Harry. „Ich komme gleich wieder.“ Anschließend ging er in sein Büro.
Harry, der ein wenig unglücklich nun allein auf der Balustrade mit Blick auf die Tanzfläche der Sporthalle, stand, lehnte sich bequem an dem Geländer an und beobachtete eine Tänzerin, die dort unten in schwarzen Trainingshosen und einem dunkelblauen Kapuzenshirt mit geschlossenen Augen und MP3-Player in den Ohren vor sich hin tanzte. Das, was Harry sah, beeindruckte ihn gewaltig und obwohl er keine Musik hörte, wippte er unbewusst mit dem Fuß im Takt. Alles war stimmig bei der Frau. Jeder Schritt schien perfekt gesetzt und grazil war jede ihrer Drehungen.
Während Harry völlig gebannt der jungen Dame beim Tanzen zusah, bemerkte er nicht, dass Nick sich wieder zu ihm gesellt hatte und nun Harry beim Beobachten ganz genau betrachtete. Nach einer Weile stieß Nick Harry an und sagte: „Hey Alter, was ’n los mit Dir? Gefällt Dir, was sie dort tanzt?“
„Ehm, entschuldige … Ja, es ist sehr beeindruckend. Wer ist das?“
„Das ist eine unserer Neuen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass sie tausendmal besser ist als unser Stammteam. – Übrigens, um dieses geht es auch bei meinem Problem“, erklärte Nick.
Fragend hob Harry eine Augenbraue und sah Nick wohlwissend an. „Na los, was soll ich machen, um Dich zu retten?“, war auch sogleich daraufhin seine direkte Frage.
„Nun ja, eine unserer Tänzerinnen ist krank geworden und kann nicht bei der Tripple-Meisterschaft übernächste Woche mitmachen. Ich wollte Dich daher fragen, ob Du einspringen könntest …“
Erneut hob Harry fragend eine Augenbraue. „Du willst mich jetzt aber nicht zum Mädchen machen, oder?“
Nick lachte laut auf. „Nein, natürlich nicht! Eigentlich muss die Stammformation aus drei Männern und zwei Frauen bestehen. Leider fehlt uns ein Mann, so dass wir halt eine Frau mehr im Team haben, was sich jedoch auf die Punktrichter negativ auswirken kann.“
„Und wie kommst Du gerade auf mich? Ich meine, ich tanze zwar für mein Leben gern, aber in einer Gruppe?“
„Toni kam auf die Idee, Dich einfach einmal zu fragen. Denn auch nach dem dritten Freestyle-Wettbewerb im Club Five konnte ich keinen geeigneten Tänzer finden. Toni meinte, dass Du wohl schon das ein oder andere Mal mit Deiner Schwägerin in Choreographie dort getanzt hättest … Und das wohl sehr professionell?!“
„Ja, schon, aber nur so zum Spaß und mehr spontan, also nichts fest Einstudiertes.“
„Hey Mann, mach Dich doch nicht schlechter als Du bist! Ich weiß, dass Du tanzen kannst! Harry, bitte, Du bist mein einziger Trumpf! Ohne Dich brauchen wir erst gar nicht bei dem Wettbewerb mitmachen: Als Vier-Mann-Ensemble lassen sie uns erst gar nicht antreten! Probier es doch wenigstens einmal, ja?!“
„Na schön, ich lass mich mal von Dir breitschlagen. Ich hoffe nur, ich muss mich nicht so verrenkten wie die junge Dame dort unten“, meinte Harry lapidar. Nick schmunzelte. „Nick?!“
„Nein, natürlich nicht! Sie tanzt mit Samuel den Solopart im Freestyle und im Standard. Du sollst wirklich nur Cindy, Kathreen, Michael und Ralph unterstützen.“
„Cindy und Kathreen? Das sind aber nicht rein zufällig die zwei aus Wills Clique, oder?“
„Mensch, stimmt, ihr kennt Euch ja bereits! Doch, genau die zwei sind das.“
„Na, das kann ja dann noch lustig werden …“, überlegte Harry. „Und wann soll das Training anfangen?“
„Ehm, heute?!“
Fragend hob Harry eine Augenbraue. „Das ist jetzt nicht Dein Ernst!?“
„Doch, eigentlich schon. Aber keine Angst, Du sollst heute nur zuschauen. Morgen würde dann offiziell das Training mit Dir anfangen.“
Harry seufzte. „Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht, als ich Dir mein Okay gegeben habe!“ Entsetzt blickte Nick Harry an, doch dieser grinste nur breit über das Gesicht.
