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Wie schwer es ist, eine berühmte Frau zu heiraten!

AUCH DAS ZWEITE KONZERT DER SÄNGERIN NADESHDA PLEWIZKAJA VOR VOLLEM HAUS • GRUSSADRESSE DER DANKBAREN BÜRGERSCHAFT • DIE TRÄNEN DER PLEWIZKAJA • TRÄNEN AUCH BEIM PUBLIKUM

FREIWILLIGER DER GENDARMERIE BEGEHT IN DER KASERNE SELBSTMORD. DIE EINZELHEITEN.

FREIW. KURUSANOW: WER WAR ER?

PRINZ ALS CHAUFFEUR: Österreichischer Ex-Erzherzog Leopold im Gefängnis. Seine Hoheit, der seit einiger Zeit einen reichen Wiener chauffiert, wurde verhaftet, weil er zu schnell fuhr. Korrespondenz der Pester Lloyd


Und immer noch in derselben atemberaubenden Nacht vom 7. auf den 8. August 1923, als das Volk sich nach der großen Volksbelustigung zerstreute und die Straßenhunde leise knurrend durch die verwaiste Stadt streunten, als einzig noch in Mitirisows Druckhaus die Walzen ratterten und rumpelten, weil dort die Freie Tribüne gedruckt wurde, als ein von der Müdigkeit, vielen Reden und vielem Trinken gefällter Minister hilflos in das extra für ihn entlauste Riesenbett im Neu-Amerika geplumpst war und der einstweilen noch unbekannte Peter St. Komitow ein Loch in den Zaun von Petko Ch. Simidtschiews Hof gemacht hatte und auf Zehenspitzen eingedrungen war, um die Pferde zu stehlen, da geschah es am anderen Ende von K., nämlich auf dem Hof der Kavalleriekaserne, dass ein gewisser Kurusanow, Freiwilliger der berüchtigten Vierten Gendarmerie zu Pferde, siebenunddreißig, ledig, weder angeklagt noch vorbestraft, zur Latrine schlich.

Dort sah er sich mehrfach um, ehe er ein Streichholz anriss und an irgendwelche Papiere hielt.

Dann zog er eine Pistole unter der aufgeknöpften Jacke der Sommeruniform hervor und schoss sich in den Mund, wovon seine Wangen bis zur völligen Unkenntlichkeit zerfetzt wurden und wie verkohlter Gummi aussahen.

Noch an selber Stelle, im Tohuwabohu der von dem Knall aufgeschreckten Kaserne, wurde zweifelsfrei festgestellt, dass die Person einer jener Räuberbanden angehörte, denen der Diebstahl von Handgranaten und sonstigen Waffen aus dem Regimentsarsenal zur Last gelegt wurde; Kurusanow höchstpersönlich sei der Ideengeber für den Raub und bei seiner Durchführung in jeder erdenklichen Weise behilflich und so weiter gewesen; bereits im Dezember 1923 sei er mehrfach mit der Lehrerin Sofija M., auch mit Armanassi Stojanow und anderen Anarchisten, gesehen worden, und diese Selbstentleibung durch den Mund sei – eindeutig! – nur deswegen verübt worden, weil Kurusanow entweder seine verbrecherischen Handlungen gegen den Staat vertuschen und alle diesbezüglichen Spuren tilgen wollte, oder weil sein Gewissen ihn plagte.

Da dies nun einmal feststand, spuckte man angewidert aus und überwand sich, den von Blut und Soldatenpisse triefenden, mit allerlei Unflat besudelten Leichnam aufzuheben und auf die erstbeste Decke zu werfen; noch vor Sonnenaufgang wurde er in der Tiefe des Kasernenhofes verscharrt, gleich neben dem schrecklichen Brunnen, in den am 26. März die zerfetzten und zerstückelten Leichen von acht – am darauffolgenden 27. noch einmal vier – jungen Anarchisten geworfen worden waren.

Als zugeschaufelt war, kehrte man zurück ins Haus und wusch sich die Hände.

