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Und weiter ging es folgendermaßen: Noch am Dienstag bestieg Dantschew sein Automobil und kam ein weiters Mal von Burgas nach K. gefahren, um sich wütend zu erkundigen, was denn nun wieder los sei. Polizeidirektor und Bürgermeister eilten schwitzend und konfus herbei, während er erbost im Zimmer auf und ab ging; ihr Anblick erboste ihn nur noch mehr. Knöpft euch wenigstens ordentlich zu! brüllte er sie an, und sie blinzelten ergeben. Mit euch rede ich, ihr Blödiane!, rief Dantschew. Wie lange soll ich alle diese Skandale noch dulden? Was geht hier vor? Wer verbirgt sich hinter der Gruppe Schwarzer März? Wer sind diese unbekannten Subjekte? Was haben die dauernden Schießereien im Stadtpark am nahezu hellichten Tag zu besagen? Und wie kommen eure Bäcker darauf zu streiken, zu allem Überfluss? Wie konntet ihr das zulassen? … Der Idee mit der Garnisonsbäckerei zollte Dantschew ein Lob – prima Einfall! –, doch sprach er zugleich die Warnung aus, sollten sich die Bäcker ein zweites Mal hinter dem Rücken der Macht verschwören und zu streiken anfangen, dass er die Stadtoberen persönlich einlochen werde, zwei Tage bei Wasser ohne Brot, um sie hinterher zu fragen, ob sie es noch einmal wagen würden, das einfache Volk hungern zu lassen! Leute wie die an der Spitze von K. seien der Grund dafür, wenn Bulgarien vor dem Abgrund stehe, lästerte er, und es sei doch sehr beklagenswert, dass die Regierung bislang keine fähigeren Kader habe, auf die sie sich verlassen kann.

Schließlich winkte er ab und teilte verdrossen mit, nun habe auch noch Minister Dimo Kasassow eine Reise nach K. anberaumt. Seht mal zu, dass ihr eine ordentliche Figur macht! … – sprachs und fuhr wieder ab, finster und furchterweckend, wie man es von ihm gewohnt war. Während die Zurückbleibenden einmal tief durchatmeten und dann aufgescheucht hin- und herliefen, um den neuen hohen Gast angemessen zu empfangen.

Am meisten erfreut von der Nachricht war der Vorsteher des Post- und Telegraphenamtes Iwanow. Welch ein Glücksfall, meine Herren!, rief er aus. Das ist der Moment, wo sich ein neuer Klappenschrank für die Stadt abstauben ließe. Was der alte für ein Klapperschrank ist, wissen wir doch: ein Wrack und zu gar nichts mehr nutze!

Was diesen Fernsprechvermittlungsschrank anging, so hatte er Recht. Das Amt verfügte alles in allem über einhundert Nummern – private und öffentliche zusammengenommen. Dutzende Händler, Advokaten und andere Geschäftsleute in K. winselten tagtäglich um einen Anschluss. Heutzutage wollte beinahe jeder ein Telephon haben! Es war folglich überfällig, dass die Post- und Telegraphendirektion wenigstens noch weitere hundert Nummern lockermachte. Und Dimo Kasassow als ihr Minister konnte die entsprechende Verfügung treffen. Man musste nur die rechten Worte finden, es ihm zu erklären …

Gute Idee!, erwiderte der Bürgermeister. Wir führen ihn an Ort und Stelle, damit er sich von dem Missstand überzeugen kann – und dann soll er die Stirn haben abzulehnen!

Und er wies Iwanow an, im Vestibül des Postamtes die eben erschienene Schautafel Bulgarien hat sich erneuert mit den Porträts der neuen Minister aufzuhängen. Gute Idee!, fand nun seinerseits Iwanow und eilte hocherfreut zur Buchhandelsagentur Br. Kr. Pulew.

Der Bürgermeister berauschte sich unversehens an seinem Einfall und schickte Leute aus, die selbiges Plakat in großer Stückzahl erwerben und an sämtliche Inhaber von Gaststätten und Restaurants, Kaffeehäusern, Milchhallen, Gemischtwarenhandlungen und sonstigen Publikumsgeschäften verteilen sollten, je ein Exemplar auch in die beiden Polizeireviere sowie an die Girdap-, die Ökonomia- und die Thrakia-Bank, auf den Bahnhof und überallhin. Wie sich indes herausstellte, war das Plakat ausverkauft, offenbar hatten es die Bürger der Stadt in Massen erworben, um damit, insonderheit zu propagandistischen Zwecken, ihre Häuser zu schmücken. So jedenfalls erklärte es Buchhändler Pulew, fügte jedoch hinzu, dass eine Nachlieferung à 1 000 Exemplare geordert und jeden Moment zu erwarten sei.

