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Kapitel 9
Gedanken über Männer im Allgemeinen und im Besonderen

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Als ich heimkomme, begrüßt mich Nini gespielt vorwurfsvoll: »Mama! Du warst die ganze Nacht weg.«

Ich will mich gerade entschuldigen, denn wie gesagt, eigentlich lasse ich sie nicht gerne und schon gar nicht oft über Nacht alleine, da lacht sie und sagt: »Ist doch gut. Hoffentlich habt ihr eine richtig schöne Nacht gehabt.«

Sie ist so lieb.

Ihr Marcus will vorbeikommen und sie abholen, um zusammen zum See zu fahren. Prima, da kann ich ihn ja mal kennenlernen. Aber vorher rufe ich Eva an. Ich erreiche sie auf dem Handy, und ihre Stimme hört sich schon viel besser an als gestern. Sie ist mit den Mädels unterwegs in die Therme und sagt, es ginge ihr gut. Sie wolle sich eine kleine Auszeit gönnen und alles in Ruhe überdenken. Kluges Mädchen. Ich finde auch, dass sie nichts überstürzen soll, denn ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass ihr Tim das Familienglück aufs Spiel setzt, um andere Frauen kennenzulernen. Andererseits weiß man nie. Sie soll sich erst mal abregen und dann in Ruhe mit ihm reden.

Ich rufe meine Mutter an und erzähle ihr, dass die Übersetzungen fertig sind. Sie freut sich und lädt mich zum Dank auf einen Cappuccino nach Meersburg ein. Das hört sich doch gut an.

Da ich schon geduscht habe, muss ich mich nur noch umziehen. Wieder ist ein herrlicher Tag, und es kommt einem vor, als sei bereits Sommer. Kaum zu glauben, dass es vor zwei Tagen noch so kalt war. Da es so warm ist, wähle ich ein marineblau-weiß getupftes Sommerkleid mit weißem Gürtel und weißen Ballerinas. Da das Ganze ein bisschen nach Fünfzigerjahre-Look aussieht, binde ich mir die Haare zu einem hohen Pferdeschwanz. Fertig. Heute ist es Nini, die nicht weiß, was sie anziehen soll. Sie ist total nervös und hüpft zwischen Bad und ihrem Zimmer hin und her, jedes Mal in einem anderen Outfit. Endlich scheint sie fertig zu sein, denn sie lungert an der Tür herum. Sie trägt ein Babydollkleidchen in Indigotönen und flache Sandalen. Ihre blauen Augen hat sie entsprechend dazu super geschminkt. Das ist aber auch das einzige Make-up. Es ist unglaublich, wie hibbelig sie ist. Endlich klingelt es an der Tür. Als Marcus hereinkommt, verstehe ich, warum sie so aufgeregt ist. Er sieht aus wie dieser junge Mann aus den Vampirfilmen, auf den zur Zeit alle Mädels so stehen. Er ist groß und schlank, und mit seinen blonden Haaren, die ihm lässig in die Stirn fallen, und den blauen Augen hat er diese gewisse James-Dean-Attitüde. Er trägt verwaschene Jeans, die sicher nicht billig waren, und dazu ein cooles braunes T-Shirt, das seinen Körper betont. »Hallo, Mama, das ist Marcus«, stellt sie ihn mir vor. Und er sieht nicht nur gut aus, er hat auch Manieren.

»Hallo, Frau Winter, schön, Sie kennenzulernen«, sagt er und entblößt makellos weiße Zähne.

»Nini hat schon viel von Ihnen erzählt.«

Wir tauschen ein paar Sätze über das schöne Wetter aus, dann verabschieden sie sich und Marcus verspricht, nicht so schnell zu fahren und Nini nicht zu spät wieder nach Hause zu bringen. Ich freue mich wirklich für sie. So ein netter junger Mann, kein Wunder, dass sie sich in ihn verliebt hat. Sie drückt mir noch einen schnellen Kuss auf die Wange und weg sind sie.

