Читать книгу Regulus Tenebris - Prinz der Finsternis - Christine Engel - Страница 5

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Die Dunkelheit hatte sich bereits über die Stadt gesenkt und die Wolken warfen im fahlen Licht des Mondes dunkle Schatten in die dreckige, finstere Seitenstraße von Memphis. Der kühle Wind blies eine leere Tüte in die Luft, wirbelte sie herum und senkte sie ab, ehe er sie erneut erfasste und nach oben wehte. Weit hinten in der Straße schillerte silbern eine leicht flimmernde Luftbewegung. Sie war für menschliche Augen nicht wahrnehmbar.

Gerade trat Peter Horar aus diesem Dimensionstor heraus und sah sich rasch um. Dabei wippte eine Locke seines blonden Haares auf seiner Stirn und er strich sie gedankenverloren zurück, als sie in sein Auge fiel. Seine restlichen Haare waren recht kurz geschnittenen. Rasch sah er sich in der Nebenstraße um, aber niemand hatte sein Auftauchen hier bemerkt. Die Straße war menschenleer. Das war gut, denn Peter war sich sicher, dass er ansonsten durch seine beträchtliche Körpergröße und sein attraktives Äußeres auffallen würde. Aber auch wenn das passierte, würde er die Situation retten können, denn sein gewinnendes Lächeln hatte sein Gegenüber bisher stets perfekt täuschen können. Der teure, elegante Maßanzug verlieh ihm außerdem das Aussehen eines erfolgreichen Geschäftsmannes. Aber so gut Horar auch äußerlich aussah, so hässlich und verdorben war er in seinem Inneren. Er war geradezu davon besessen, Macht und Reichtum zu erlangen. Als er noch ein Mensch gewesen war, hatte er dafür dem Fürsten der Dämon seine Seele angeboten und war erhört worden. Auf der Erde war er dadurch damals zu einem der mächtigsten und erfolgreichsten Männer der Welt aufgestiegen. Gnadenlos hatte er seine Ziele verfolgt und alle, die ihm im Weg standen, ausradiert. Peter Horar hatte sein Leben in vollen Zügen genossen. Nach seinem Tod allerdings hatte er erkennen müssen, dass er für das, was er erhalten hatte, auch zahlen musste. Der Fürst forderte seine Seele und brachte sie in seine Dimension, nach Abyss. Die Energien der dorthin kommenden Seelen gaben dem Fürsten Kraft und Energie.

Abyss hatte ein extrem heißes Klima und war ein dunkler Ort, weshalb ihre Bewohner und andere Wesen diese Dimension auch als Unterwelt oder Hölle bezeichnet. Der Fürst der Dimension wurde so zum Fürsten der Finsternis, zum Herr der Hölle oder auch zum Herrn der Unterwelt.

In Abyss war Horar, als junger Dämon und ehemaliger Mensch zuerst völlig machtlos gewesen. Die älteren Dämonen und die wenigen geborenen Dämonen verfügten über Kräfte, Fähigkeiten und Privilegien. So war es beispielsweise nur älteren Dämonen gestattet, die Dimension zu verlassen. Peter Horar hatte zuerst sogar seine Körperteile als Nahrung verkaufen müssen, um zu überleben. Die Körperteile wuchsen ihm zwar wieder nach, aber die Prozedur war langwierig und schmerzhaft. Später hatte er erkannt, dass er seine Dienste einem anderen Dämon anbieten konnte. Für seine Arbeit erhielt er dann etwas Schutz, Unterkunft und Nahrung. Aber erst die Tötung eines Dämons brachte ihm dessen restliche Seelenenergie und die magische Macht dieses Wesens ein. Auch der Besitz und der Reichtum des ausgelöschten Dämons ging damit auf Peter über. So waren die Regeln hier. Wer stark genug war, konnte sich in dieser Höllendimension nehmen, was er wollte. Er musste es dann nur weiterhin gegen die anderen verteidigen können. In Abyss herrschte das Gesetz des Stärkeren.