Kopfschüttelnd lief Nick Harry voraus und sie machten es sich in Nicks Büro bequem. Während sie darauf warteten, dass Cindy, Kathreen, Michael und Ralph eintrudelten, tranken sie einen Kaffee und unterhielten sich über Gott und die Welt.
Es klopfte und Kathreen trat in das Büro von Nick. „Hallo Nick! Oh, sorry, Du hast Besuch, ich wollte Dich … nicht stören. Harry???“
„Hallihallo. Na, wie ist’s?“, erwiderte Harry breit grinsend.
„Ähh, danke gut, und selbst? Hast Du Dich verlaufen oder willst Du etwa doch noch richtig tanzen lernen?“, witzelte Kathreen sofort.
Nick räusperte sich. „Kathy, mach so weiter und Harry sagt uns gleich wieder ab.“ Verwirrt starrte Kathreen Nick an.
„Heißt das, dass Harry der Ersatz für Michelle ist?“ Harry grinste nun noch breiter. „Na, das find ich ja super! Wie kommen wir denn zu der Ehre? Hast wohl genug von Deiner kleinen Nichte und versteckst Dich nun hier bei uns?!“ Harry wurde rot, während sich Nick erneut räusperte. „Was?! Jane hat mir das vorhin selbst verraten! Sie hat erzählt, dass Du neulich das Vergnügen hattest, mit ihr und Marybeth auf den Rummel zu gehen. Und Deine Begeisterung hielt sich wohl recht in Grenzen.“
„Kathy, es reicht jetzt! Zieh Dich lieber um, dann kannst Du Harry auch gleich einmal zeigen, was er zu tun hat.“
„Aber, aber ich denke, das Training fängt erst morgen an?“, stotterte Harry.
„Ach, wenn Du schon mal hier bist … Ein wenig warm machen wird Dich schon nicht umhauen! Einen Trainingsanzug habe ich auch schon für Dich“, offenbarte Nick und drückte ihm prompt eine Hose und ein Shirt in die Hand.
„Na toll!“, beschwerte sich Harry.
Kathy grinste und schon zog sie Harry hinter sich her.
Nach drei Stunden hatte Harry alle Schritte gezeigt bekommen und auf Anhieb behielt er sie auch alle im Kopf. Nur das Timing und das Zusammenspiel mit den anderen vier Tänzern haute noch überhaupt nicht hin. Geschafft sagte Harry: „Okay, genug für heute. Sonst könnt ihr mich morgen vergessen! Ich mach jetzt, dass ich nach Hause komme.“
„Harry? Danke noch einmal, dass Du uns hilfst. Der Wettkampf ist echt wichtig für uns!“, sagte Cindy, die genauso begeistert darüber war wie Kathreen, dass Harry nunmehr in der Gruppe mittanzte.
„Und vor allem für Nick! Es ist die beste Publicity, die er sich für sein Tanzstudio holen kann“, erwähnte Michael.
Harry seufzte. „Worauf habe ich mich hier nur eingelassen …?“
„Auf etwas Sinnvolles?!“, kam es von Kathreen.
„Sag mal, Du bist ganz schön frech! William gegenüber würdest Du Dir das nicht erlauben. Ich glaube, ich muss Dir mal den Kontakt mit meiner Schwägerin verbieten. Du klingst schon genauso wie sie!“
„Ja? Na, das können wir ja dann morgen Mittag klären.“
Fragend sah Harry Kathreen an. „Cindy und ich sind morgen zum Mittag von Jane eingeladen worden und, soweit ich weiß, Du auch.“
„Na wunderbar! Prima, dass ich das jetzt schon erfahre … Jetzt weiß ich auch, was Jane damit meinte, dass sie eine Überraschung für mich hat!“
Kathreen und Cindy fingen prompt an zu lachen. „Na ja, wir haben uns halt Gedanken gemacht, wie wir Dich aus Deiner Trübsinnigkeit herausholen können.“
„Und ich wette, Michelle ist gar nicht krank!“, gab Harry leicht gereizt von sich, als er merkte, dass irgendwie mehr Leute von seinem Liebeskummer wussten als ihm lieb war. Er musste unbedingt einmal ein ernstes Wörtchen mit seiner besten Freundin Jane reden.