Ich lasse mir auf dem Weg nach Meersburg Zeit und genieße die Fahrt mit meinem kleinen Mini am See entlang. Nicht so feudal wie heute Morgen in Leons schickem Sportwagen, aber auch sehr entspannt. Ich nehme extra die schönere Straße, die über Unteruhldingen am See entlang nach Meersburg führt. So, so, in einem dieser wunderschönen Häuser am Hang soll also Marcus mit seiner Familie wohnen. Wahnsinn, die müssen wirklich einen fantastischen Blick haben. Und die Häuser dort wirken allesamt sehr teuer. Mir fällt wieder ein, was Leon über Herkunft und Familie gesagt hat und inwieweit sie verantwortlich seien für den Charakter des Menschen. Vielleicht hat er ja doch ein bisschen recht? Dennoch glaube ich, dass dieser Marcus auch ein netter Kerl wäre, wenn er wie wir in einer Dreizimmer-Mietwohnung aufgewachsen wäre. Also, ich kann Nini gut verstehen, und ich nehme mir vor, mit ihr demnächst mal über das Thema Verhütung zu sprechen.

In Meersburg ist bei dem schönen Wetter heute die Hölle los, und ich finde mit viel Glück gerade noch eine winzige Lücke, in die mein Mini passt. Gott sei Dank ist das Auto so klein. Wir haben uns im ›Wilden Mann‹ verabredet, und ich sehe Mama bereits in dem von vielen Palmen geschmückten Garten sitzen. Ich muss schmunzeln, als ich ihr Outfit sehe. Sie trägt eine rot-weiß geblümte Chiffonbluse, ihre weiße Hose, dazu rote Schuhe und eine rote Tasche. Auf der Nase hat sie eine riesige weiße Sonnenbrille und rührt in einem Eiskaffee. Kaum habe ich mich gesetzt, bringt der Kellner (alte Schule) mir auch einen, und ich frage mich, wie ich diese ganzen Kalorien wieder loswerden soll. Der Sommer steht vor der Tür und somit die Badesaison. Nix mit Bikini dieses Jahr, ein flotter Einteiler muss her. Nichtsdestotrotz lassen wir uns den Eiskaffee schmecken und genießen den wunderbaren Blick auf die Schweizer Seite des Sees, auf die Fähren nach Konstanz und die Insel Mainau. Ich bemerke, dass am Nachbartisch zwei ältere Herren sitzen, die meine Mutter nicht aus den Augen lassen. Diese schenkt ihnen ein freundliches Lächeln und flüstert mir dann zu: »Vergiss es. Die wollen nur eine, die ihnen die Wäsche macht und sie bekocht und betütelt. Ohne mich.«

Ich muss lachen und krame die Briefe aus meiner Tasche. Mutter freut sich sehr über die Übersetzungen und erzählt mir das Neueste aus Steves Leben. Diesmal lasse ich sie reden und unterbreche sie nicht, denn ich sehe, wie ihre Augen leuchten, wenn sie von ihm spricht. Natürlich hat sie auch wieder ein paar Fotos dabei und erzählt, Steve habe sie angerufen – »was für eine nette Stimme« – und habe sie eingeladen, ihn in Amerika zu besuchen. Ich verschlucke mich fast an der Eiswaffel.

»Prima Idee«, belüge ich sie und auch mich, »aber willst du ihn nicht erst ein bisschen besser kennenlernen?« Und nach einer kurzen Pause: »Und vielleicht ein klitzekleines bisschen dein Englisch verbessern?«

Darauf lacht sie wieder ihr unnachahmliches lautes Lachen, und alle Leute drehen sich zu uns um.

»Aber Mäuschen, wo könnte ich das denn besser als dort?«

Ich habe den Verdacht, dass sie tatsächlich die Absicht hat, zu diesem Steve zu fliegen, und wechsle lieber das Thema. Ich erzähle ihr, dass Leon diese Anouk eingestellt hat und ich den Verdacht habe, dass diese sich an meinen Schatz heranmachen will. Gerade heute sind sie alleine im Büro, um das Sommerfest und andere Aktivitäten zu planen. Doch meine Mutter wäre nicht meine Mutter, wenn sie darin ein Problem sehen würde. Sie lacht und sagt: »Mach dich nicht verrückt. Diese Anouk mag ja hübsch und sexy sein, aber du bist die Frau an seiner Seite. Das solltest du nie vergessen. Hab doch mal ein bisschen Selbstbewusstsein. Ihr versteht euch doch wirklich gut. Und warum sollte er eure Beziehung aufs Spiel setzen, nur weil eine mit den Wimpern klimpert und mit dem Ärschchen wackelt?«