Peter Horar konnte den neu erworbenen Besitz halten, aber seine Bedeutung blieb weiterhin nur sehr gering, denn Horars Opfer hatte nicht viel besessen, nur eine Wohnhöhle ohne nennenswerten Komfort. Aber die mit übernommene magische Fähigkeit war erfreulich gewesen. Peter konnte nun Dimensionstore dort erschaffen und dorthin legen, wohin er sie haben wollte. Diese begehrte Fähigkeit hatten nicht viele Dämonen. Alle anderen mussten die bereits bestehenden Tore benutzen. Aber dem ehrgeizigen Peter Horar reichte das nicht. Er wollte mehr. Auf der Erde hatte er den Genuss von Reichtum kennengelernt und dann durch seinen Tod alles unwiderruflich verloren. Deshalb versuchte Horar akribisch, sein Reich in Abyss zu vergrößern. Aber seine Bemühungen waren bisher ohne nennenswerten Erfolg gewesen. Er war ihm noch nicht gelungen, sich in dieser Dimension einen Namen zu machen. Obwohl sein Besitz langsam anstieg, blieb er doch in den Augen der anderen Dämonen weiterhin mickrig. Peter gierte förmlich danach, seine Macht und seinen Einfluss weiter zu vergrößern, damit er die Anerkennung erhielt, die er anstrebte.

Wenigstens war er mittlerweile so alt, dass es ihm erlaubt war, die Dimension zu verlassen. Verließen junge Dämonen unerlaubt Abyss, wurden sie gejagt und die restliche Seelenenergie wurde ihnen entzogen, sie wurden ausgelöscht und hörten auf zu existieren. Damit sollte verhindert werden, dass die Menschen von dieser Dimension erfuhren. In den Mythen und Religionen der Menschen gab es jedoch schon lange Informationen über die Höllendimension Abyss, aber nichts davon konnte bisher bewiesen werden und so sollte es auch bleiben.

Horar nutzte seine Fähigkeit, Dimensionstore zu erschaffen, um Menschen in die Unterwelt zu bringen. Er erhielt zwar nicht ihre Seelenenergie, denn das stand nur dem Fürsten der Finsternis selber zu, aber er verkaufte die Menschen in Abyss als Nahrung oder Arbeitskräfte. Das hatte sich als recht lukrativ erwiesen. Durch ihren Verkauf hatte Peter Horar seinen Reichtum in den letzten Jahren tatsächlich beträchtlich steigern können. Jetzt verfügte er selbst bereits über Dämonen, die für ihn arbeiteten, und Kriegsdämonen, die seinen Besitz verteidigten. Aber es reichte ihm immer noch nicht. Er wollte noch viel mehr! Also holte er weitere Menschen hier her. Das einzige Problem bestand darin, dass die Menschen freiwillig mit ihm in die Dimension kommen mussten. Eine weitere Regel, die Horar sehr bedauerte. Aber er hatte es trotzdem geschafft, viele Menschen nach Abyss zu bringen. Er versprach seinen Opfern alles Mögliche und wie Schafe folgten sie ihm alle freiwillig. Wenn sie erst in Abyss angekommen waren, gab es für sie jedoch keinen Weg zurück. Nur Dämonen konnten bestehende Portale sehen und öffnen, für Menschen blieben sie verborgen und verschlossen.

Das Tor, was er gerade benutzt hatte, verband die Erde mit der Höllendimension. Bösartig grinsend ging er die Straße hinunter zu den zahlreichen Nachtlokalen der Stadt. Mit dem geübten Blick eines Jägers sah er sich um. Es dauerte nicht lange und schon fand er in einer Bar das perfekte Opfer. Erneut glitt ein berechnendes Lächeln über seine Züge, während er die junge Frau abschätzend musterte. Sie sah seinen Blick und lächelte den gut aussehenden Mann aufmunternd an. Horar ging lächelnd auf sie zu, während er sich ausrechnete, was er für sie erhalten würde. Sie war seine bevorzugte Beute, blond, unwissend und leichtgläubig. Er sprach sie an, umschmeichelte sie und überredete sie, ihm nach Hause zu folgen. Wo dieses zu Hause lag, verschwieg er ihr. Lächelnd verließ er mit ihr am Arm die Bar. Sie schmiegte sich an ihn und folgte ihm nur zu gerne die Straße hinunter. Verliebt hing sie an seinem Arm und sah zu ihm hoch, wobei sie sein Lächeln erwiderte. Sie hatte ihren Kopf gegen seinen Oberarm gelegt und ihre blonden langen Haare lagen über seinem Anzug. Immer wieder schloss sie leicht angetrunken die Augen. »Erst wenn man draußen ist, merkt man, wie stickig es dort war, nicht wahr?«, fragte sie leicht nuschelnd, während sie sich, ohne weiter darüber nachzudenken, von ihm in die dunkle Seitenstraße führen ließ.

