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Neue Unruhewelle

VERSAMMLUNG VON KOMMUNISTEN UND ANARCHISTEN • ORDNUNG WIEDERHERGESTELLT • ERKLÄRUNG DES GARNISONSKOMMANDANTEN

KOMMUNISTEN UND BAUERNBÜNDLER VERHAFTET

AUFWIEGLERISCHE FLUGBLäTTER • VERHAFTUNGEN ERFOLGTEN OHNE GEGENWEHR • STADT UND LANDKREIS WIEDER FRIEDLICH!

VERHAFTUNGEN IN SOFIA!

KABAKTSCHIEW FESTGESETZT – Der Alte unter Hausarrest gestellt. Wie ist sein Gesundheitszustand? – In Sofia wird gestreikt! (Von unserem Sofioter Korrespondenten am 12. d. Monats)


In all der Hochstimmung und Freude über den eingetretenen sozialen Frieden war es um so unangenehmer, dass am Montag, dem 10. September, vorgeblich aus Anlass irgendeines internationalen Tages der Jugend, die Milchbärte von der Komsomolorganisation Roter Tag in einem nahegelegenen Dorf ein sogenanntes Massenmeeting veranstalteten. Mit Kundgebung, Rote-Fahnen-Schwenken und so weiter, wobei sich zuletzt gar noch ein Dutzend Anarchokommunisten mit ihren schwarz-roten Fahnen zugesellten. Das eine so wenig wie das andere und nichts dergleichen war von den örtlichen Organen genehmigt worden, weshalb der Ortsbürgermeister umgehend zum Hörer griff, den Vorfall aufgeregt weitermeldete und Hilfe aus Ju. anforderte.

Sogleich entsandte Ju. ein paar schlagkräftige Kavallerieeinheiten aus dem hier ansässigen heldenhaften x-undzwanzigsten Regiment, verstärkt durch Patrouillen der berüchtigten Vierten Gendarmerie zu Pferde.

Im Dorf eintreffend, umzingeln sie erst einmal den Platz, und die Jungkommunisten und -anarchisten werden gebeten, nach Hause zu gehen, man macht sie darauf aufmerksam, dass eine Aktion wie die ihre in jedem Fall vorher polizeilich genehmigen zu lassen sei. Eine solche Genehmigung liege nicht vor! Der Tag der Jugend ist international anerkannt, wenden die Jugendlichen ein, um ihn zu begehen, braucht es keine Genehmigung! – worauf erwidert wird: Stellt euch nicht blöd, der Tag der Jugend ist am zweiten September und längst vorbei, das wisst ihr doch genau. Ferner wird darauf verwiesen, dass sich, wie jeder sehen könne, nicht nur die Dorfjugend hier versammelt habe, sondern der ganze Nordosten des Landkreises, was schon mal erst recht verboten sei. Und sogar gänzlich fremde Personen seien darunter, hier greife schon das Gesetz zur Verfolgung des Räuberunwesens! All das wird festgehalten und hinzugefügt, man wolle auch hiervor ein Auge zudrücken, rufe die Manifestanten aber nochmals zu Friedfertigkeit und gesundem Menschenverstand auf. Die wollen sich den Aufruf jedoch partout nicht zu Herzen nehmen, stimmen im Gegenteil provokative Hymnen an wie zum Beispiel die Internationale und Sonstiges dieser Art. Ihr Anführer, jung an Jahren, doch als gefährlicher, lodernder Kommunist aktenkundig, schüttelt sein struppiges schwarzes Haar und singt am lautesten, wobei er den Soldaten herausfordernd ins Gesicht blickt.

Die Warnung wird ein drittes Mal ausgesprochen: Geht friedlich auseinander! Sie wird auch diesmal in den Wind geschlagen. Also ergeht an die Truppe das Kommando zum Eingreifen.

Diese rückt von allen Seiten gegen die ungesetzliche Versammlung vor und räumt den Platz …

Die ungefähre Hälfte der Jugendlichen wird festgenommen. Den Übrigen gelingt es zu entkommen. Sie fliehen mit ihren Fahnen durch die krummen Gassen, die Reiter stürmen durch bronzefarbene Staubwolken hinterdrein. Hier nun schließen sich auch die Männer von der neuformierten Bürgerwehr des Dorfes mit ihren Fahnen begeistert den Verfolgern an.

Staubig und verschwitzt treffen die Truppen am späten Nachmittag wieder in Ju. ein. Der Ausrufer, aus dem Nachmittagsschläfchen gerissen, läuft los mit seiner Trommel und hat zweierlei zu verkünden: erstens, dass die Polizeistunde wieder eingeführt wird, und zweitens, dass für den Abend um halb acht eine Kundgebung auf dem Coburg-Platz anberaumt ist.