Ich lache und fühle mich schon etwas besser. So sitzen wir noch ein Weilchen und genießen den herrlichen Sonnenschein. Zwischen den Palmen hier mit dem Blick auf die alte Burg kommt man sich tatsächlich ein wenig wie im Urlaub vor. Es ist einfach herrlich, am See zu sein. Ich erzähle meiner Mutter von meinem Auftrag in Nußdorf, der ›Butterblume‹ und natürlich von meinem Traum.

»Ach, das hört sich ja wirklich schön an«, sagt sie. »So ein kleines Café in Nußdorf am See, an dem die vielen Spaziergänger und Radfahrer anhalten und ein Eis essen oder einen Kaffee trinken können oder so was wie das hier«, und sie zeigt auf unseren Eiskaffee. »Schade, dass es nur ein Traum war.«

»Ach, Mama«, seufze ich. »Das finde ich auch. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieser Traum mir etwas sagen will. Ich würde so gerne so etwas machen, und zwar nicht nur, weil der olle Aschenbrenner ein alter Ausbeuter und Sklaventreiber ist.« Und ich schildere ihr, wie ich mich in der ›Butterblume‹ gleich zu Hause gefühlt habe.

Sie sieht mich lange an und fragt dann zögernd: »Bist du eigentlich glücklich mit Leon? Ich meine, abgesehen von dieser idiotischen Eifersucht auf die Französin.«

Was hat das denn jetzt damit zu tun?

»Na, ich meine ja nur. Solltest du dir nicht lieber Gedanken machen, auf das Weingut zu ziehen und mit Leon zusammenzuleben, statt von einer eigenen Existenz zu träumen?«

Natürlich habe ich mir auch darüber schon Gedanken gemacht. Das macht man ja, wenn man ein paar Jahre zusammen ist, oder nicht? Aber bis jetzt hat Leon gar keine Anstalten gemacht, mich auf das Weingut zu holen. Wahrscheinlich gefällt ihm die Situation genau so, wie sie ist. Ebenso wie mir. Warum nur träume ich dann solche Sachen?

»Selbst wenn du wolltest, meine Süße«, sagt Mama weiter, »könntest du dir nie im Leben so ein Haus am See leisten.« Und damit hat sie leider recht. Nur schade, dass mir der Eiskaffee jetzt gar nicht mehr schmecken will, und ich schiebe den Becher zur Seite. Meine Mutter spürt meine Verärgerung und streicht mir sanft über die Wange.

»Nun mach nicht so ein Gesicht, meine Hübsche. Es kann schon sein, dass dieser Traum tatsächlich eine Bedeutung hat. Nämlich die, dass du eine Veränderung brauchst in deinem Leben. Denk mal darüber nach. Zieh zu deinem Leon und hilf ihm auf dem Weingut. Dann brauchst du dich nicht mehr mit dem Aschenbrenner herumzuärgern und ihr seid endlich eine richtige Familie.«

Als ob das so einfach wäre. Als wir uns verabschieden, muss ich daran denken, dass sie jetzt wieder in ihre kleine Wohnung fährt und auch alleine ist. Vielleicht hat sie ja gar nicht so unrecht, und wir beide sollten unser Glück ›beim Schopf packen‹, wie sie sich ausdrückt. Auf dem Weg zum Parkplatz erzähle ich ihr noch kurz von Nini und ihrem Marcus. Meine Mutter lächelt nur und sagt dann geheimnisvoll: »Ich glaube, uns drei Mädels steht ein Sommer der Liebe bevor.«

*

Auf dem Heimweg fahre ich durch Nußdorf, und die Worte meiner Mutter kommen mir wieder in den Sinn. Ja, es stimmt. Nie im Leben werde ich mir ein Haus am See leisten können. Und das werde ich auch nicht brauchen, denn wenn ich Glück habe und es nicht versiebe, dann werde ich vielleicht schon bald in einem der schönsten Häuser hier am See leben. Ja, genau. Wahrscheinlich habe ich bei Leon nur immer die falschen Signale ausgesandt, so nach dem Motto: ›Ich bin unabhängig und frei und will das auch bleiben.‹ Das wollen die Männer doch gar nicht. Das heißt, am Anfang wollen sie das schon, aber dann möchten sie eine Frau, die sich nichts Schöneres vorstellen kann, als ein Leben an ihrer Seite zu führen, oder nicht? Also muss ich Leon das in nächster Zeit ein bisschen mehr zu verstehen geben.