»Du folgst mir freiwillig?«, fragte er sie nun.

»Ja, Peter! Dir würde ich bis ans Ende der Welt folgen.« Sie schaute zu ihm auf.

»Das ist gut zu wissen!« Er grinste hinterhältig, aber die junge Frau sah es im Dämmerlicht der Nacht nicht. Rasch trat er mit ihr durch das Portal. Im nächsten Moment wehte ihnen schon der heiße Wind von Abyss um die Köpfe.

Peter atmete die fast kochende Luft genussvoll ein.

Die Dimension passte wirklich gut zu der Vorstellung der Hölle in der Bibel. Sie wirkte wie ein Stück glimmende Kohle. Von dem stellenweise rot glühenden Boden stieg die extreme Hitze empor. Der Himmel war rötlichgrau bis violett und fast dunkel. Man musste sich erst daran gewöhnen, ehe man in dem Dämmerlicht wirklich etwas erkennen konnte. Das meiste Licht stammte von dem glühenden Boden und einem Lavafluss, der sich in der Nähe des Portals dahin schlängelte. Aber auch außerhalb dieses Lichts war alles nur ein schwarzgraues Nichts. Es war nicht wirklich hell und auch nicht wirklich dunkel. Aber hier, wo sie jetzt standen, strahlte der Boden etwas Helligkeit ab, sodass man erkennen konnte, wo man stand. Aber auch extreme Hitze entströmte dem Untergrund. Der Wind blies ihnen diese heiße und mit Ascheteilchen angereicherte Luft entgegen.

Die junge Frau hatte das Gefühl, als würde ihre Lunge beim Einatmen an zu brennen fangen. Entsetzt sah sie sich um und klammerte sie sich panisch an Horar. »Peter, was ist los? Wo sind wir? Wie sind wir hierhergekommen?«, halb erstickt war die verwirrte junge Frau kaum zu verstehen. Ihre vor Entsetzen aufgerissenen Augen sahen sich verständnislos um.

»Willkommen in Abyss oder auch in der Unterwelt, wie es von vielen ebenfalls genannt wird.« Peters Stimme klang kalt und emotionslos. Sie hatte den einschmeichelnden Ton verloren, mit dem er seine Opfer einlullte, um die Menschen durch das Portal zu locken. Er hatte schon erreicht, was er wollte. Die neue Ware war da. Er sah sie abfällig an. »Sieht hier doch wirklich aus wie die Hölle, oder?«

Sie nickte. »Was machen wir denn hier?«

»Immer diese Fragen. Wo sind wir hier? Wie kommen wir her? Was machen wir hier? Man das nervt!« Horar packte die Frau fester am Arm und zog sie mit sich. Ihr fehlte die Kraft sowie die Luft, sich ihm zu widersetzen. Einer seiner dämonischen Lakaien stand schon auf dieser Seite neben dem Portal bereit und ergriff den anderen Arm der jungen Frau.

Entsetzt starrte sie den Dämon an. »Peter, wer ist das?«

Horar schüttelte nur den Kopf. »Das hat dich nicht mehr zu interessieren.« Gemeinsam mit dem anderen Dämon zerrte er die junge Frau hinter sich her zu der sich in der Nähe befindenden Höhle.

In der Höhle war die Hitze geringer. Die massiven Felswände hielten die unerträgliche Hitze etwas fern und ermöglichten so das Überleben der mittlerweile fast ohnmächtigen Frau. Die Luftnot und die Hitze hatten sie beinahe bewusstlos werden lassen. Schlaff hing ihre Gestalt zwischen den beiden Dämonen. Denen machte die Hitze hingegen nichts aus. Immer tiefer zerrten sie die Frau hinter sich her in das Höhlensystem hinein. Ihre Füße schliffen streckenweise über den Boden, aber die Männer hielten nicht an. Erst in einer größeren Höhle mit hoher Decke blieben sie stehen. Dies war eine der Höhlen, die Horar als seine Unterkunft betrachtete. Hier gab es einige Steinbrocken, die als Sitze genutzt wurden.