„Sag mal, Jane: Wie viele wissen eigentlich, dass ich unglücklich verliebt bin?“, war auch sofort Harrys erstes Gesprächsthema am nächsten Tag bei den Vorbereitungen zu Janes Mittagstisch. Fragend blickte sich Jane zu Harry um, während sie mit dem Suppenlöffel im Topf rührte. „Wie Du eventuell schon weißt, tanze ich seit gestern bei Nick in einer seiner Gruppen mit. Rein zufällig ist das die Gruppe von Cindy und Kathy. Hast Du mir irgendetwas zu sagen?“, hakte Harry nach.
„Weißt Du, Harry, ich konnte Dein trauriges Gesicht nicht mehr mit ansehen, zumal mir meine Nächte recht kostbar sind und Du sie seit geraumer Zeit regelmäßig zu stören gedenkst!“
„Bitte entschuldige“, gab Harry kleinlaut von sich.
„Siehst Du, und genau deshalb haben wir …“ Sofort hob Harry aufmerksam den Kopf. Jane seufzte. „Mit wir meine ich: William, Jim, Kathy, Steve, Cindy, Toni, Nick, Mike und André. Ach, und meine Wenigkeit nicht zu vergessen …“
Harry nickte einvernehmlich.
„Schau mal, wir machen uns halt alle Sorgen um Dich, und bevor Du wieder irgendwelche Dummheiten machst, haben wir überlegt, wie wir Dich ablenken könnten. Tja, und wie der Zufall es nun einmal wollte, erkrankte Michelle aus Nicks Stammformation; falls es Dich interessiert, sie hat eine Salmonellenvergiftung.“
„Oh!“
„Ja, oh! Tja, und da Nick völlig verzweifelt neulich bei Mike im Club auftauchte, hatte Toni die glänzende Idee, Dich zum Tanzen zu verleiten. Ich denke, dies war kein so großes Verbrechen, oder?“
Harry lächelte und gab sich geschlagen. „Na schön, um Euch und mir einen Gefallen zu tun, werde ich auch weiterhin tanzen gehen. Aber wenn wir gewinnen sollten, haltet ihr Euch bitte alle wieder aus meinem Leben heraus. Okay?!“
Jane sah Harry eindringlich an. „Bist Du Dir sicher, dass sich alle aus Deinem Leben heraushalten sollen?“ Verwirrt blickte Harry zu seiner Schwägerin herüber. „Ich meine, auch Deine beste Freundin und Dein Bruder?“
Harry knurrte. „Ihr zwei natürlich nicht. Ihr seid aber auch die Ausnahme!“
„Da bin ich ja beruhigt. Ich hatte schon Angst, mir geht mein Kindermädchen verloren!“, witzelte Jane. Prompt warf Harry mit einem Küchenhandtuch nach ihr. Jane lachte.
Nach dem Essen machten sich Kathy, Cindy und Harry sogleich auf den Weg zu Nicks Dance Store. Zu aller Überraschung hatte Harry tatsächlich alle Schritte vom Vortag noch im Kopf und es klappte mit der synchronen Choreographie schon besser als gestern. Als die fünf ihre Tanzstunde abgeschlossen hatten, kam Samuel in die Sporthalle. „Hallo Mädels und Jungs. Was macht das Training?“
„Hey Samuel. Danke, es klappt ganz gut, dank tatkräftiger Unterstützung von Harry“, erzählte Ralph begeistert.
„Ja, ich habe schon davon gehört. Hallo Harry.“
„Hallo Samuel, nett Dich auch mal wieder zu sehen“, erwiderte Harry.
Fragend blickten ihn alle umstehenden an. „Samuel und ich kennen uns bereits. Sein kleiner Bruder ist mein bester Freund“, erklärte Harry breit grinsend. „Und Du tanzt die Pärchenparts in dem Wettkampf?“, fragte Harry interessiert weiter.
Samuel nickte. „Willst Du da etwa auch mitmachen?“
„Nein, Gott bewahre! Aber es sah neulich sehr interessant aus, was Deine Partnerin gemacht hat.“ Prompt kriegten alle ganz große Augen und starrten Harry schon fast panisch an. Harry verstand nur Bahnhof und versuchte zu erklären: „Ich stand oben am Gerüst und habe ihr beim Tanzen zugesehen. Daher weiß ich auch, dass ich so nicht tanzen möchte! Ich würde mir dabei womöglich alle Extremitäten verknoten …“, witzelte Harry. Erleichtert atmeten alle anderen auf und fielen ebenfalls in Harry Gelächter mit ein.