Trotzdem kann ich nicht widerstehen und biege noch einmal in die Seestraße ein. Schließlich ist dies eine Immobilie, die mein Chef verkaufen soll. Und hatte ich nicht den Auftrag, Informationen einzuholen? Ich stelle den Mini an derselben Stelle ab wie beim letzten Mal und werfe einen Blick in den schönen Garten der netten Frau von neulich. Heute ist jedoch weder von ihr noch von dem kleinen Mischlingshund etwas zu sehen. Bestimmt genießt sie diesen herrlichen Sonntag bei ihrer Familie.

Das Tor zum Objekt 415 bzw. der ›Butterblume‹ ist geschlossen, doch ich habe das dringende Bedürfnis, durch den Garten zum See zu gehen. Und schon bin ich über den Holzzaun geklettert, der zum Glück nicht allzu hoch ist. Hoffentlich ist das kein Einbruch. Ich kichere in mich hinein. Wenn mich jemand erwischt, kann ich immer noch die Story von dem Notizbuch wieder auskramen. Immerhin war ich ja wirklich geschäftlich hier. Und wer soll schon kommen? Die Besitzerin ist tot, die Erben sind weit weg, und der doofe Gärtner wird am heutigen Sonntag ja auch nicht da sein. Sicherheitshalber werfe ich einen Blick auf den Stellplatz, auf dem der alte Volvo neulich stand. Na bitte. Er ist nicht da. Als ich um das alte Haus herumlaufe, bin ich wieder mal ganz entzückt über den Anblick, der sich mir bietet. Der Magnolienbaum und die anderen hohen Bäume stehen inzwischen in voller Blüte und verdecken nur seitlich ein klein wenig den Blick auf den See und das gegenüberliegende Ufer. Der See liegt vollkommen still und das Wasser schimmert tiefblau in der Sonne, die mittlerweile schon ziemlich tief steht. Noch immer sind sehr viele Boote unterwegs und die weißen Segel leuchten in diesem besonderen ›Früh-Abend-Licht‹. Ich setze mich staunend auf die Stufen der Terrasse und genieße die schöne Stimmung. Nach all dem Trubel heute Nachmittag in Meersburg ist es hier so … friedlich. Ich schließe die Augen und freue mich einfach, hier zu sein. Plötzlich reißt mich eine Stimme unsanft aus meinen Träumen.

»Hallo! Schön, Sie zu sehen. Ich hab Ihr Notizbuch gefunden.«

Wie bitte? Das kann nicht wahr sein. Ich spüre, wie ich mal wieder feuerrot anlaufe, und fühle mich ertappt, als hätte ich etwas Unrechtes getan. Schnell stehe ich auf und will gehen.

»Äh …, hallo«, sage ich und komme mir vor wie in der Schule, als ich zur Tafel gerufen wurde. Was zum Teufel macht der denn hier? Heute ist Sonntag, da sollte er doch frei haben. Und was soll der Spruch mit meinem Notizbuch? Das kann er unmöglich gefunden haben, denn erstens besitze ich gar kein Notizbuch, folglich kann ich es auch nicht hier verloren haben. Gut, das weiß er ja nicht. Aber was hat er denn da gefunden? Er geht zu dem großen Blumentopf, und ich habe Gelegenheit, ihn von hinten zu betrachten. Verdammt knackiger Hintern in den engen Jeans, stelle ich fest und schaue schnell weg, bevor er zurückkommt. Er grinst mich schon wieder so frech an, und ich bemerke, dass er statt des hässlichen Pullovers von neulich zur Abwechslung ein weißes Hemd trägt.

»Haben Sie heute nicht frei?«, frage ich ihn.

»Doch, schon«, antwortet er.