Auf einem der Steine saß ein weiterer Mann und sah den Ankommenden interessiert entgegen. Mitleidslos beobachtete er, wie die Frau kraftlos zu Boden fiel, als die beiden Dämonen sie einfach losließen. Keuchend lag sie da und bemühte sich wieder zu Atem zu kommen.

Der Besucher trug eine schwarze Lederhose, ein braunes Hemd mit einer Manschette um das Handgelenk sowie eine ebenfalls schwarze Lederweste mit silbernen Schließen darüber. Es gab reichlich Nieten und Zacken auf der Weste.

Peter sah ihn überrascht an. »Hallo Wago! Was machst du denn hier? Warte einen Moment! Ich habe gleich Zeit für dich!« Dann drehte er sich zu einem an der Seite der Höhle stehenden einzelnen hölzernen Stuhl um. Darauf lag ein aus Holz gefertigter Halsring. Man konnte ihn an einer Seite öffnen und Scharniere ermöglichten dann sein Aufklappen. Peter nahm den Halsring und deutete seinem Lakaien an, die immer benommenen Frau aufzuheben.

Sofort bückte dieser sich zu ihr hinunter und hob sie wieder auf.

Nun legte Peter der Frau den Ring um den Hals. Er grinste sie dabei widerlich an. »Du sagtest mir doch, dass du Schmuck liebst. Habe ich dir zu viel versprochen? So etwas trägt nicht jeder!«

Kraftlos versuchte sie sich den Ring vom Hals zu ziehen. »Was soll das alles? Ich verstehe das nicht!« Ängstlich sah sie sich um und hielt sich verdattert an Peter aufrecht. Ihr Verstand ließ sie immer noch nicht erkennen, was eigentlich geschehen war. Dafür war das Geschehen hier viel zu unwahrscheinlich.

Wago hatte geduldig auf Horar gewartet, aber jetzt stand er auf und kam auf ihn zu. Sein vernarbtes Gesicht wies auf zahlreiche Schlachten hin, die er durchgestanden und überlebt hatte. Meistens zeigte es deutlich, was er dachte. Jetzt jedoch war es ausdruckslos.

Horar sah ihm misstrauisch entgegen. »Wago, mein Freund. Kannst du noch einen Moment warten?«

Wago blieb vor Peter und der Frau stehen, sah aber sie und nicht ihn dabei an. »Entschuldige mein plötzliches Auftauchen. Es lag nicht in meiner Absicht, dich in deinen Geschäften stören«. Seine wild aussehenden Haare waren dunkel und standen in alle Richtungen ab. Er wickelte sich eine blonde Haarsträhne der verstörten Frau um den Finger. »Netter Fang, den du da gemacht hast!«

Die Frau trat wieder dichter an Peter heran, klammerte sich ihn und wich ängstlich vor dem dunklen, muskelbepackten Kriegerdämon zurück.

Peter aber lachte nur, machte sich von ihr los und schob sie weg. »Du weißt ja, ich habe in den nächsten Tagen eine Auktion, da brauchte ich noch etwas Ware. Wenn du an ihr interessiert bist, dann …«

Wago sah die Frau noch einmal bedauernd an, ehe er sich abwandte. »Deshalb bin ich nicht hier mein Freund.« Er ging ein Stück zur Seite und drehte sich dann zu Horar zurück. »Ich werde es endlich tun! Ich werde endlich etwas gegen die Missstände hier unternehmen. Es geht nicht an, dass es immer mehr Dämonen werden, nur damit unser Fürst genug Energie bekommt. Wir treten uns ja fast schon auf die Füße, wenn wir nur stehen. Ich bin diese Fehlherrschaft und die Bevormundung endgültig leid. Ich habe mich entschieden: Ich werde den Aufstand anführen und den Vollstrecker des Fürsten angreifen. Regulus Tenebris war die längste Zeit hier die ausführende Gewalt.«

Peter riss überrascht die Augen auf. »Du wagst es, dem Prinzen der Finsternis entgegenzutreten?«