Übrigens kam Dimo Kasassow mit seiner Draisine zunächst durch Sliwen, bog aber dann nach Sliwniza ab und landete in Jambol, wo er über Nacht blieb – nach K. kam er gar nicht! Statt dessen wurden Plakate geklebt für eine Sondervorstellung der Sofioter Trommel21; vor der nach Zerstreuung dürstenden Bürgerschaft von K. sollte die kurzweilige, politisch durchaus brisante satirische Komödie Stambolijski im Himmel von Borju Sewseka22 zur Aufführung kommen. Aber auch diese Truppe blieb letztendlich fern, weil ihr Agent erstens den morschen, staubigen und überhaupt lebensgefährlichen Bühnenraum der Lesehalle für unzumutbar befand und zweitens von den Räubern gehört hatte. Alle Welt fürchtete sich vor diesen Räubern! Und da nun auch die Trommel abgesagt hatte, kündigte sich der berühmte russische Professor Janischewski, Experte für Nervenleiden von der Sofioter Medizinischen Fakultät, mit einem Vortrag zum Thema Angst und Tapferkeit an. Mit dieser interessanten Abhandlung bereiste der Mann im Sommer 1923 in Begleitung des Journalisten Borox Warnawski, der alles aufschrieb, was der Professor von sich gab, das ganze Land, und die Eintrittsgelder wurden zur Unterstützung der russischen Schriftsteller und Journalisten verwandt, deren Situation infolge der das Blut in den Adern dieser Unglücklichen gefrieren lassenden satanischen neuen Ordnung äußerst beklagenswert war. Hat der nichts Besseres zu verkünden?, dachte der Bürgermeister verwirrt und enttäuscht: Tapferkeit, schön und gut, aber wozu über die Angst ein Wort verlieren?

Nach reiflicher Überlegung wies er dennoch den Gymnasialdirektor an, diesen Herrn Professor zu begrüßen und ihm Gesellschaft zu leisten, solange er in K. war. Vor Freude bebend, lief der Direktor los, den Auftrag zu erfüllen. Nur dass im letzten Moment alles wieder anders kam und nicht, wie angekündigt, Professor Janischewski eintraf, sondern der vortragende Arzt und Hypnotiseur R. Nesterow, den man in K. schon zur Genüge kannte! Hatte er doch erst im Frühjahr hier gastiert, und hinterher gab es böses Blut hinsichtlich angeblicher Frivolitäten in Bezug auf fünf Schülerinnen, darunter zwei Waisen aus dem katholischen Pensionat. Diese Gerüchte pflanzten sich in der breiten Bevölkerung fort und ließen Zweifel laut werden. Auch wenn man nichts Genaues wusste, der Schatten der Kompromittierung legte sich über die Lehrerschaft von K., es bedurfte einer Gegendarstellung in der Freien Tribüne, die die Zweifel natürlich nur verstärkte.

Die Mädchen entstammten den oberen Klassen, waren also nach dem 26. März ohnehin alle nach Burgas entschwebt, die Gerüchte allmählich verebbt. Nun aber, wenn sich herumsprach, dass Nesterow in der Stadt war, würden sie in null Komma nichts wieder aufleben. Überhaupt soll diesen Nesterow der Teufel holen, dachte der Schuldirektor stöhnend: Der hat uns noch gefehlt! Der Direktor hieß übrigens Stojan Maminkolew und hatte seinen Vorgänger Christofor Milew gerade abgelöst. Stojan Maminkolew zauderte, schwankte, dann winkte er entschlossen ab und ging einfach weg, verzog sich auf seinen Weinberg.