(Nadeshda Plewizkaja wiederum bekam regelmäßig Briefe, in denen sie gebeten wurde, nach Russland zurückzukehren. Skoblin, ihr Gemahl, der dem Stab von Baron Pjotr Wrangel5 angehörte, schickte sie ihr nach, wo immer sie gerade weilte. Das neue System verlieh seiner Bitte auf verschiedenste Weise Nachdruck; Emissäre und Geheimagenten lockten mit reichlich Gold und Diamanten, Komfort und also Respekt; Telegramme pflasterten ihren Weg durch Europa und Amerika, doch diese vornehme Frau zog das Exil und die Freiheit und Unerschrockenheit des russischen Liedes den Diademen des Volkskommissars Georgi Tschitscherin6 vor – tat somit nur, so sagte sie, was Alexander Wertinski7 in den verräucherten, prallvoll mit Russen und glühendem Heimweh gefüllten Bukarester Kneipen und billigen Nachtklubs vormachte. Es war offenkundig, dass sie sich für länger in Bulgarien niedergelassen hatte, und Tschitscherin – der ohnehin nicht wusste, wo ihm der Kopf stand bei all den turbulenten Konferenzen, Protestnoten, feindlichem Schriftverkehr und dem unbeschreiblichen diplomatischen Hickhack – schien langsam einzusehen, dass so nichts zu machen war, winkte ab und schrieb keine Briefe mehr, statt dessen überstellte er der bulgarischen Regierung im Sommer 1923 überraschend eine diplomatische Note, in der er sie für die wachsenden Repressalien gegenüber Aktivisten des legalen Verbands zur Rückkehr in die Heimat (Sownarod)8, verantwortlich zieh. Des Weiteren erklärte er, dass im Falle, die Gefangenen würden nicht freigelassen, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken sich gezwungen sähe, gleich geartete Maßnahmen gegenüber den Hunderten in Russland lebenden Bulgaren anzuwenden – mit stillschweigender Unterstützung von Fridtjof Nansen9. Kein Wort indes in dieser Note über Nadeshda Plewizkaja! Sie selbst erfuhr von Tschitscherins Schreiben erst aus den bulgarischen Zeitungen und durfte daraus den Schluss ziehen, dass es ihm nur um die Sownarod-Gauner ging, nicht um sie. Ihre Verbitterung war groß, doch gab sie im ungastlichen Bulgarien weiterhin ihre Konzerte, als wäre nichts geschehen. Freilich in obligatorischer Begleitung einer Schar gnadenloser Kosaken, da sie die blutigen Rachegelüste des Weltbolschewismus und seiner Agenten bei Sownarod zu fürchten hatte. Tagsüber schwangen die Donkosaken virtuos ihre Säbel, führten ihre berühmten Reiterspiele auf und hatten ihre Geplänkel mit den Zeitungsreportern, weil die sie Dschigiten schimpften; abends sang sie in den verrauchten Salons der Offizierskasinos und in den nach Petroleum, Teeröl und Theaterschminke stinkenden Lesehallen, bekam Hunderte Grußadressen von Bürgern, die ihre Lieder zum Schluchzen gebracht, und drückte sich selbst ein paar heroische Tränen ab, während sie erzählte, wie man sie gewaltsam der Heimat beraubt hatte und wie sie sich seither standhaft Tschitscherins Einflüsterungen widersetzte, in das von der bolschewistischen Revolution und einem brudermörderischen Bürgerkrieg verwüstete Land zurückzukehren und sich und ihre Kunst in den Dienst des satanischen Regimes von Lenin, Leo Trotzki und Tschitscherin zu stellen, dem so viel Blut an den Händen klebte; zum Schluß trieben die Donkosaken die Traube ihrer Verehrer ohne Pardon auseinander, schlugen sich und vertrugen sich beim Saufen, wobei sie sich nicht genug wundern konnten über den in bulgarischen Kneipen herrschenden Überfluss, verschacherten ihre Kurzgewehre gegen Brot, während die Diva von einer Handvoll russischer Adliger – Freunden ihres Mannes, denen er sie auf ihren Reisen anvertraut hatte – ins Hotel nebenan geleitet wurde, wo sie regelmäßig an einem Tisch für sich zu Abend aß, während ihres Mannes Kumpane sich an den Nachbartischen betranken.)