Wago nickte ernst. »Es ist überfällig. Seine Arroganz wird nur noch durch die des Fürsten selbst übertroffen. Die beiden haben die Macht, die sie innehaben, nicht verdient. Mir ist egal, dass sie gebürtige Dämonen sind. Ich werde mir jetzt endlich ein Stück vom Kuchen abschneiden.«

Verschlagen kniff er die Augen zusammen. »Was genau hast du vor?«

»Nicht nur ich, Tarek und Sohan sind ebenfalls mit von der Partie. Wir werden Regulus Tenebris vernichten und seinen Besitz unter uns aufteilen.«

Peter kannte die beiden anderen Dämonen ebenfalls. Sie waren schon deutlich älter als Wago und er selbst und gehörten mit Wago zu Regulus Tenebris stärksten Kritikern. Es waren zwar viele Dämonen unzufrieden, aber die drei gehörten zu den Mächtigsten und Stärksten unter ihnen. »Die beiden alten Kriegsdämonen sind auch dabei?«

Wago nickte und musterte sein Gegenüber genau. »Ich hatte dabei auf deine Unterstützung gehofft. Mit deiner Fähigkeit ist es uns ein Leichtes, Tenebris zu überwältigen und ihm sein Land zu nehmen.«

»Ihr wollt Tenebris wirklich ein Stück seines Reiches streitig zu machen?« Peter schüttelte ungläubig den Kopf. Aber seine Gedanken arbeiteten bereits. »Wie kannst du dich auf so etwas einlassen? Bist du denn wahnsinnig? Er wird euch vernichten.«

»Nein! Wir wollen ihm kein Land stehlen, sondern ihn ganz auslöschen und so seines Amtes entheben. Mit seiner magischen Energie können dann den Fürsten besiegen. Wir haben eine starke Armee. Zahlreiche Dämonen stehen uns zur Verfügung, daher sind wir ernst zu nehmende Gegner für Tenebris. Und wenn du mitmachst, dann haben wir schon so gut wie gewonnen.«

Peter Horar wusste, Wago wollte, dass er ihm Portale öffnete, damit sie Tenebris in den Rücken fallen konnten. Aber er zögerte sich darauf einzulassen. Ihm war zwar bewusst, dass die drei Dämonen mächtige Krieger waren. Und ja, es stimmte, sie verfügten auch über reichlich kampferfahrene Männer. Gemeinsam könnten sie Tenebris sicherlich ernste Schwierigkeiten machen und wenn er sich mit ihnen verbünden würde, hätten sie gemeinsam wahrscheinlich auch wirklich die gute Chance, etwas gegen den Prinzen auszurichten und sich anschließend an Tenebris Besitz bereichern. Aber Wago strebte ebenso nach Macht wie Horar selbst. Das bedeutete, Horar würde auch im Falle eines Sieges gegen den Prinzen der Finsternis am Ende nichts davon haben. Denn Wago war bekannt dafür, seine Verbündeten hinterher ebenfalls zu vernichten. Innerlich schüttelte Peter bereits den Kopf und verneinte das Angebot. Aber seine Gedanken wanderten weiter. Wenn sich Tenebris und die drei Kriegsdämonen jedoch bekriegten, war Regulus Tenebris sicherlich ziemlich beschäftigt. Unterdessen hätte Peter die Gelegenheit dem Prinzen ein kleines, unbedeutendes Stück seines Reiches zu nehmen. Das würde er während des Krieges mit Wago gar nicht bemerken. Ja, das war ein guter Gedanke. Er nickte und lächelte hinterhältig.

Wago beobachtete seine Reaktion und erwartete daher bereits seine Zustimmung. Er rieb sich in Vorfreude auf den Krieg bereits die Hände.

»Nein, ich werde dich nicht gegen Tenebris unterstützen.«

»Was?« Überrascht hielt Wago nun inne und starrte Horar an. »Aber wieso das denn nicht?«

»Ich denke, ich werde weiterhin versuchen, mit dem Verkauf der Menschen den Reichtum zu erringen, den ich haben will. Euer Weg ist mir zu gefährlich! Tenebris ist einfach zu mächtig. Er ist nicht nur ein Meister in der Illusion, sondern auch in der Kriegskunst. Nicht umsonst ist er hier unten seit Jahrhunderten derjenige mit der größten Macht. Er nimmt die Magie der getöteten Dämonen immer wieder in sich auf.«