Tatsächlich war der vortragende Hypnotiseur R. Nesterow erstmals Anfang März 1923 nach K. gekommen und hatte die Legende von den wundersamen Prophezeiungen der Japanerin Mimosa Tako-Shima mitgebracht. Diese Frau habe vor Jahren den Untergang der russischen Armee im Russisch-Japanischen Krieg geweissagt. Während dieses Krieges habe Tako-Shima einen gefangenen russischen Offizier geheiratet. Im Jahr 1916 dann, bei einem ihrer öffentlichen Auftritte, sei Mimosa Tako-Shima plötzlich mit einem Seufzer umgefallen und Augenblicke später tot gewesen. Die Todesursache blieb im Dunkeln … Allerdings, so Nesterow, fanden sich zwischen den Papieren in ihrem Nachlass Prophezeiungen für etliche Jahre im voraus! Und was das Interessanteste war: Alle für den Zeitraum bis 1922 getroffenen Voraussagen trafen verblüffend exakt ein – bis hin zu den betrüblichen Jekaterinburger Anschlägen auf den Zaren und seine Angehörigen (die in Tako-Shimas Papier namentlich aufgeführt waren). Die Morde geschahen wahrhaftig, selbst die Zeitpunkte stimmten überein. Auch vorausgehende oder nachfolgende Attentate und wie sie ausgingen, habe Tako-Shima auf das Genaueste vorausgesagt.

Und nun begab es sich Ende 1922, dass die in Riga erscheinende Zeitung Der Leuchtturm sich auf unklaren Wegen des Manuskripts bemächtigte, in welchem die Prophezeiungen der Japanerin für das Jahr 1923 festgehalten waren, und diese abdruckte – genauer gesagt, einen kleinen Teil davon, der aber mehr als genug Schrecknisse in sich barg.

So zum Beispiel schrieb Frau Mimosa Tako-Shima, das Jahr 1923 werde als ein denkbar blutiges in die Geschichte eingehen, den Auftakt geben zu einer ganzen Reihe neuer Kriege, die nicht nur Westeuropa, sondern auch Amerika mitsamt den Vereinigten Staaten und Asien erfassen würden. In Deutschland und Polen sei mit neuen revolutionären Bewegungen zu rechnen; dabei werde in Deutschland eine nationalrevolutionäre Partei in rüder Auseinandersetzung mit ihren politischen Gegnern den Sieg davontragen. Das Banner dieser Bewegung sei rot, das Zeichen ein gebrochenes Kreuz, auch Swastika oder Hakenkreuz genannt. Sie werde sehr bald gegen Frankreich und England zu Felde ziehen. Daraufhin werde die russische Armee, Deutschland zu Hilfe eilend, einen unfassbar großen Teil Polens besetzen. Im Grunde die Hälfte! Die andere falle logischerweise Deutschland zu. Das Ganze würde sich in einem September ereignen. Von einem Dorf namens Katyn war noch die Rede, der Zusammenhang war nicht klar. In Polens Armee würden moralische Auflösungserscheinungen zu beobachten sein, ihre Offiziere liefen auf die Seite der zerlumpten Aufständischen über. Nicht alle. Manche reihten sich in die russische Armee ein, aber die würde Trotzki später foltern lassen oder zur Zwangsarbeit schicken. In Indien bräche ebenfalls ein Aufstand aus, zu dessen Unterstützung eine fünfhunderttausend Mann starke russische Armee sich über die Gebirgspässe bewegte; selbige würde sich hernach anschicken, die französischen und englischen Kolonien zu befreien. Feuer und Rauch würden diese fernen Gegenden bedecken, Grauen und Leid sich über sie ausschütten. Und all das unter einem Zeichen, das des Satans war: fünfzackiger Stern, auf einer Spitze stehend.

Auch auf dem Balkan, so hieß es, würde es Krieg geben, bei dem die Türkei ebenso wie Bulgarien dauerhaft unter die Räder käme. So würden zum Beispiel in Konstantinopel reguläre russische Truppen Einzug halten, die, nebenbei gesagt, von Serbien und den Nachbarstaaten gezogen kämen.

Dagegen würde Zypern von der Türkei okkupiert und die türkische Regierung nach dort verlegt.

In Russland würden sich aus den Truppenresten des seligen russischen Zaren Freischaren rekrutieren und diese neuen, schlagkräftigen Truppen unter der Führung wendiger junger Offiziere, die ihre Ausbildung an vorzüglichen französischen Schulen genossen hatten, eine ganze Reihe russischer Städte erobern. Die jungen Offiziere fühlten sich einzig der Zarentochter Anastasja untertan, die nämlich als Einzige dem Pogrom an ihrer Familie entkam. Und Mimosa Tako-Shima, die erstaunliche Japanerin, nannte die getreuen Vasallen der Zarentochter bei ihren genauen Namen! Der neuen Erhebung wider den grausamen Bolschewismus und überhaupt den Aufständischen würde eine schlagkräftige, vereinte russische Armee (ähnlich wie in glorreichen Zeiten) aus dem Fernen Osten zu Hilfe eilen, zügig das ganze unermesslich große Land durchqueren, viel Boden gut machen und am Ende im gnadenlosen Kampf Petersburg erobern. Sinowjew, Trotzki und Lenin flöhen nach Mexiko, wo letzterem von einem Portugiesen mit der Axt der Schädel gespalten würde.