»Aber ich habe hier etwas vergessen. So wie Sie.« Und er wedelt mit einem kleinen schwarzen Notizbuch von der Sorte, wie man es von der Versicherung oder der Tankstelle zu Weihnachten bekommt, vor meiner Nase herum. Will er mich auf den Arm nehmen? Weil er mich so begeistert anstrahlt, mache ich ihm die Freude und betrachte das kleine Notizbuch von allen Seiten.

»Nein, das ist nicht meins«, sage ich bedauernd, »mein Notizbuch ist rot und ein bisschen größer«, lüge ich dreist.

»Ach so.« Er ist enttäuscht. »Dieses lag da hinten beim Tor, und ich dachte, da Sie ja Ihres verloren haben, gehört es bestimmt Ihnen.«

»Leider nein. Trotzdem vielen Dank für Ihre Mühe«, bedanke ich mich artig. Immerhin scheint er ja wirklich an mich gedacht zu haben.

»Gern geschehen. Ja, Sie sahen neulich so traurig aus, und ich dachte, es sei Ihnen wichtig. Bestimmt brauchen Sie es für Ihre Arbeit?«, fragt er, und nun weiß ich gar nicht mehr, was ich sagen soll. Ich kann mich unmöglich in noch weitere Lügen verstricken.

»Ach nein, so wichtig war es nun auch wieder nicht«, antworte ich ausweichend. Er nickt.

»Na ja. Hübsches Kleid übrigens.« Und ich laufe knallrot an.

»Ist es nicht herrlich heute Abend?«, fragt er.

»Ich glaube, Sie haben die Stimmung gerade auch sehr genossen, bis ich Sie gestört habe. Bleiben Sie doch noch einen Moment. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich ein bisschen dazusetze?«

Wir setzen uns beide auf die kleine Treppe und sagen kein Wort, sondern genießen die Abendstimmung. Seltsam, ich sitze hier nicht nur mit einem mir absolut fremden Mann, sondern ich halte mich auch unberechtigterweise in einer völlig fremden Umgebung auf, aber ich habe kein bisschen Angst und ich fühle mich auch nicht unwohl.

Nach einer ganzen Weile sieht er mich an und fragt: »Ihnen gefällt es hier, stimmt’s?« Dieser Satz trifft es genau. Wie recht er hat. In diesem Moment möchte ich nirgends sonst auf der Welt sein. Aber ich kann das unmöglich vor ihm zugeben, also erwidere ich leichthin: »Genau genommen, bin ich doch eher im Dienst hier. Das Objekt soll, wie ich hörte, verkauft werden?«

»Das Objekt?«, fragt er und scheint irritiert. »Ich dachte, Sie seien bereits die Käuferin?«

Ach herrje. Wie komm’ ich aus der Nummer wieder raus? Ich stehe lieber auf, gehe ein paar Schritte zum Wasser hinüber und werfe ein paar Steine hinein. Er lacht schon wieder und kommt mir nach. Er nimmt einige flache Steine und lässt sie über die Wasseroberfläche hopsen.

»Das hat man Ihnen wohl als Kind nicht gezeigt, oder? Übrigens, ich heiße Christian.« Er streckt mir die Hand herüber, ich nuschle »Maja« und nicke ihm zu.

»Segeln Sie gerne, Maja?«, fragt er mich unvermittelt.

»Keine Ahnung, das hab ich noch nie ausprobiert«, antworte ich, »aber wenn ich die weißen Segel so sehe, denke ich oft, dass es einen Versuch wert wäre.«

»O ja, das ist es auf jeden Fall. Auf dem Wasser ist alles so weit weg, der ganze Stress und der Alltag. Man kann auf einem Segelboot so schön entspannen«, antwortet er.

Worauf ich ihn frage: »Haben Sie denn ein Boot?«

»Ja«, meint er und blickt dabei in die Ferne zu den weißen Segeln auf dem See, »aber es ist leider noch nicht im Wasser. Hatte noch keine Zeit, aber ich hoffe, ich komme bald dazu. Vielleicht haben Sie ja mal Lust, mitzusegeln?« Und er sieht mir dabei in die Augen.