»Nein, er hat die meiste Macht, weil der Fürst der Finsternis sein Vater ist. Er wurde schon so geboren.«

»Okay, das kommt noch dazu. Noch ein Grund mehr, ihm lieber aus dem Weg zu gehen und zu vermeiden, ihn zu verärgern. Er wird euch alle auslöschen. Dann habt ihr nichts mehr von eurer Macht. Bisher konnte er noch jeden Versuch, ihm seine Rolle als Wächter, Richter und Henker streitig zu machen, blutig zurückgeschlagen. Nur durch die Angst vor ihm halten sich die meisten Dämonen hier unten an die Regeln. Wer es nicht tut, wird von ihm ausgelöscht. Nein Wago, das ist mir zu heikel. Da mache ich lieber nicht mit.«

»Dann bist du ein Feigling.« Verächtlich sah Wago ihn an. »Ich hatte dich für mutiger gehalten. Mit deiner Hilfe könnten wir gewinnen!«

»Dann frag doch Lexus. Der kann ebenfalls Portale erschaffen.«

Wago wog den Kopf hin und her. »Daran habe ich auch schon gedacht, aber Lexus ist uns zu unzuverlässig. Außerdem ist er nicht so vertrauenswürdig wie du. Er könnte sich hinter unserem Rücken mit Tenebris zusammentun.«

Das wäre auch eine Möglichkeit, schoss es Peter durch den Kopf. Aber dann verwarf er den Gedanken sofort wieder. Wago hatte mit Lexus natürlich absolut recht. Man konnte ihm nicht trauen.

»Es ist deine Chance, dich deutlich zu verbessern. Das willst du doch.« Der Kriegsdämon lächelte Peter an, wie ein Schuhverkäufer, der den Kunden von seinem Produkt überzeugen will.

Aber Horar schüttelte den Kopf. »Ich bin schon zu weit gekommen, um alles, was ich habe, wieder auf Spiel zu setzen. Nein! Das läuft ohne mich!«

Dieser kniff die Augen argwöhnisch zusammen und hob den Zeigefinger. »Ich warne dich Peter, wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Wehe, ich stelle fest, dass du Tenebris warnst.«

Er riss entgeistert die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Nein, das würde Regulus Tenebris auch nicht gutheißen. Deshalb könnte ich dabei auch nichts gewinnen. Dankbarkeit war noch nie sein Ding!«

»Ich hoffe, ich muss nicht feststellen, dass du dich doch eingemischt hast.«

Peter schüttelte erneut den Kopf. »Nur so aus Neugier, wie kommst du überhaupt auf den Gedanken, dass ihr Tenebris jetzt schlagen könnt? Was hat sich geändert? Hast du neue Kraft gewonnen?«

»Das nicht, aber er ist in der letzten Zeit ruhiger geworden und scheint er nicht mehr kämpfen zu wollen. Das ist unsere Chance, wenn du deinen Mut doch noch zusammennimmst.«

»Vergiss es! Das ist mir zu unsicher. Wenn du keinen Menschen kaufen willst, dann bist du hier falsch.« Er sah den dunkeln Kriegsdämon abwartend an.

Wago sah ihn noch einen Moment schweigend an, dann drehte er sich um und verließ die Höhle.

Peters Blick fiel auf die Frau.

Sie stand dicht neben ihm und heulte fürchterlich. Sie wagte aber nicht mehr, ihn zu berühren. Jetzt, wo Wago gegangen war, fragte sie zaghaft: »Peter, kannst du mich zurück nach Hause bringen?«

»Was gefällt es dir hier nicht? Du wolltest doch bis ans Ende der Welt mit mir gehen! Willkommen, du bist da!« Er grinste sie überheblich an.

Sie trat zögerlich auf ihn zu und legte ihm flehentlich die Hand auf den Arm. »Peter, ich möchte lieber wieder nach Hause. Bitte bring mich zurück!«

Peter machte sich energisch von ihr los und schob sie weg. »Das kannst du vergessen. Du wirst mir schon ein schönes Sümmchen einbringen.« Das gerade war sein Lieblingsmoment. Immer wenn die Menschen ihn anflehten und bettelten, genoss er es in vollen Zügen. Aber jetzt war er einfach nicht in der Stimmung dazu. Wago hatte alles versaut! Sein Angebot hatte ihn nachdenklich werden lassen. »Verdammt, bring sie endlich weg«, fuhr er den Lakaien an. »Das Geheule nervt mich.« Er schob sie zudem Dämon hinüber und ignorierte ihre schrille, jammernde Stimme. »Gibt es für die Auktion noch bestimmte Bestellungen, die ich besorgen muss?«, erkundigte er sich stattdessen.