So trat Nadeshda Plewizkaja also auch an jenem 8. August in K., nachdem sie auf dem vom Minister beehrten Volksfest gesungen hatte, noch ein zweites Mal auf – wegen der großen Nachfrage des hiesigen Publikums, jedoch auch, um Kasse zu machen. Wieder gab es Danksagungen, wieder erzählte sie, wie der hinterlistige Tschitscherin sie zu locken versuchte, und den Donkosaken konnte es wieder einmal nicht schnell genug gehen, dass die Schülerinnen vom Gemischten Pädagogischen Gymnasium und die anderen Verehrer verschwanden, und überhaupt war alles wie sonst auch, nur dass diesmal, während sie zuletzt im roten Salon des Neu-Amerika dinierte, sich jemand schwer auf einen Stuhl an ihrem Tisch fallen ließ, und das war Noah Markow.

Meine Dame, sprach Noah Markow versonnen, bestimmt wissen Sie nicht – woher sollten Sie auch, Sie sollten aber! –, dass ganz K. zu Noah Markow gerannt kommt, Wiener Kastenbetten kaufen, frisch eingetroffen und in sämtlichen Farben und Modellen vorrätig, auch die erlesensten Geschmäcker befriedigend … Verkaufe selbstverständlich auch in Raten!, wandte er sich herausfordernd den russischen Adligen am Nachbartisch zu, die starr, mit vollem Mund, herüberglotzten. Sprachs, um seine Aufzählung fortzusetzen: brandneues photographisches Material zu gesenkten Preisen, Gardinenstangen, Beistelltische, Handtuchhalter und Sonstiges … Aber ich bitte Sie, meine Dame! Sie hören ja gar nicht zu, was ich Ihnen sage! Äugen in der Weltgeschichte herum. Lassen Sie doch diese Blödiane da sitzen. Hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe, dann wird Ihnen alles klar! Wenn Sie zum Beispiel Interesse an hochwertig-günstigen Webmützen haben, Baretten, Schildmützen für Schüler und noch anderen, wo gehen Sie als erstes hin? Natürlich zu mir in meinen Laden, der sich am Coburg-Platz befindet, vis-à-vis vom Kaffeehaus Sliwen, das wiederum gerade hier gegenüber liegt, Sie könnten mein Geschäft demnach ganz bequem durch das Fenster des Restaurants sehen, in dem zu sitzen wir die Ehre und das Vergnügen haben, wenn es im Moment nicht gerade dunkel wäre … Wo waren wir stehen geblieben … Außer dem oben Genannten habe ich Oberhemden, Büstenhalter, Blazer, Krawatten, Handtücher und, Pardon, Schnupftücher im Angebot, außerdem Ärmelschoner, Strumpfhalter und auch, wenn ich das sagen darf, die zugehörigen Strümpfe, desgleichen Handschuhe, Unterhosen aus dem Hause Eger … Und erst meine Parfümerie – was das Herz begehrt – ich kann Ihnen sagen! Toilettenseife, Cremes, Puder, Lippenstifte, Kosmetik, Brillantinen und Pomaden, nämlich aus Kronstadt, Kölnischwasser, Feuchtpuder der Marke Schwan, Zahnpulver, Kinderspielzeug, Überzieher, will meinen: Präservative, mit Verlaub …

Was für eine Unerhörtheit!, kreischte Madame Plewizkaja endlich auf, doch es war nur ein schwaches Piepsen. Sie Barbar! Meine Herren, so tun Sie doch was!

Noah Markow, nervös werdend, klopfte einmal hart mit dem Knauf seines Krückstocks auf den Tisch, während die adligen Herren aufsprangen, um die Donkosaken zu Hilfe zu holen, die längst im Bulgaria gegenüber saßen (da, wo Krikor Derlemisjan morgens das einfache Glück – im Sinne von Gesundheit, nämlich in Form von frischem Joghurt – unter das Volk brachte, abends ab halb sechs dann zum Ruhme seines Lokals russischen Wodka) und sich wacker besoffen.

