Читать книгу Mord im Weinberg - Christine Zilinski - Страница 11

Kapitel 9

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Specht und Jankovich sahen sich einen Augenblick lang ohne merkliche Regung an. Grünspan sprach weiter. „Gut, zunächst die einfacheren Gemeinsamkeiten. Das Opfer ist ebenfalls weiß, männlich, etwa Mitte 40. Jetzt kommt’s aber: Stich in die linke Niere mit, wie es aussieht, derselben Stichwaffe. Und aufgesetzter Herzschuss. Keine Spuren von Gegenwehr. Das kann kein Zufall sein, wenn Sie mich fragen.“ Jankovich spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Er brauchte einen Augenblick, um diese Information zu verarbeiten, bevor sein analytischer Verstand wieder die Oberhand gewann. Mit gerunzelter Stirn fragte er laut: „Wieso hat Ihnen Kollege Hoffmann die Leiche gebracht? Der hat mit Kapitalverbrechen doch wenig zu tun?“ Grünspans Stimme tönte aus dem Apparat: „Das kann ich Ihnen sagen. Der erste Tote, wenn wir ihn der Reihenfolge nach mal so nennen wollen, hat eine belebte Drogenvergangenheit. Nach einer ersten Haar- und Blutprobe lässt sich sagen, dass wir einen Schmerzmittel-Junkie vor uns haben. Und zwar das Zeug, das du nicht mehr in der Apotheke bekommst.“ „Ach, ok“, sagte Specht matt. Drogendelikte fielen durchaus in Hoffmanns Zuständigkeit. Jankovich ergriff das Wort. „Gut. Danke, Doktor Grünspan. Das ist eine wichtige Info für uns. Wir setzen uns gleich mit dem Kollegen in Verbindung.“ „Kein Thema, dafür bin ich ja da.“ Die beiden Kommissare verabschiedeten sich vom Pathologen und Jankovich legte den Hörer wieder auf die Gabel.

Einen Moment lang sagte keiner von beiden etwas. Schließlich entfuhr Specht: „Scheiße.“ „Ja“, stimmte Jankovich zu. „So viel zu deinem blöden Gefühl“, ergänzte Specht. Jankovich atmete einmal durch, dann griff er wieder zum Apparat und rief bei ihrem Kollegen Hoffmann an. Nach dem dritten Klingeln hob dieser ab. „Na servus, Kollege. Was verschafft mir die Ehre?“, kam es aus dem Hörer. Jankovich sagte bemüht freundlich: „Ich glaube wir müssen uns mal über einen Doppelmord unterhalten. Mir wäre wichtig, was Sie dazu sagen. So wie es aussieht, haben wir nämlich beide Opfer auf dem Tisch, die vom selben Täter umgebracht worden sind“ erklärte Jankovich. Dann holte er weiter aus, um seinen Kollegen auf den aktuellsten Stand zu bringen.

Zu Jankovichs Erleichterung reagierte Hoffmann entgegenkommend. Oft genug hatte Jankovich erlebt, dass Kollegen aus anderen Inspektionen angefasst reagierten, sobald sich abzeichnete, dass ihnen eine andere Abteilung das Wasser abgraben könnte. Der Kollege erwiderte: „Ach, das ist ja mal ein Ding. Und Ihre Leiche hat nichts mit Drogen am Hut? Das wären ja dann zwei komplett unterschiedliche Opferprofile, wenn es tatsächlich derselbe Mörder ist.“ Nun schaltete Specht sich ein – der Apparat war wieder auf laut gestellt. „So genau lässt sich das noch nicht sagen, aber nach dem ersten Anschein war unser Opfer kein Junkie. Genaueres wird natürlich erst die Obduktion zeigen. Also, Herr Hoffmann, können wir auf Ihre Kooperation zählen?“ Ohne Zögern kam es aus dem Hörer: „Klar.“ Und mit einem bitteren Lachen fuhr er fort: „Ich weiß ja nicht, wie Ihre Arbeitsauslastung aussieht, aber an Drogen mangelt’s hier in Stuttgart wahrlich nicht. Falls ihr meine Leiche übernehmt, bin ich trotzdem nicht arbeitslos“, sagte er und rutschte ins kollegiale ‚Du‘. Jankovich lächelte und griff dankbar die persönlichere Anrede auf. „Dann hast du hoffentlich kein Problem damit, uns mehr über deinen Toten zu erzählen?“ „Nö, kein Thema. Mein Toter heißt Norbert Sievers. Ich kenne ihn schon seit ein paar Jahren, er taucht wegen seines fröhlichen Pillenkonsums häufiger in unserer Datenbank auf. Er war erkennungsdienstlich erfasst. Er hat öfter Freunde und Verwandte angepumpt, die ihn dann regelmäßig angezeigt haben, weil er ihnen das Geld nicht zurückgegeben hat. Was ja bei einem Abhängigen echt die totale Überraschung ist. Naja. Trotzdem war der gute Norbert ein überzeugender Charmeur, sonst hätte er die Leute in seinem Umfeld nicht immer wieder einlullen können. In die Beschaffungskriminalität ist er noch nicht gerutscht, wäre er aber wohl, bei seinem ansteigenden Konsum. Als ich den Anruf vom Kriminaldauerdienst bekommen habe, dass Sievers tot aufgefunden wurde, dachte ich erst einmal, er wäre an ner Überdosis gestorben. Jetzt war er aber entsprechend verziert, sag ich mal“, sagte Hoffmann zynisch. „Ich bin gerade dabei, die Liste der Verdächtigen durchzugehen. Ich hangele mich da an den Anzeigen gegen Sievers entlang. Ein paar habe ich schon durch, die anderen kann ich gerne euch überlassen.“ Jankovich überlegte. „Trotzdem wäre es besser, wenn du bei allen Befragungen dabei bist, denke ich. Falls das Motiv doch mit Drogen zu tun hat.“