»Ja noch fünf Weitere, Herr. Die Blondine haben Sie bereits besorgt, dann fehlen noch eine weitere Frau, zwei saftige Kinder, vorzugsweise Jungen und zwei kräftige Männer für die Minen. Damit würden wir dann alle eingegangenen Bestellungen befriedigen.« Währenddessen griff er die Frau am Arm und hielt sie fest.

»Gut, dann will ich mal wieder.« Peter Horar seufzte und verließ die Höhle. Dabei ignorierte er das Weinen der Frau, die er gerade hergebracht hatte.

Ein paar Tage später war der angekündigte Krieg der vier mächtigen Dämonen in vollem Gange. Peter hatte einige seiner Untergebenen abgestellt, die ihm von dem Verlauf der Auseinandersetzung stets berichteten. Gerade erhielt er die Information, dass Tenebris einen empfindlichen Schlag hatte einstecken müssen. Wagos Truppe hatte den Prinzen auf der Westflanke seines Reiches empfindlich erwischt und Tenebris hatte etliche Krieger eingebüßt. Während zeitgleich Tarek mit seinen Männern an der anderen Seite angegriffen hatte. Peter musste zugeben, dass die Kriegsdämonen es gut durchdacht hatten. Regulus Tenebris Wutgebrüll hatte meilenweit durch Abyss gehallt. Jetzt musste Tenebris darauf reagieren und auf das Heftigste zurückschlagen. Dafür zog er aus allen seinen Gebieten Männer ab. Horars Spione hatten das bereits berichtet. Das war der Moment, auf den Peter nur gewartet hatte. Er rief seine eigenen Kriegsdämonen zusammen. Er wollte sich das ausgesuchte Stück von Tenebris Reiches holen. Es war nicht sehr groß und lag am äußersten Rand von Tenebris Machtgebiet, daher würde er den Verlust vielleicht gar nicht bemerken. Aber das Gebiet beherbergte eine alte, mittelalterliche Burg, die durch irgendeinen Zauber bereits vor etlichen Jahrhunderten hier herabgefallen war. Das Land um die Burg herum war steinig und ohne Leben, wie alles hier. Der Boden und die Luft waren in dieser Dimension einfach zu heiß, als dass ein normales Lebewesen oder eine Pflanze in dieser Umgebung überleben konnte. Deshalb aßen die Dämonen auch nur Fleisch, denn etwas anderes gab es hier unten gar nicht. Da kein Futter für Tiere vorhanden war, gab es auch keine Tiere. Die Dämonen aßen sich gegenseitig oder Menschen. Die Menschen, die Horar, oder andere wie er hierher holten, konnten die Atmosphäre auch nur eine begrenzte Zeit lang ertragen, ohne Schaden zu nehmen. Sie brauchten hier einen gewissen Schutz, sonst starben sie zu schnell. Nur die Dämonen konnten in dieser Hitze länger existieren. Deshalb war die Burg genau richtig für Peter. Die dicken, mittelalterlichen Steinwände würden die empfindlichen Körper der Menschen so lange vor der Hitze schützen, bis er sie gewinnbringend verkaufen konnte. Zu dem konnten sie von hier nicht fliehen. In den Höhlen waren viele Gänge, durch diese Gänge waren immer wieder Menschen entkommen. Ihr Verlust war äußerst ärgerlich gewesen. Außerhalb der Burg gab es nichts, was seiner Ware Schutz bieten konnte. Daher war dort eine Flucht aussichtslos.

Peter Horar hatte sich die Burg in den letzten Tagen bereits genauer angesehen und erkannt, dass Regulus Tenebris sie nur durch einige wenige Wächter bewachen ließ, obwohl er die Burg nicht einmal nutzte. Was für eine Verschwendung und das, wo hier unten die Anzahl der Dämonen stetig zunahm und der Wohnraum immer knapper wurde.