Hier nun kriegen die Bürger von Ju. eine einschüchternde Rede von Major Leonkow zu hören, die geht wie folgt:

Bürger der Stadt! Wollt ihr alle es wirklich mitansehen, dass gerade jetzt, wo die schwer genug wiederherzustellende Ruhe endlich eingekehrt ist, wo unsere Stadt sich die schrecklichen Erinnerungen an den 26. März allmählich von der Seele lädt, wo Seine Majestät höchstpersönlich uns mit seinem Erlass beglückt hat und wo die Mörder vom Bauernbund mitsamt den anderen Blutsaugern endlich in ihren Zellen schmoren und dem Urteil des hohen Gerichts und der gerechten, gnadenlosen Vergeltung entgegensehen, dass gerade jetzt diese jämmerlichen Typen, Anarchisten, Kommunisten, Komsomolzen und deren anscheinend nicht zu bändigende, schwererziehbare Partei, auch wenn die neue Macht ihr am 9. Juni aus Beweggründen der Humanität großmütig verziehen hat, dass die also jetzt wieder anfangen, uns gegen das Schienbein zu treten? Schon wieder die Ordnung stören, neue, tückische Ränke schmieden, wo man nur noch mit dem Schwert dazwischenhauen kann, wenn die den Frieden im Kreismaßstab immer wieder gefährden und dabei meinen, sie dürften sich hinter dem Schutzschild ihrer angeblichen Neutralität verstecken, die aber nur ein Mythos und als solcher immer mehr am Bröckeln ist!

So spricht der Major Leonkow, das Volk auf dem Platz wird schon ein bisschen unruhig, da hebt er die Hand, holt nach hinten aus und lässt die Handkante zornig nach unten fahren:

Nein und nochmals nein, das lassen wir nicht zu! Wir als Militär – und ich denke hier genauso im Namen der Herren Kollegen von der Polizei zu sprechen, der wackeren Bürgerwehr wie auch der beinharten Gendarmerie und in euer aller Namen, dem des ganzen tapferen bulgarischen Volkes – wir stehen unerschütterlich auf unserem Posten! Und meine väterliche Warnung ergeht an alle: dass wir nicht zögern werden, Versuche jeder Art zu unterbinden, die Ordnung und sozialen Anstand in unserer Gesellschaft diskreditieren wollen! Gnadenlos werde ich solche Versuche im Keim ersticken! Und dass wir von nun an gnadenlos gegen alle Aufrührer sein werden, das schwöre ich Mutter Bulgarien bei Gott! Da wird keiner geschont! Das Vertrauen in die Macht wird wiederhergestellt mit allen gesetzlich verankerten Mitteln!

So sprach der Major, und seine Stimme donnerte über den betroffen schweigenden Platz, hinweg über die drei Kordons Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett, die ihn vom Volke trennten.

Welches sich dumpf rumorend zerstreute …

Das hiesige Paarundzwanzigste Regiment formierte sich und zog ab in Richtung Bahnstation, wo es sich – jenseits der Bahnlinie in Zelten kampierend – kraft einer Geheimdepesche von der Zentralregierung in Bereitschaft zu halten hatte.

Bis auf Widerruf!


Freie Tribüne


13. SEPTEMPER 1923


Kommunisten und Bauernbündler verhaftet

Auf Befehl der Zentralregierung vom 12.09. wurden hochrangige Führer der Kommunisten und Bauernbündler sowie aktive Funktionäre beider Organisationen aus der Stadt und dem Landkreis verhaftet, da Flugblätter mit volksverhetzendem Inhalt abgefangen wurden, die zur Verbreitung auf den Dörfern bestimmt waren.

Ohne Gegenwehr verhaftet

Da die Zuführungen auf gesetzlicher Grundlage erfolgten, sahen die Delinquenten offenbar keine Gelegenheit, sich ihr zu entziehen. In der Stadt und im Landkreis herrscht nun wieder die Ruhe, wie man sie vom 9. Juni kannte. Ordnung und Sicherheit werden durch freiwillige Milizen gehütet, die Polizei und Armee zur Hand gehen.

Verhaftungen auch in der Hauptstadt

( 12. September. Von unserem Sofioter Korrespondenten)

Wie im ganzen Land, so wurden auch in der Hauptstadt zahlreiche Personen aus den Reihen des Bauernbundes und der Kommunisten verhaftet, da sie der Vorbereitung bewaffneter Rebellionen verdächtigt sind. Unter ihnen der KP-Funktionär Christo Kabaktschiew40. Aufgrund seines verschlechterten Gesundheitszustandes wurde der langjährige Kommunistenführer Dimiter Blagoew41, genannt der Alte, lediglich unter Hausarrest gestellt. Unterdessen gab der von den Kommunisten besonders verehrte Altfunktionär in einer Sofioter Zeitung eine Erklärung ab, deren Einzelheiten wir in der nächsten Ausgabe veröffentlichen werden.


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