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1959

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Der neue Intendant des Ulmer Theaters, Kurt Hübner23, entließ als erste Amtshandlung meine Mutter als Frau seines Vorgängers, dessen bahnbrechende Erneuerungen des Theaters (zum Beispiel das Studiotheater »Podium«, in dem das Publikum um die Bühne herumsaß, Inszenierungen des in den fünfziger Jahren in Westdeutschland verpönten Bert Brechts, oder das Engagement von späteren Theaterrevolutionären wie Peter Zadek24 und Wilfried Minks25) er von nun an auf seine Fahnen schrieb.

Meine Mutter, die junge Witwe mit zwei Kindern, fand eine Stelle beim Bayrischen Fernsehen und musste schweren Herzens ihren Beruf als Schauspielerin aufgeben. Wir zogen um in ein Reihenhäuschen mit Handtuchgarten in Obermenzig am Rande von München, direkt nach dem Ende der Autobahn, wenn man von Ulm kam. Zum Glück gab es auch dort ein schönes Mädchen, sie hieß Mucki und brachte mir bei, dass man auf den umliegenden Wiesen Sauerampfer pflücken konnte, der lecker schmeckte.

Meine neue Schule war zwar ganz in der Nähe, aber sie war düster, geduckt, und es stank nach Linoleum. Der Lehrer war alt, hässlich und streng, der Unterricht machte keinen Spaß. Das Klassenzimmer war riesig, dunkel und wirkte wie ein Kellergewölbe. An der Wand hing ein riesiges Bild des Bundeskanzlers. Er hieß Konrad Adenauer und schaute angsteinflößend ins Zimmer.

Einmal standen wir vor Beginn des Unterrichts vor dem Bild und ein Junge gab damit an, dass sein Vater den Adenauer schon einmal in echt gesehen habe und dass der überhaupt der wichtigste Mann in ganz Deutschland sei. Da musste ich furchtbar lachen, zeigte auf den vorgeschobenen Mund dieses Mannes und sagte: »Aber der sieht doch aus wie ein Affe!« – alle umstehenden Kinder lachten mit.

»Was hast du da gesagt?«, ertönte eine schneidende Stimme hinter mir. Der Lehrer war hereingekommen, ohne dass ich das gemerkt hatte. Er stand mit seiner Aktentasche in der Hand hinter mir und funkelte mich böse an.

Ich zuckte mit den Achseln. Dann zeigte ich auf das Bild: »Der kann ja nichts dafür, dass er so aussieht!«

»Jetzt reicht’s aber«, rief der Lehrer, ging wütend zu seinem auf einem Podest erhöht stehenden Schreibtisch und knallte seine Aktentasche darauf. Dann winkte er mich mit dem Zeigefinger zu sich, während alle anderen Kinder sich setzten, und befahl mir, mich vor der Klasse aufzustellen. Er öffnete die Schublade, holte etwas heraus und hielt es hinter seinem Rücken, während er zu mir herunterkam.

»Jetzt schauts mal alle her«, sagte er zur Klasse gewandt, als er neben mir stand, »was passiert, wenn man so frech ist wie der Wackernagel.«

Er befahl mir, die rechte Hand hochzuheben und die Finger flach zu strecken. Dann legte er seine linke Hand darunter und holte mit der rechten hinter seinem Rücken ein Bastrohr hervor.

»Damit du nie vergisst«, fuhr er mich mit zusammengekniffenen Lippen an, »was für ein Sauhund du bist«, schlug mit dem Bastrohr ganz vorne auf meine Finger, fast auf die Fingernägel, und zählte: »eins, zwei, drei –« bis zehn.

Es tat saumäßig weh, aber ich verkniff mir die Tränen und schwor Rache26.

RAF oder Hollywood

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