Nun endlich war der Zeitpunkt gekommen, an dem er es wagen konnte, sich die Burg zu nehmen. Tenebris war durch den Krieg mit Wago abgelenkt. Peter rieb sich in Vorfreude die Hände. Er hatte so lange auf diesen Zeitpunkt gewartet und konnte es kaum erwarten, das Stückchen Land endlich an sich zu reißen. Rasch erschuf er ein Portal, durch welches er mit seinen Untergebenen bis in die Nähe der Burg gelangen konnte. Dort gab es eine Anhöhe, hinter der sie sich verstecken konnten. Sie verbargen sich dahinter und Peter späte an einer Klippe vorbei und zu der begehrten Burg hinüber.

Die Wachen, welche Tenebris hier zurückgelassen hatten, waren unaufmerksam geworden. Sie gingen scheinbar davon aus, dass an diesem Stück des Reiches niemand interessiert war. Außerdem hatte Regulus Tenebris die Anzahl der Wachen noch einmal erheblich dezimiert. Peters Plan schien aufzugehen. Verschlagen grinsend sah er erst zur Festung, dann zu den Dämonen neben ihm. Seine dämonischen Krieger waren bewaffnet und bereit zum Kampf. Alles war vorbereitet. Er nickte ihnen zu. Darauf hatten die Krieger nur gewartet. Rasch liefen sie gemeinsam geduckt über das kurze Stück Land auf die Burg zu. Während des Laufes zogen ihre Klingen. Leise schlichen sie dichter heran und näherten sich mit tödlicher Absicht dem Wächter an der Zugbrücke. Normalerweise töteten sie mit Energie- oder Feuerbällen, aber die Messer und Schwerter waren leiser. Peter schlich voran und pirschte sich seinerseits an einen Wächter heran. Dieser lehnte an einem der Pfosten der heruntergelassenen Zugbrücke, hatte die Augen geschlossen und döste vor sich hin. Peter näherte sich ihm von hinten und durchschnitt ihm rasch, ohne mit der Wimper zu zucken, die Kehle. Er hatte nicht einmal mehr Zeit zu schreien. Damit verdammte Horar die Seele des Wächters, sich aufzulösen. Wer hier in der Unterwelt starb, dessen Seele löste sich einfach auf und die der Kreatur verbliebene Restseelenenergie ging auf den Täter über. Es blieb nichts weiter von dem Dämon übrig als ein paar Tropfen Blut oder ähnliche Flüssigkeiten und etwas Asche, dann war die Leiche verschwunden. Peter schloss die Augen und zog gierig die Seelenenergie in sich auf. Dann blickte er grinsend zu dem Staubhaufen vor seinen Füßen. Das war so einfach. Auf der Erde hatte er immer wieder mühsam die Leichen wegschaffen lassen müssen, aber hier verschwanden sie einfach.

Rasch liefen seine Männer nun an ihm vorbei über die Zugbrücke hinein in das Innere der Burg. Er folgte ihnen gemächlich. An wirklichen Kampfhandlungen wollte er sich nicht beteiligen, dafür hatte er seine Krieger mitgebracht. Diese dämonischen Krieger eilten bereits durch die Gänge und suchten nach weiteren Wachen. Immer wieder hörte er Energiebälle einschlagen. Peter behielt seine Klinge in der Hand und folgte ihnen erneut langsam durch die Gänge. Dabei betrachtete er die Burg aufmerksam. Die grob behauenen Wände gefielen ihm gut. Sie waren dick und hielten merklich die Hitze zurück. Durch die offenen Fensteröffnungen drang jedoch genügend Wärme ins Innere, sodass es nicht kalt war. Erfreut wanderte er durch seine eroberte Burg. Er selbst traf auf keine weiteren Wachen. Seine Männer hatten bereits alle eliminiert, die Regulus zurückgelassen hatte. Die Burg war sein. Es war fast zu leicht gewesen, die unaufmerksamen Wachen zu töten und das Stückchen Land in Anspruch zu nehmen. Aber sollte er sich darüber beschweren? Sicher nicht! Jetzt konnte er beginnen, mehr Menschen hierher zu bringen, ehe er sie meistbietend verkaufte. Seine Karriere hier unten konnte endlich richtig beginnen.

Regulus Tenebris - Prinz der Finsternis

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