Für China wurden gleichfalls Volksaufstände prophezeit, infolge derer schwerbewaffnete, mit ganz neuer Waffentechnik und speziellen Schiffen, sogenannten Aeroplanträgern, ausgerüstete japanische Truppen einen Teil der chinesischen Ostküste belagern und besetzen, dabei kaputtschießen und der völligen Vernichtung anheimgeben würden. Von dort würde Japan nach russischem Gebiet, nämlich der Insel Sachalin und den Kurileninseln greifen und einen beträchtlichen Teil Sibiriens unter Kontrolle bringen. Anschließend Alaska.

So weit, so gut.

Dann hatte Nesterow noch von einem deutschen Gelehrten zu berichten, einem gewissen Dr. Kemmerich, welcher im Jahre 1913 in Berlin – oder möglicherweise in Leipzig – ein Buch herausgebracht habe mit dem Titel Das Kausalgesetz der Weltgeschichte. Darin habe auch dieser Doktor unter anderem angekündigt, dass 1923 ein neuer Krieg ausbrechen, zehn Jahre andauern und in seiner Verheerungswut alles Dagewesene übertreffen würde.

Buchstäblich die ganze Welt würde in diesen Krieg hineingezogen werden – letztlich also ein Weltkrieg. Schwere Auseinandersetzungen zwischen weißer und gelber Rasse wären die Folge – um am Ende zu wissen, wer die Hegemonie über die verbrannte Erde übernähme.

All dies hatte R. Nesterow Anfang März im Restaurant des Alt-Europa zum Besten gegeben, das mittlerweile renoviert und in Neu-Amerika umbenannt war.

Also lasst uns, sprach er, zu Wein und Weib greifen und uns des Lebens freuen. Was morgen sein wird, kann man nicht wissen! Denn die Zeit, sie fliegt, und nachts, da heult sie, dass es zum Fürchten ist!

Unglückliches K., im Guten und im Bösen, in jedwedem Leid, in Kriegen, Revolutionen, weltumspannenden Kataklysmen und andauerndem Diebstahl von Viehzeug aus privater Hand – Gott behüte dich, du meine liebe Stadt!

Die Leute hörten sich an, was Nesterow zu sagen hatte, und wollten es als Ammenmärchen verbuchen. Er aber grinste nur und bestand nicht darauf; na, wir werden ja sehen … Wer wird denn Angst vor einer Jahreszahl haben, brummelten die Leute unsicher, darauf er wieder nur: Warten wirs ab. Aber dann fiel den Leuten ein, dass es ja schon gut los gegangen war, man denke nur an die Überschwemmungen, und sie verstummten betroffen …

Worauf Nesterow, als er sah, dass er die Leute am Ende doch beeindruckt und verunsichert hatte, in ein bemüht spöttisches Lachen ausbrach.

Von Haus aus war er tatsächlich Mediziner und das Niveau seiner Wissenschaft gewiss außerordentlich. Er hatte es faustdick hinter den Ohren, so dass sein höchst sensationeller psychowissenschaftlicher Abend zweimal hintereinander (und noch einmal in der volkstümlichen Variante vor den Schülern des Gemischten Pädagogischen Gymnasiums) zur Aufführung gebracht werden musste. Auf dem Programm stand erstens ein Referat zu psychischen Phänomenen und ihrer Nutzanwendung zur Heilung nervöser Leiden ohne organische Ursache und zweitens ein experimenteller Teil. Die Experimente waren mnemotechnischer Natur (oder anders gesagt, drehten sie sich um die Frage, wie und durch welche Regeln und Verfahrensweisen wir lernen, nichts zu vergessen, respektive wie wir unser Zahlen- und Faktengedächtnis stärken und für die Aufbewahrung von Wissen, von dem wir nicht wissen, ob und wann es noch einmal gebraucht wird, sorgen können). Ferner gab es Experimente zum westeuropäischen Fakirismus sowie zu Hypnose und Katalepsie von Mensch und Tier. So hypnotisierte er zum Beispiel einen Schüler und heilte ihn so von seinem Stotterleiden, andere wieder vom Tabakgenuss.

