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Kapitel 1

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„Wo soll’s hin?“, fragte Max, der einen Kasten Sprite in Charlottes Dachwohnung hochgeschleppt hatte. Schwitzend hob Charlotte den Kopf. Sie war gerade dabei, mit dem Staubsauger ihren kleinen weißen Teppich vor dem Sofa abzusaugen. „Küche“, rief sie über das Brummen hinweg. Max trat auf den Teppich, und rief dabei zu ihr hinunter: „Lohnt sich nicht, Schätzchen, es macht mehr Sinn, NACH der Party sauberzumachen.“ Charlotte trat nach ihrem besten Freund, während sie mit dem Kopf bereits wieder unter dem Sofa hing. Max wich ihr mit einem galanten Hüftschwung aus. Und das, obwohl er immer noch die Getränkekiste hielt. Grinsend lief er weiter zur Küchentür, wo ihm Sanne den Weg versperrte. Sanne, Charlottes Schwester, entfuhr ein leiser Protestschrei, als Max ihr die Kiste an die nackte Haut ihres Rückenausschnitts drückte. „Mach ma Platz, junge Frau.“ „Pff“, entfuhr es Sanne, doch sie grinste und machte einen Schritt aus der Küchentür heraus. Max stellte demonstrativ stöhnend die Kiste auf eine der anderen Sprudel- und Saftkisten, die sich in der kleinen Küche stapelten. Weil Christoph, Sannes Verlobter, sich ebenfalls in der Küche befand, war es in dem Räumchen mehr als eng.

Er hatte sich am Kühlschrank postiert und schob Bier- und Weißweinflaschen in die Lücken der bereits vollen Fächer. Max sah ihm dabei zu, während er sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn fuhr. „Bist du sicher, dass wir das alles brauchen? So viele kommen jetzt auch wieder nicht.“ Christoph schlug die Kühlschranktür zu, lehnte sich dagegen und verschränkte gespielt überheblich die Arme vor der Brust. „Das Bier ist eh für mich allein. Keine Sorge, da bleibt nichts über.“ „Pah, von wegen, sonst wirst du noch zum Alki, bevor wir überhaupt verheiratet sind“, kam es von Sanne. Sie schob ihren wilden, blonden Lockenkopf wieder durch die Küchentür. Christoph lenkte ab: „Wann kommen denn endlich die Häppchen? So lange dauert’s ja nicht mehr bis die Gäste hier eintrudeln. Und ich krieg langsam Hunger.“ Sanne sah auf die Uhr an der Küchenwand. „Naja, es ist erst kurz nach 5. Bis die Party um 7 losgeht, dauert’s schon noch ein bisschen.“ Es klingelte und Charlotte eilte zur Türe, um den Knopf der Gegensprechanlage zu drücken. Sie betätigte den Türöffner und konnte hören, wie die Haustür unten im Erdgeschoss surrte, und sich anschließend Schritte auf der Treppe zu ihrer Wohnung näherten. Hektisch ergriff sie den Kragen ihres T-Shirts und fächerte ihn ein paar Mal hin und her, um sich Kühlung zu verschaffen. Dann öffnete sie ihre Wohnungstür und strahlte dem Neuankömmling entgegen. Es war ihr Freund Johannes. Er hielt zwei randvoll bepackte Servierplatten voller Häppchen in Händen.

„Oh wow, das sieht ja lecker aus“, sagte Charlotte lächelnd, als sie einen Schritt beiseitetrat, um ihn hereinzulassen. „Ja, nicht nur das“, grinste Johannes, während sein Blick sie kurz anzüglich streifte und er dann an ihr vorbei lief. Charlottes Lächeln fror ein. Sie atmete einmal durch und lief Johannes hinterher, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Er steuerte mit seinen Platten auf die Küche zu. Max, Sanne und Christoph ergriffen kurzerhand die Flucht aus dem kleinen Räumchen, damit Johannes sich mit seiner Ladung breitmachen konnte. Max betrat jedoch sofort wieder die Küche und warf einen Blick auf die Köstlichkeiten, die sich unter der Klarsichtfolie stapelten. „Boah lecker, Melonen-Parmaschinken-Schiffchen, Tomate-Mozzarella, Käse-Trauben, Brotsticks… uuuuh, ist das Datteldip?“ Max wollte an der Ecke eines Tabletts die Folie abknibbeln, aber Johannes schlug nach seiner Hand. „Untersteh dich. Die rühren wir nicht an, bevor die Gäste da sind.“ Max funkelte ihn an. „Hallo? Wenn wir schon beim Aufbau helfen, dann haben wir uns ja wenigstens eine kleine Belohnung verdient!“ Johannes erwiderte den Blick ungerührt und sah über Max‘ Kopf hinweg zu Charlotte. „Was meinst du, Schatz?“ Charlotte verspürte unwillkürlich ein Ziehen im Bauch, wie jedes Mal, wenn er sie so nannte. Es fühlte sich auch nach einigen Wochen Beziehung immer noch ungewohnt an. Dennoch beschwor sie ein Lächeln herauf und sagte in beschwingtem Tonfall: „Ach, ein paar Häppchen könnt ihr euch ruhig gönnen, ist ja genug da.“ Charlotte bemerkte Johannes‘ beleidigten Gesichtsausdruck und hörte, wie Max leise triumphierend die Folie von einem der Tabletts löste.