Hoffmann seufzte. „Ja, schon gut. Hätte ich ja eh machen müssen. Ok. Ich denke, wir haben es in jedem Fall mit einem Täter zu tun, der nicht das erste Mal getötet hat. Der Mord trägt ja schon fast eine routinierte Handschrift.“ Jankovich schnaubte. „Ja, dass unser Täter kein Anfänger ist, haben wir uns auch gedacht. Gibt es sonst noch irgendwelche Auffälligkeiten bei Sievers? Wo wurde er überhaupt gefunden?“ „Ich schicke euch noch eine vollständige Kopie der Ermittlungsakte. Gefunden wurde der Tote in seiner eigenen Wohnung. Keine Einbruchsspuren. Spricht also dafür, dass das Opfer seinen Mörder kannte. Zumindest hat er ihn reingelassen. Wo wurde euer Toter denn gefunden?“ „Thorsten Leibold lag mitten im Weinberg, am helllichten Tag. Wobei der Mord vermutlich am Vorabend verübt wurde.“ „Also auch ein anderer Fundort, so unter freiem Himmel. Aber die Tötungsart und dass die beiden so kurz hintereinander getötet wurden, spricht für denselben Täter.“ Jankovich brummte zustimmend. Hoffmann fuhr fort: „Jetzt bleibt eher die Frage, ob der Mörder im Drogenmilieu zu suchen ist oder nicht. In jedem Fall müssen die Opfer eine entsprechende Gemeinsamkeit haben. Warten wir den Obduktionsbericht zu eurem Toten ab, vielleicht hatte er ja doch Substanzen im Körper.“ Jankovich erwiderte: „Klar, das müssen wir checken. Wir schauen uns auch noch die Wohnung von Leibold an und überprüfen seine Angehörigen. Wenn sich da schon Überschneidungen zu Sievers Umfeld finden, sind wir ein ganzes Stück weiter.“ Hoffmann sagte: „Ja gut, Kollegen. Wie gesagt, ich schicke euch alles zu meinem Toten rüber und dann kümmern wir uns gemeinsam um die Verdächtigenliste.“

Durch den Apparat war auf einmal zu hören, wie gleich mehrere WhatsApps auf Hoffmanns Handy eingingen. Ein paar Augenblicke lang war es still in der Leitung, dann meldete sich der Kommissar in gestresstem Tonfall wieder. „Bei mir ist was aufgeploppt. Ich muss jetzt los.“ Jankovich sagte: „Klar, kein Thema. Danke dir schon mal für deine Infos.“ Dann fiel sein Blick auf den Stapel Tatortfotos vor sich und er sagte hastig, bevor Hoffmann auflegen konnte: „Ach, eins noch. Das ist ziemlich wichtig. Ist bei Sievers etwas in seinen Taschen gefunden worden? Etwas, was euch besonders aufgefallen wäre?“ Ungeduldig schnaubte Hoffmann, doch dann raschelte es. „Ja ... tatsächlich, das wollte ich euch eigentlich gleich am Anfang sagen. Da war ein Zettel in seiner Tasche.“ Specht und Jankovich tauschten einen schnellen Blick, während ihr Kollege fortfuhr: „Ziemlich nobles Papier. Steht ein Fremdwort drauf. Moment ...“, es raschelte erneut. „Ah, hier. Auf dem Zettel steht ‚Quid‘. Ist lateinisch und heißt ...“ „Dies“, unterbrach ihn Jankovich. Wieder spürte er, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.

Mord im Weinberg

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