Hoppla. Flirtet er etwa mit mir? Mir fällt ein, dass ich ja in festen Händen bin, da darf ich doch nicht mit einem anderen Mann segeln gehen. Auch wenn er zugegebenermaßen wirklich sexy ist. Oder wahrscheinlich, weil er es ist. Also sage ich leichthin: »Mal sehen. Vielleicht ergibt es sich.« Damit verabschiede ich mich und winke ihm noch einmal zu, als ich durch das diesmal offene Tor an dem alten Volvo vorbei auf die Straße zu meinem Mini laufe.

*

Als ich nach Hause komme, sitzt Eva auf der Treppe und sieht, ehrlich gesagt, richtig mies aus. Ohne ein Wort zu sagen, packe ich sie an der Hand und schleife sie die schiefe Treppe hinauf bis in meine Wohnung, wo sie sich auf das lila Sofa sinken lässt und in Tränen ausbricht. Ich nehme sie in die Arme und lasse sie heulen. Manchmal hilft es ja, den Tränen ihren Lauf zu lassen, und wahrscheinlich hat sie sie den ganzen Tag schon zurückgehalten. Ich stehe nur kurz auf, um eine Schachtel mit Kleenex zu holen und zwei Gläser von dem Supermarkt-Wein. Nach etwa einer halben Stunde, in der Eva praktisch nur geweint und die Packung Kleenex aufgebraucht hat, scheint es ihr besser zu gehen.

»Es ist alles so beschissen«, schnieft sie. Solche Worte aus ihrem Mund! Das will etwas heißen, denn sonst ist Eva immer sehr beherrscht.

»Stell dir vor, die Mädels und ich hatten einen echt schönen Tag in der Therme. Ich musste zwar dauernd daran denken, wie wir hier immer mit Tim waren, aber es war okay und wir hatten Spaß. Und dann auf dem Heimweg ruft der Kerl tatsächlich an und fragt, ob ich nicht endlich heimkommen will. Was bildet der sich eigentlich ein? Wahrscheinlich ist der Kühlschrank leer und kein frisches Hemd mehr im Schrank. Er meinte, ich solle mich jetzt mal abregen, es sei schließlich nix passiert. Nix passiert. Nein, was war denn schon? Er hat mit anderen Frauen E-Mails ausgetauscht: ›Wie geht’s dir?‹ und ›Was machst du?‹ und ›Ich vermiss dich!‹ und ›Ich würd’ dich gern mal sehen.‹ Nix soll das sein? Und ich soll einfach heimkommen und Abendbrot machen und mit ihm vor der Glotze sitzen, und wenn ich zu Friseurterminen fahre, mich jedes Mal fragen, welche der Damen jetzt wohl wieder Post bekommt? Das kann er sich abschminken.«

Während sie schluchzt, betrachte ich ihr hübsches, verheultes Gesicht, und es tut mir leid, dass sie so unglücklich ist. Ich würde ihr gerne sagen, sie habe sich das alles nur eingebildet, Tim liebe sie und alles wird wieder gut. Das Komische ist, dass ich eigentlich immer noch überzeugt davon bin, dass es so ist. Deshalb kann ich ihr auch nicht dazu raten, Tim jetzt zu verlassen, sondern bin der Meinung, sie sollte sich noch ein bisschen Zeit nehmen, um nachzudenken, und dann mit ihm reden. Das habe ich ihr schon nahegelegt, und deshalb sage ich jetzt stattdessen mit todernster Miene: »Ja, er ist ein Scheißkerl. Lass uns eine Voodoo-Puppe holen und brennende Nadeln mitten in sein Herz stechen.«

Eva sieht mich kurz an, dann müssen wir beide lachen. Wir lachen und lachen und können nicht mehr aufhören, bis wir vom Sofa fallen und auf dem Boden weiterlachen. Nini kommt heim mit Marcus im Schlepptau und fragt verwundert: »Was ist denn hier los?« Wahrscheinlich denkt sie, wir seien total betrunken, weil wir lachend auf dem Boden liegen und Eva ein verheultes Gesicht hat.

»Ach, wir haben uns nur ein paar Witze erzählt«, sage ich, gehe in die Küche und koche für uns alle eine Riesenportion Spaghetti. Schließlich sollen Nudeln glücklich machen.

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