Seit ein paar Monaten war die Dachgeschosswohnung Charlottes neues Zuhause und lag direkt über der Wohnung ihres Chefs. Richling, ihr Vorgesetzter, hatte ihr die Bleibe angeboten, als Charlotte unvorhergesehen in Wohnungsnot geraten war. Sie musste damals aus der 2er-WG ausziehen, in der sie bislang mit ihrer Schwester gelebt hatte. Grund dafür war die Verlobung von Sanne und Christoph, die sich unversehens auf Wohnungssuche begeben hatten. Kurz darauf hatte das Paar auch schon eine neue Bleibe gefunden – und die Schwestern-WG musste sich zwangsläufig auflösen. Da kam das Wohnungsangebot von Richling zum richtigen Zeitpunkt. Allerdings war Charlottes Chef nicht der Altruist vor dem Herrn. Vielmehr hatte er Charlotte zu einem Deal genötigt, wenn sie die Wohnung haben wollte. Einerseits sollte sie an den Wochenenden morgens mit Richlings Hund Dostojewski Gassi gehen. So konnte er – im Gegensatz zu ihr – getrost ausschlafen. Andererseits – und das war die liebste Disziplin des ehemaligen Boulevardjournalisten – sollte Charlotte Schlagzeilen machen. Konkret hieß das, sie sollte weiter in einem Fall ermitteln, in den sie vergangenen Sommer verwickelt worden war. Damals war vor ihren Augen auf dem Stuttgarter Kongress der Hauptredner tot zusammengebrochen – und Charlotte war mit einem Mal ins Visier des Mörders geraten. Der Redner war nämlich vergiftet worden. Als Charlotte Drohnachrichten erhielt, die Finger vom Fall zu lassen, wollte sie genau das tun – doch hier kam Richling ins Spiel: Als er von Charlottes prekärer Wohnsituation erfuhr, bot er ihr seine leerstehende Dachwohnung an. Aber nur, wenn sie trotz der Drohnachrichten eine Geschichte über den Mord schrieb. Richling war Chefredakteur der lokalen Zeitung Weinstadt Woche, und Charlotte war als Redakteurin bei ihm angestellt. Aus Angst, bald obdachlos zu sein, hatte sie daher zähneknirschend eingewilligt.

Jetzt wollte Charlotte ihr eigenes kleines Reich endlich gebührend einweihen. ‚Naja, genaugenommen war das ja Johannes‘ Idee mit der Feier‘, dachte sie. ‚So kurz vor meinem Geburtstag hätte es meinetwegen nicht sein müssen.‘ Bei dem Gedanken schlich sich ein nagender Zweifel in ihr Bewusstsein. Ein Gefühl, das sie in letzter Zeit häufiger hatte. Schnell versuchte sie, den inneren Zwiespalt zu schlichten. ‚Gut, er hat ja vorgeschlagen, Geburtstag und Einweihungsparty zusammenzulegen.‘ Doch das hatte Charlotte nicht gewollt. Schließlich sollte ihr dreißigster Geburtstag für sich alleine stehen. Max kam zu ihr herüberspaziert, in einer Hand ein Melonen-Schiffchen, in der anderen einen Tomaten-Mozzarella-Spieß. Kauend hielt er ihr beide Häppchen hin. Sie entschied sich für die Melone. Kaum schob sie sich den saftig-süßen Snack in den Mund, ging es ihr besser, und Max legte einen Arm um seine beste Freundin, während er sich den anderen Spieß einverleibte. Kauend sagte er: „Das ist aber sehr generös von dir… wenn schon dein Süßer uns die Freuden des Essens missgönnt.“ Giftig kam es von der anderen Raumseite von Johannes: „Ach, halt die Klappe.“ Charlotte zog die Augenbrauen hoch. Es passte ihr gar nicht, wie Johannes sich aufführte. Max schien ihre Anspannung zu spüren und rüttelte sie sanft an ihrer Schulter. „Hey, mach dich mal locker, du solltest den Tag heute genießen“, raunte er ihr zu. Daraufhin atmete Charlotte einmal tief durch. ‚Ach, wahrscheinlich ist Johannes nur gestresst, weil er will, dass es eine tolle Einweihungsparty wird‘, sagte sie sich schließlich.


Mord im Weinberg

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