Während Harry sich auf den Weg zu Nick machte, verabschiedeten sich die anderen und gingen. Samuel blieb allein in der Halle zurück und machte sich mit Dehnübungen warm. Kurze Zeit später tauchte auch seine Tanzpartnerin – wieder in ihrem Kapuzenshirt und dunklen Hosen gekleidet – auf und sie begannen ihre zwei Tänze durchzuproben. In der Zwischenzeit hatte sich auch Harry wieder umgezogen und sah den beiden erneut beim Tanzen von der Balustrade aus zu. Er war abermals sehr angetan, von dem was er dort sah.
„Na, willst Du auch?“, fragte Nick auch sogleich, der sich dazugesellt hatte.
„Um Gottes willen, nein! Dafür bin ich nicht geschaffen!“
„Nein? Also ich würde das ja anders sehen. Wenn ich daran denke, was mir die anderen immer so berichten, wie Du mit einer gewissen Lady namens Jane den Lateinamerikanischen Tango aufs Parkett legst … Woher kannst Du den eigentlich tanzen?“
Harry verzog deprimiert das Gesicht. „Den Tanz hat mir Chelsy beigebracht.“
„Oh, wohl eines der wenigen Dinge, die positiv an ihr waren …“ Harry nickte und versuchte das Kapitel ‚ausgenutzte Popularität‘ wieder zu vergessen.
„Okay, mein Lieber, ich muss nach unten. Du kannst ja noch ein wenig zuschauen, vielleicht findest Du ja doch noch Gefallen daran“, sagte Nick.
Harry verzog das Gesicht zu einer Fratze und erwiderte: „Ich werde mich jetzt lieber auf den Heimweg machen, denn ich bin mächtig kaputt. Also dann, bis morgen.“
„Ja, mach’s gut, bis morgen.“
Am späten Mittwochabend, eine Woche darauf, rief Nick völlig hektisch Harry an: „Harry, ich hab ein neues Problem: Samuel fällt aus! Kannst Du einspringen?“
Harry, der unerwartet früh an dem Abend ins Bett gegangen war, brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Nick gerade gesagt hatte. „Harry, bitte! Probier es wenigstens! Ich weiß, dass Du so tanzen kannst!“, bettelte Nick von Neuem.
„Hast Du niemand anderen? Was ist mit Michael oder Ralph?“, fragte Harry noch immer leicht benommen.
„Das klappt nicht, das haben wir schon früher einmal probiert. Bitte, Du hast auch was gut bei mir!“
Harry seufzte. „Okay, ich helfe Dir, wann soll ich also morgen da sein?“
„Ehm, könntest Du auch gleich kommen???“
Harry stöhnte. „Sag mal, weißt Du eigentlich, wie spät es ist? Gibt es bei Dir auch noch eine andere Option, außer sofort und am besten schon gestern?“
„Entschuldige, aber wir brauchen alle Zeit, die uns noch zur Verfügung steht! Ich hol Dich auch ab, okay?“ Harry knurrte und machte sich frisch, um wieder wach zu werden.
Punkt halb zwölf in der Nacht stand Nick in Harrys Wohnungstür und gemeinsam fuhren sie in die Tanzschule. Neben Nick und Harry waren auch Cindy und Kathreen gekommen. Fragend sah Harry in die Runde. „Und wo ist meine Tanzpartnerin?“
„Zu Hause. Wir zeigen Dir, was Du machen musst. Kathy wird Deine Trainingspartnerin sein“, erklärte Cindy.
„Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?“
„Wenn Du Kathy fallen lässt, ist es nicht ganz so schlimm, als wenn Du …“
„Hallo?!“, beschwerte sich sofort Kathreen.
„War ein Scherz, Harry lässt Dich schon nicht fallen“, verbesserte sich Nick. Noch immer ungläubig schaute Harry in die Runde.
„Los, kommt, lasst uns keine Zeit vertrödeln! Wir haben viel vor, und uns bleibt nur noch wenig Zeit.“
Harry seufzte. Kathreen tat es ihm gleich.
Während sich Kathreen und Harry mit Dehnübungen warm machten, betrat Samuel mit einem Gipsbein und Krücken die Halle. „Wie hast Du denn das hinbekommen?“, fragte auch sogleich Cindy, die gerade weiche Filzmatten am Boden auslegte, um unnötige Verletzungen der Muskeln und Knochen der Tänzer zu vermeiden.