Der arme Noah gewahrte aus den Augenwinkeln, wie die russischen Junker die Stühle im Neu-Amerika beiseite fegten, durch die geschliffenen Glastüren stürzten und wie angestochen über den dunklen Platz rasten, auf das Bulgaria des kleinen Armeniers zu, doch drehte er sich umgehend wieder zurück zu der Dame am Tisch, nahm ergeben seinen brummelnden Singsang wieder auf: Klingeln, meine Verehrteste, Zinkbatterien, Schellen, Lichtschalter, Fahrradersatzteile, verschiedenartige Ketten, Naben, einfache und solche mit Rücktritt … aber die muss ich Ihnen hier nicht einzeln aufzählen, das wäre eine Werbemaßnahme für sich … Ich habe Schläuche vorrätig zum Abziehen von Wein und Schnaps, diverse Sorten Koffer und Taschen, als da wären Reisetaschen, Advokatentaschen, Jagdtaschen, Arztkoffer, Geldbörsen, Portefeuilles … Sprach ich schon die Wiener Kastenbetten an, den Stolz unseres Geschäfts? Ach ja, davon war schon die Rede, sagte er errötend, aber die Garderobenständer hatte ich noch nicht erwähnt, meine Dame, und die unbeschreiblichen Wiener Schemel, nicht wahr, wie ich auch noch kein Wort verlor über die unvergleichlichen Kanapees, die ich vertreibe, und die unerhörten Musikinstrumente nebst allem Zubehör; des Weiteren Gummibälle in verschiedener Größe, Lederfußbälle …

An dieser Stelle geruhte Madame Plewizkaja in Ohnmacht zu fallen, doch Noah Markow griff – durch die Wogen von Glitzerstoff, Moiré und schwarzer Spitze – geschickt zu, fing sie auf.

Aber meine Dame!, rief er erregt und besorgt. Was halten Sie von einem Fordson-Traktor? Diesem wendigen Universaltraktor, der beim Wettbewerb in Knesha 1921 den ersten Preis errang? Äußerst zweckmäßig, sparsam im Verbrauch, sehr beweglich, pflügt am Tag gut seine zwoeinhalb-drei Hektar, und für Notfälle habe ich übrigens immer einen Mechaniker an der Hand …

Mit Drohgebärden und triumphalen Schlachtrufen – Hoho! Wer-r-r-r wagt es? – kamen die Donkosaken über den Platz gerannt, doch Noah Markow, groß und herrlich, war nun in voller Fahrt: Meine Dame! All das lege ich Ihnen zu Füßen! Bei Gott, was wollen Sie mehr? Ich bin hier der reichste Mann am Platze, mein Laden ist der größte, und alles gehört Ihnen, Sie brauchen mich nur zu heiraten! Erfüllen Sie sich diesen innigen Wunsch, heiraten Sie mich und hören Sie auf, wie eine Zigeunerin mit dem Autobus durch dieses vermaledeite Bulgarien zu kutschen, von Dorf zu Dorf! Verehrteste, machen Sie sich nicht länger zum Gespött! Ich liebe Sie! Ja Was ljublju!10

In diesem Moment flogen die Kosaken mit blank gezogenen Säbeln zur Tür des Neu-Amerika herein. Noah Markow, beidhändig an den Tisch geklammert, beschwor die Sängerin, die Männer aufzuhalten, es werde sonst übel enden. Verehrteste!, rief er, bringen Sie sie zur Räson, diese Russenpossen haben uns gerade noch gefehlt! Madame aber in ihrer Erschütterung brachte keinen Ton hervor, und die Kosaken hatten ihn schon gepackt, mit wütendem Furor von Stuhl und Tisch gerissen, waren dabei, den lauthals Brüllenden durch die im elektrischen Licht blitzende Tür zu zerren, um ihn draußen zu malträtieren und zu massakrieren. A-a-a-aaah!, brüllte Noah Markow, ihr Esel, Hunde, Säue, ihr verdammten Tscherkessen, totschlagen sollte man euch, und diese elende Schlange dort drinnen gleich mit, totschlagen alle miteinander, wieso dulden wir euch überhaupt noch in diesem unseren Land …

O Gott, wisperte drinnen die bestürzte Plewizkaja vor sich hin, ogottogott! – worauf sie einem der zunächststehenden adligen Komplicen ihres Mannes eine schallende Ohrfeige verpasste, so groß war ihr Hass.

