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Meine erste Reise nach Guinea

Erster Flug nach Conakry! Meine dort lebende Schwiegermutter hatte ich bereits ein Jahr vorher bei einer Reise in den Senegal / Dakar kennengelernt, sodass ich recht zuversichtlich und neugierig die Reise in das mir bis dahin unbekannte Land Guinea antrat. Jean Claude hatte mir so viel von seiner Heimat erzählt, vor allem aus seiner Kindheit, dass in meinem Kopf Bilder entstanden waren, die, als wir in Guinea angekommen waren, nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hatten.

Fatou, Jean Claudes Mutter, versuchte, uns den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Es wurde geplant und organisiert, und die Pläne, die am Tag davor hundertprozentig sicher schienen, wurden umgestoßen, und es wurde von neuem geplant und organisiert – Auto besorgen – wird es Benzin geben – bei den Behörden einen titre de voyage besorgen – wo werden wir übernachten – wie ist die Stimmung im Land, können wir die zwei »Weißen« ohne Risiko reisen lassen (natürlich nur in Begleitung von JCs Bruder Gérard)? Wir wollten die Orte besuchen, die uns JC aus seiner Kindheit und Jugendzeit beschrieben hatte, aber uns standen nur zwei Wochen Zeit zur Verfügung. Ich hatte fast schon alle Hoffnung aufgegeben, als es hieß: »Morgen sechs Uhr fahren wir los.« Es wurde zehn Uhr, aber wir fuhren. Ich war beeindruckt von der starken Persönlichkeit meiner Schwiegermutter; sie hatte alles in der Hand und regierte mit festem Griff ihr Reich. Dieses Reich war nicht nur der Hof, in dem sie lebte, sie hatte Beziehungen zu hochrangigen Politikern, und auch in ihrer Großfamilie war sie eine manchmal gefürchtete, aber vor allem hochgeschätzte Frau.

Fatoumata Aribot

Aus einer gebildeten Familie stammend, war sie die wichtigste Person in Jean Claudes Leben. Sie war die jüngste und einzige Tochter einer gesellschaftlich anerkannten Familie in Conakry und gehörte zu den wenigen jungen Mädchen, die eine höhere Schulbildung absolvieren durften. Im Senegal gab es das einzige Lehrerinnenseminar für ganz West-Afrika. Dort wurde sie ausgebildet.

Als junge Lehrerin war sie bereits politisch engagiert und kämpfte für die Rechte der Frauen und die Befreiung von der französischen Kolonialmacht. In der Unabhängigkeit auf der Basis einer sozialistischen Revolution sah sie den einzig möglichen Weg aus Unterdrückung und Armut. Wegen ihrer Klugheit und ihres starken Willens schaffte sie es unter Sékou Touré in hohe politische Ämter. Als sich Sékou Touré jedoch zum Diktator entwickelte, zog sie sich mehr und mehr aus öffentlichen Ämtern zurück und lebte in Conakry in ihrem Haus. Ihre politischen Beziehungen blieben ihr bis an ihr Lebensende. Durch ihr kluges und umsichtiges Verhalten geriet sie nicht wie viele andere Politiker in den 1970er Jahren in politische Gefangenschaft, die nicht selten mit Folter und Mord einherging. In vielerlei Hinsicht brach sie mit vorhandenen Traditionen und Rollen, zum Beispiel trug sie in den 1950er Jahren bereits Hosen und provozierte damit die traditionelle, in großen Teilen islamisch geprägte Gesellschaft; aber sie war nie respektlos gegenüber Traditionen. Ihr Einsatz für die kleinen Leute und die Unterstützung all jener, die bei ihr Hilfe suchten, brachten ihr in dieser patriarchalen Gesellschaft Respekt und Anerkennung landesweit. Man nannte sie nicht bei ihrem Namen, sondern man nannte sie »Madame«. Diese starke und durchsetzungsfähige Mutter hat die Persönlichkeit Jean Claudes erheblich geprägt, denn er musste lernen, seine Interessen zu vertreten, sich durchzusetzen – auch oft gegen ihren Willen. Er rieb sich an ihr, lernte von ihr, und sie blieb immer sein Vorbild.


Jean Claude mit seiner Mutter (1951/52)


Fatou Anbot vertritt Guinea bei einer Weltfrauenkonferenz


JC tanzt mit seiner Mutter

Von den drei Söhnen war Jean Claude derjenige, der stark genug war, sich zu behaupten und seinen Weg zu gehen. Nach der Trennung der Mutter vom Vater erreichte er es, dass die drei Brüder auch gegen den Willen der Mutter die Schulferien beim Vater verbringen konnten. Der zwei Jahre ältere Bruder Pierre ging ins Ausland zum Studium und ließ sich danach in Marokko als Chirurg nieder. Auf diese Weise entzog er sich dem Einfluss seiner Mutter, die seine Lebensweise als Junggeselle nicht akzeptieren konnte. Er heiratete erst nach ihrem Tod. Gérard, der Jüngste der drei Söhne, hatte die größten Probleme sich abzugrenzen und war sehr viel stärker auf die Mutter fixiert. Er lebte in ihrem Haus. In Guinea war und ist es gesellschaftlich problematisch, nicht verheiratet zu sein, egal ob Mann oder Frau. Fatou Aribot verheiratete ihren jüngsten Sohn zweimal ohne Erfolg, schon nach kürzester Zeit kam es zu Trennung und Scheidung.

Albert Diallo

Der Vater, ebenfalls Lehrer, war mehr von der französischen Kolonialzeit geprägt. Als Sohn eines französischen Kolonialbeamten und einer Frau aus Guinea, die sehr jung verstarb, wuchs er in einem Heim auf.

Der Kampf gegen die Kolonialmacht war für ihn stark von ambivalenten Gefühlen geprägt, da er als sogenannter »Mischling« weniger unter Unterdrückung und rassistischen Demütigungen zu leiden hatte. Nachkommen von Weißen standen in der Hierarchie über den Schwarzen. Auch später während der ersten Republik gab es Gruppierungen, die aufgrund ihrer helleren Hautfarbe den anderen das Gefühl vermittelten: »Wir sind etwas Besseren als ihr.« Dieses Phänomen zeigte sich vor allem bei der Schicht der Intellektuellen. Sie hatten in der Zeit, als die Franzosen im Land waren, leichter Zugang zu Bildung und gehörten somit zur Elite des Landes. Diese Gründe und sicher auch andere führten dazu, dass sich der Vater Albert Diallo während der Herrschaft des sozialistischen Diktators Sékou Touré politisch bedeckt hielt und sich vorwiegend auf seine Arbeit als Lehrer und später als Schulinspektor konzentrierte und hier Karriere machte. Fatou und Albert heirateten Anfang der 1940er Jahre. Er war Katholik, sie war eine Muslima. Bei beiden spielte die Religion nur eine untergeordnete Rolle. Sie bekamen vier Kinder: Pierre, Jean Claude, Gérard und ein Mädchen, das mit drei Jahren starb. Die Ehe hielt nur einige Jahre; sie war geprägt von heftigen Auseinandersetzungen, die dann, verschärft durch erheblichen Alkoholkonsum des Vaters, zur Scheidung führten. Die Tradition verlangte, dass die Kinder den Glauben des Vaters übernahmen.

EIN FRANKFURTER AUS AFRIKA

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