„Ich bin die Treppe heruntergestürzt. Sie war ein wenig glatt, dank dem auf einmal eingetretenen Schneefall“, erzählte Samuel. „Sorry, Harry, war echt nicht Absicht! Aber trotzdem danke, dass Du für mich einspringen willst.“
„Von wollen kann hier gar keine Rede sein, eher von Erpressung!“, kam es nicht gerade begeistert von Harry. „Aber ich kann Euch ja nicht im Stich lassen. Außerdem ist eh alles nur ein Versuch! Ich kann Euch nicht versprechen, dass das hier hinhaut.“ Alle waren Harry dankbar. Nick und Cindy zeigten Harry dann, was er gemeinsam mit Kathy zu machen hatte.
Harry schwirrte nur vom Zuschauen schon der Kopf: „Ich muss verrückt sein, hier nachts um halb eins einen Tanz einzustudieren, den ich eh nicht gebacken kriege?!“
„Harry!“, protestierten sofort die anderen vier.
„Aber was tut man nicht alles für seine Freunde …“, seufzte Harry. Sogleich atmeten alle anderen wieder erleichtert auf.
Harry kam nicht umhin amüsiert zu grinsen, ehe er dann fragte: „Warum tanzt Du, Nick, eigentlich nicht diesen Tanz mit Kathy?“
„Weil ich Trainer und nicht Tänzer bin. Es gäbe sofort Punktabzüge, außerdem bin ich bereits über dreißig und zähle somit nicht mehr in die Kategorie der Twentys. Kathy hat den Tanz früher einmal getanzt, doch sie hat es im Rücken und darf die Hebefiguren nicht mitmachen. Deswegen ist ja auch noch Cindy hier“, erklärte Nick. Harry seufzte und fügte sich erneut seinem Schicksal. Gegen vier Uhr am Morgen machten sie vorerst einmal Schluss und man verabredete sich für den nächsten Nachmittag, um weiter zu proben.
Harry war schon weit vor der Zeit in Nicks Tanzschule und übte mit Nick trocken die Tanzschritte. „Sag mal, Nick, wer ist eigentlich Samuels Tanzpartnerin und warum war sie letzte Nacht nicht mit anwesend? Zudem ist bislang noch nicht ein einziges Mal ihr Name gefallen. Ist der geheim?“, fragte Harry, den diese Frage schon die ganze Zeit beschäftigte, auf einmal mitten im Tanzen. Sogleich kam Nick ins Stolpern. Harry hörte sofort auf zu tanzen und sah Nick eindringlich an. „Hast Du mir irgendetwas verschwiegen?“
Nick schluckte. „Nun, bei Samuels Partnerin handelt es sich um keine geringere als Isabel Canningham.“
Harry zog die Stirn kraus und brauchte mehrere Versuche, ehe aus seinem Hals ein Wort kam: „Und wann hattet ihr vor, mir das zu sagen?“
„Ehm, eigentlich gar nicht. Erst beim Turnier solltet ihr aufeinander stoßen“, gestand Nick kleinlaut.
Harry atmete tief durch. „Ihr wolltet also auf Konfrontationskurs gehen?“
„Nein! Wir dachten, es sei für Dich und Isabel so am besten.“
„Inwiefern? In der Hoffnung, dass dann keiner von uns beiden mehr einen Rückzieher machen kann? – Nick, ich finde es ja rührend, wie ihr Euch alle um das Wohl von Isabel und mir sorgt. Aber ich glaube kaum, dass Isabel mit mir tanzen wird. Dieser Verrat wird vielmehr dazu führen, dass sie weiterhin oder erst recht wieder wütend auf mich wird. Und das ist etwas, was ich im Moment überhaupt nicht gebrauchen kann!“
„Harry! Bitte hör mir zu: Mir war schon klar, dass Du über kurz oder lang genau mit dieser Frage, wer Deine Tanzpartnerin ist, zu mir kommen würdest. Ich hatte auch nicht vor, Dich anzulügen oder Dich im Unwissen zu lassen. Doch hätte ich Dir am ersten Tag, an dem Du hierhergekommen bist, gesagt, wer die Dame da unten ist, der du so begeistert beim Tanzen zugesehen hast, wärest Du rückwärts sofort wieder aus der Halle entschwunden und ich hätte dann zusehen können, wo ich einen tragbaren Ersatz für Michelle herbekommen hätte. Dass Samuel nun auch noch ausfällt, das war doch überhaupt nicht geplant! Janes Grundgedanke war der, dass ihr Euch eventuell durch Zufall hier getroffen hättet oder eben beim Turnier unweigerlich über den Weg hättet laufen müssen; in der Hoffnung, dass ihr so wieder zueinander finden würdet.“
„Jane? Jane??? Oh, Jane!!!“, schrie es wütend aus Harry heraus.