Draußen auf dem Platz gewahrte der diensthabende Wachmann vom Polizeirevier No 1, wie die Kosaken sich mühten, den verehrten Herrn Markow totzuprügeln, mit ihren Säbeln zu schlachten. Oje!, rief er und trillerte um Hilfe. Darauf kamen stiefelpolternd und mit verschlafenen Gesichtern Bereitschaftspolizisten aus dem Revier gesprungen, gefolgt von freiwilligen Hilfspolizisten in Zivil; derweil knallten auch schon im Umkreis überall Türen und klirrten Fenster, Frauen kreischten, und der geprügelte und getretene Markow jaulte: au-au-au!, während er seinen Kopf zu schützen suchte und unter den Armen hervor die enthemmt prügelnden Kosaken anschrie: Aa-a-ah!, schrie er, na wartet, Tschitscherin wirds euch zeigen, der zahlt es euch heim, ihr weißgardistische Brut!

Indem er dies schrie – dass Tschitscherin es ihnen zeigen und heimzahlen würde – wollte er sie natürlich nur schrecken und davon abhalten weiterzuprügeln, doch weit gefehlt – der verhasste Name stachelte sie noch an, härter zuzuschlagen in ihrer Wut und ihrer Besoffenheit.

Vom Bulgaria und vom Neu-Amerika her kamen die Männer von K. gerannt, um den Ihren herauszuhauen oder, wenn das schon nicht ging, doch wenigstens dem einen oder anderen Kosaken im Gemenge eins überzubraten … Und so begann, der Polizeistunde zum Trotz, eine handfeste Keilerei jeder gegen jeden, mit viel Blut und bloßen Fäusten, grässlich durch die Nacht gellenden Flüchen und Wehklagen zum Gotterbarmen.

Und als das Handgemenge auf seinem Höhepunkt war, das Krakeelen am Ohrenbetäubendsten, da knallte von einem der finsteren Dächer herab plötzlich ein Schuss.

Nur einen Augenblick später ritten mit donnernden Hufen die Berserker der berüchtigten Vierten Gendarmerie zu Pferde auf dem Platz ein, fegten mitten in den prügelnden Haufen hinein, umzingelten ihn und begannen gnadenlos und stumm, mit wohlgezielten Schlägen, darauf einzuprügeln, während die Polizei schon beim Verhaften war – alle ohne Ansehen, gleich ob Kosake oder Bulgare, wurden sie zusammengetrieben und zum Revier geschleppt, entweder zu No 1 gleich gegenüber oder zu No 2, das hinter der Kirche gelegen war. Am Ende waren es dreiundzwanzig Männer, die in dieser Nacht arretiert wurden. Nur Noah Markow ließ man, aus einer Mischung von uralter Verbundenheit und Überdruss, laufen, klopfte ihm noch den Staub vom Mantel, bevor er heimkehrte in sein leeres Riesenhaus, wo er den Rest der Nacht damit zubrachte, zu stöhnen und zu ächzen und seine grausamen Prellungen von den eisernen Fäusten der Kosaken und den Stumpfseiten ihrer verfluchten Säbel zu pflegen.

Im Morgengrauen rief er Kolja zu sich, seines Zeichens Fordson-Traktormechaniker, doch an sich nur Noahs Gehilfe, setzte ihm wispernd und rachsüchtig zischend etwas auseinander, der Junge nickte nur, grinste schief und verschwand um die Ecke; dort, irgendwo unter dem Schweinestall, wühlte er verstohlen einen Mannlicher-Karabiner mit zwei Patronentaschen Dum-dum-Geschossen aus dem Dreck. Nach einem finsteren Blick die menschenleere Straße hinauf und einem ebensolchen hinab machte er sich forsch auf den Weg durch das Labyrinth der Höfe, Schuppen und Stallungen, Abtritte, Hinterpforten, Obst- und Gemüsegärten, bis er sich im grauenden Morgen dieses 9. August 1923 verlor.

Teufelszwirn

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