All dies ereignete sich im Monat März, wie gesagt. Vortrag und Experimente wurden vor überfülltem Saal abgehalten; und auch zur zweiten Seance strömte das Volk von nah und fern, so dass die, die in der Umgebung der Lesehalle wohnten, noch zusätzliche Stühle herbeischaffen mussten. Und alles spannte darauf, die Fähigkeiten des Hypnotiseurs ein weiteres Mal zu erleben und sich in fremde, obskure Wissenschaften einführen zu lassen.

Einzig die anarchistische Jugend störte während der Vorführungen die Ordnung im Saal, indem sie den Referenten auspfiffen, sich gar erhoben und ihn beschimpften. Diese Experimente seien ein schwerwiegender Übergriff auf die menschliche Persönlichkeit, der freie Wille werde mit Füßen getreten, ihm werde Gewalt angetan, so äußerten sie sich, bis ringsum Leute aufsprangen und sie aus dem Saal warfen. Ach ja, diese Bürschchen, gab ihnen Nesterow liebenswürdig das Geleit, sie sehen in Rebellion, Unmutsäußerungen, Rüpelhaftigkeit und Waffengebrauch ihre einzige Zuständigkeit; das ist bedauerlich, verehrtes Publikum, äußerst bedauerlich, wenn wir uns vor Augen halten, wie viel Energie, Klugheit und Wagemut doch in ihnen steckt. Klugheit, na, das möchte man bezweifeln, hieß es dazu aus dem Saal, und es erging der Wunsch, den Vortrag fortzuführen. Alles in allem ging es also einigermaßen nett und friedfertig zu während der Veranstaltungen – warum nur musste es diesem Nesterow hinterher im roten Restaurant vom Alt-Europa noch einfallen, von den Prophezeiungen der Mimosa Tako-Shima zu erzählen und dabei billigen Schnaps zu trinken, zwo fünfzig die Flasche, und dabei war er alles andere als arm! Meine Herren! Er hatte Geld, viel Geld sogar, trank aber trotzdem den Schnaps zu zwo fünfzig, betrank sich wüst und hemmungslos. Und dem nicht genug, ließ er sich auch noch hinreißen, diese fünf jungen Hüpfer anzumachen (die größten Früchtchen der Schule!), wo man sich fragt, was sie zu so später Stunde in dem Restaurant zu suchen hatten, nachdem sie sich übrigens schon während des Vortrags herausfordernd und albern benommen und zur Genüge ins Händchen gekichert hatten … Das war Nesterow nicht entgangen, Maminkolew ebensowenig! Und überhaupt, wenn der Direktor an all die Eskapaden und Unannehmlichkeiten im Anschluss an Nesterows Märzvorlesung dachte, verzog er sich jetzt doch lieber schleunigst auf seinen Weinberg. Der kann mich mal!, murmelte er inbrünstig vor sich hin. Auf Psychosen und Metaphysik habe ich nicht die geringste Lust, und wenn er dem lieben Gott leibhaftig in die Suppe gespuckt hat. Basta! Ich verdufte, meine Herren! Soll ihm um den Bart gehen, wems beliebt, ich für meinen Teil will diese Geschichten nicht noch mal hören!

Sprachs und zog Leine, verdrückte sich in das Hüttchen auf seinem Weinberg.

Wo man am Freitag seine Leiche fand.

Mit Dum-dum-Kugeln zwischen die Brauen geschossen von Unbekannt. Der Kopf zu Matsch. Die Wand mit Hirn und Blut bespritzt, dem weit offenstehenden Fenster gegenüber.

Der Staatsanwalt vom Kreisgericht und ein zuständiger Kriminalbeamter eilten unverzüglich zum Tatort, doch so gründlich sie ihn auch untersuchten, sie konnten keine Spuren des Mörders entdecken. Allerdings fand sich in der Hand des Toten ein zerknüllter Zettel, darauf ein unvollständiger Satz: An den Herrn Polizeidirektor, am Ort. Ich, endesunterzeichneter Stojan Maminkolew, möchte Sie davon unterrichten, dass heute auf meinem Weinberg … – hier brach der Text ab. Der Staatsanwalt und sein ermittelnder Kollege schnaubten verdrossen und sahen sich ein letztes Mal um, bevor sie das Hüttchen mit bestempelten weißen Papierstreifen versiegelten, die Wachleute mit einem Wink nach Hause schickten, die Kutsche bestiegen und von dannen fuhren.

Ringsum war alles still und öde, nur der Zeppelinhangar lag grau in der Ebene.

Teufelszwirn

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