„Ja, Deine Schwägerin. Harry, sie meint es doch nur gut!“
„Isabel und ich waren doch überhaupt nicht zusammen!“
„Ich weiß doch, ich meinte zu einem Gespräch wieder zueinanderfinden …“
Harry seufzte heftig. „Oh je!“
„Entschuldige …“
„Schon gut, aber hat es denn jetzt überhaupt noch einen Sinn weiter zu trainieren? Isabel tanzt eh nicht mit mir!“, offenbarte Harry fest überzeugt.
„Das glaube ich nicht“, kam es von Samuel, der gerade in die Halle gehumpelt kam. Fragend sahen sich Nick und Harry zu ihm um. „Ich habe ja nun genug Wochen mit Isabel zusammen verbracht und ich weiß, dass sie nicht so kalt Dir gegenüber ist, wie sie immer tut“, begann Samuel zu erzählen.
„Was meinst Du damit?“, fragte Harry.
„Nun ja, in den Gratisübungsstunden war Isabel mit ihrer Freundin Anabel hier und die zog Isabel ständig damit auf, wie sie Dich wohl einen Abend lang im Club angestarrt hat. Am Ende gab Isabel sich geschlagen und gestand, dass Du wohl an dem Abend ihr Herz hast höher schlagen lassen.“
„Bitte was?!“, kam es sofort von Harry. Er glaubte, sich verhört zu haben und bekam sogleich rote, hektische Flecken im Gesicht. Nick grinste. Verwirrt sah Harry Samuel an. „Samuel, ich weiß zwar nicht, was Du da mit angehört hast, aber Isabel kann mich nicht leiden!“
„Das war einmal“, sagte Samuel offen. „Nachdem die Gratisstunden vorbei waren, kam Anabel nicht mehr mit, da sich herauskristallisierte, dass Isabel mehr einen Faible für Standard als für Freestyle hatte. Bei Anabel ist es genau umgekehrt und da ihr die Preise hier ein wenig zu hoch sind, blieb sie lieber in der Freestyle-Gruppe im Fitnesscenter und Isabel kommt seitdem allein hierher zum Tanzen. Nachdem sie ein wenig Vertrauen zu mir aufgebaut hatte, fragte ich sie einmal völlig unverfänglich, was sie von Dir hält. – Ich erzählte ihr natürlich, dass ich ihr Gespräch mit Anabel mitbekommen habe und es nicht gerade toll fand, wie Anabel über sie und Dich hergezogen ist.“
„Und?!“, fragte Nick ganz gebannt.
„Tja, da verriet sie mir, dass sie sich in Harry anscheinend getäuscht habe …“
„Und ich doch nicht so ein arroganter Arsch bin, wie sie immer zu meinen glaubt?!“ Irritiert sah Samuel zu Harry. Er schmunzelte. „So ähnliche Worte hat ihre Mutter einmal verwendet, als sie mir von Isabel und ihrer Einstellung zu mir erzählte.“
„Du kennst ihre Mutter?“, fragte Samuel entgeistert.
„Das ist eine lange Geschichte …“
„Ja, und die wird ein andermal erzählt. Denn wir haben keine Zeit, wir müssen zwei Tänze mit Dir einstudieren! Vielleicht kannst Du Isabel damit ja weiter beeindrucken …“, kam es kurzerhand von Nick, der auf die Uhr geschaut hatte und feststellen musste, dass sie bereits eine ganze Stunde vertrödelt hatten. – „Du machst doch weiter, oder nicht?!“
„Bitte!“, bat Samuel.
„Klar mache ich weiter! Nachdem ich erfahren habe, was Isabel wirklich über mich denkt. Wer weiß, vielleicht habe ich ja tatsächlich noch eine Chance bei ihr? Ich gebe mir jedenfalls alle Mühe!“
Samuel und Nick schmunzelten.
Drei Stunden später war Harry völlig fix und fertig. Ihm taten alle Knochen weh und er hatte das Gefühl, er hätte gerade einen Marsch von zehn Meilen samt kompletter Militärausrüstung hinter sich, statt nur mit Kathreen, die kurz darauf hinzugekommen war, getanzt zu haben.
„Harry, Du hältst Dich wirklich gut. Ich hätte nicht gedacht, dass mir mit Dir zu tanzen einmal so viel Spaß machen würde“, gestand Kathreen nach dem Training.
„Lass das aber lieber nicht Jim hören. Nachher wird er auch noch eifersüchtig auf mich. Mir reicht es schon, dass ich mich immer gegen meinen Bruder verteidigen muss!“
Kathreen lachte. „Wie? Wills ist auf Dich eifersüchtig? Wie kommt das denn? Jetzt sag nicht, wegen Jane …“
Harry grinste. „Doch!“
„Ach Du Schreck! Weiß William etwa nicht, wie sehr Jane ihn anhimmelt? Wenn die beiden sich in die Augen schauen, dann knisterst!“
„Klar weiß er, dass Jane ihn abgöttisch liebt! Aber schließlich bin ich ihr bester Freund und dazu noch sein Bruder. Es ärgert ihn einfach nur ein bisschen, dass Jane manchmal mit mir Sachen bespricht, von denen er nichts erfährt“, gestand Harry selbstgefällig grinsend.
„Na, wenn Du so vor William herumstolzierst, wäre ich wahrscheinlich auch eifersüchtig; obwohl ich Dir ja eher das aufgeblasene Gehabe einfach herausprügeln würde …“
„Kathy?!“, rief Harry warnend und schon rannten die beiden durch die Turnhalle.
„Hallo? Geht’s noch?! Wollt ihr zwei Euch jetzt auch noch die Haxen brechen??? Dann brauchen wir Samstag erst gar nicht beim Wettkampf aufkreuzen!!!“, kam es wütend von Nick.
„Uh! Samstag ist das schon? Oh Gott, ich glaube, mir wird schlecht!“
„Was denn nun, kriegt da etwa ein gewisser Großkotz kalte Füße? Mensch Harry, denke doch einfach an Isabel und schon geht alles wie von selbst!“, kam es prompt von Kathy.
„Das ganze Gegenteil ist der Fall! Ich darf halt nicht an Isabel denken, sonst stolpere ich noch über meine eigenen Füße, weil ich mit dem Kopf nicht bei der Sache bin!“, entgegnete Harry.
„Wow! Da hat ja jemand die erste Grundregel beim Tanzen behalten!“, stellte Samuel freudig überrascht fest. „Aber keine Sorge, Nick und ich kümmern uns um Isabel. Sie wird mit Dir tanzen, dafür verwette ich mein gesundes Bein!“ Fragend sah Harry Samuel an. „Wie wir das anstellen, bleibt unser Geheimnis.“ Kathy und Harry zogen beleidigt eine Schnute. Samuel grinste.
„Ach ja? Dann weißt Du aber mehr als ich!“, kam es nun ganz unerwartet von Nick. Samuel verging sofort das Grinsen, doch dafür verfielen die anderen zwei in ein amüsiertes Lachen. „Ha, ha, wie lustig! Na gut, Feierabend für heute. Morgen noch einmal und dann kann uns eh nichts mehr retten“, erwiderte Nick.
„Danke!“, sagte Harry beleidigt.
„Ehm, Verzeihung! Ich meinte natürlich halten … Wir bringen den Pott nach Hause!!!“
Trotz aller Überzeugungskraft nahm Nick niemand mehr ernst.
„Ihr seid sowas von gemein! Macht, dass ihr wegkommt! Ich will Euch vor morgen vier Uhr hier nicht mehr sehen!“
Gemeinsam zogen Kathy, Samuel und Harry lachend von dannen.
„Sag mal, Samuel, weiß Isabel überhaupt, dass Du ein Gipsbein hast?“, kam es kurz darauf Harry in den Sinn. Ernst schaute Samuel Harry ins Gesicht, was so viel wie ‚Nein‘ hieß. „Oh ha! Na dann, Gute Nacht! Da bin ich ja nun wirklich einmal gespannt, wie Du das Isabel Samstag beibringen willst.“
„Das lass ruhig meine Sorge sein … Du ruhe Dich stattdessen lieber noch ein bisschen aus, damit Du ja fit bist!“, sagte Samuel, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
„Okay, dann also bis morgen.“