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„Kontakt mit der Firma“

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Der Wiener Adelige Otto von Eiselsberg (1917–2001) studiert Rechtswissenschaften und besucht zwischen 1936 und 1938 die Konsularakademie Wien. 1949 tritt er in den Dienst des österreichischen Außenministeriums ein, wird Sekretär von Außenminister Karl Gruber (1909−1995) und arbeitet dann als Diplomat, Vizebotschafter und Botschafter in London, Genf, Canberra, Moskau, Tokio und Paris. Ab Ende der 1950er-Jahre arbeitet Otto von Eiselsberg unter dem Decknamen „Talon“ und der Decknummer „V-7331“ als bezahlter Informant für den BND. Ab 1960 wird der damals an der österreichischen Botschaft in Paris stationierte Diplomat für den BND zu einer wichtigen Quelle in Sachen Südtirol.41

Otto von Eiselsberg ist ein profunder Kenner des Südtirol-Problems, vor allem aber hat er in Nordtirol einen engen Freundeskreis, der sich aktiv mit Südtirol beschäftigt. Zu nennen sind hier Franz Gschnitzer (1899−1968), Staatssekretär im österreichischen Außenamt und Obmann des Bergisel-Bundes (BIB), der Tiroler Landesrat und BAS-Vertraute Aloys Oberhammer (1900−1983) sowie der Diplomat Carl Heinz Bobleter (1912–1984), damals Leiter der österreichischen Mission bei der OECD in Paris und ehemaliger Mitschüler Eiselsbergs. Einen ganz besonderen Draht hat der BND-Mitarbeiter aber vor allem zu Viktoria Stadlmayer. In einem der BND-Berichte wird eingangs festgehalten:

Quelle sprach in Innsbruck am 20.6. nachm. die Südtirol-Referentin der Tiroler Landesregierung, mit der er seit Kindheit eng befreundet ist, Frau Dr. Vict. Stadlmayer.42

Jahrelang erhält „V-7331“ in diesem informellen Netzwerk absolut vertrauliche Informationen über die österreichische Südtirol-Politik, die politischen Spannungen zwischen Wien und Innsbruck, aber auch über die Entwicklung innerhalb des BAS. Zudem erfüllt der BND-Informant auf Weisung seines Dienstgebers in Pullach immer wieder Ermittlungsaufträge und stellt konkrete Nachforschungen über Personen oder Vorgänge rund um den BAS an, etwa über die Rolle des Wiener Verlegers Fritz Molden oder über Wolfgang Pfaundler und die Affäre um das aufgeflogene Waffenlager am Innsbrucker Haydnplatz.43 Den Großteil seiner Berichte lässt „V-7331“ von seinem Dienstsitz an der österreichischen Botschaft in Paris, wo er von 1960 bis Ende 1963 als Legionsrat tätig ist, per Kurier nach München liefern. Geführt wird der BND-Agent von Siegfried Ungermann (DN „Schröder“ und Tarnziffer „512“), der bereits in der Kriegszeit zusammen mit Reinhard Gehlen in der Abteilung „Fremde Heere Ost“ (FHO) als Nachrichtenoffizier tätig war und danach mit Gehlen zuerst zu Org. und dann in den BND wechselt. In einem internen BND-Vermerk über den Mitarbeiter Otto von Eiselsberg heißt es:


Diplomat und BND-Informant Otto von Eiselsberg (1979 in Nizza): „Stadlmayer ist mit dem Berichter durch Abstammung und Erziehung seit Kindheit verbunden.“

V-7331 ist Anfang August 1961 in München. […] Es besteht die Möglichkeit, V-7331 zu dem Gesamtkomplex Südtirol, das dem MA [Abkürzung für Mitarbeiter – Anm. d. Autors] besonders am Herzen liegt, zu befragen. Weiterhin ist es möglich, V-7331 spezielle Fragen und Themen, die der Klärung bedürfen, vorzulegen, da er über sehr gute Beziehungen zur österreichischen Regierung, resp. zur Tiroler Landesregierung in Innsbruck verfügt, die eine eingehende Klärung ermöglichen und erleichtern.44

Otto von Eiselsberg ist innerhalb des BND für den „Strategischen Dienst“ tätig. Als Berufsdiplomat fühlt er sich berufen, die Südtirol-Krise im globalen Zusammenhang zu analysieren. So schreibt „V-7331“ im August 1961:

In Südtirol besteht ein zunehmend stärkerer Wille, sich gegen die italienische Bedrückung aufzulehnen. Diese Auflehnung wird insbesondere von solchen Personen getragen, die während des 2. Weltkrieges in der deutschen Wehrmacht gekämpft haben und vielleicht z. Z. des Dritten Reiches eine mehr als minder bedeutende Rolle in nationaler Richtung gespielt haben. Über diese emotionelle Aufstandsbewegung lagern sich im Verlauf der Zeit verschiedene andere Elemente, u. a. eine nicht ausschließbare Ostblockeinwirkung […], genauso wie es auch denkbar ist, dass z. B. die USA über Fritz Molden in den Komplex eingreift. Vor einigen Monaten wurde V-7331 von dem sog. „Gesandten Libik“ (in Wahrheit CIA-Exponent bei der US-Botschaft in Paris) auf das Südtirol-Problem angesprochen.45

Ende 1963 kehrt Otto von Eiselsberg nach Wien ins österreichische Außenministerium zurück, wo er bis 1966 tätig ist, zuerst als Personalchef und dann als Leiter der Ostabteilung. Ende 1967 wird der BND-Informant dann zum österreichischen Botschafter in Japan ernannt. Eiselsberg bleibt bis Mai 1971 in Tokio.46

In all diesen Jahren berichtet „V-7331“ dem BND nicht nur über Österreichs Außenpolitik oder seine Gastländer, sondern immer wieder auch über Südtirol. Der Diplomat bleibt vor allem mit Viktoria Stadlmayer und Carl Heinz Bobleter in Kontakt und meldet alles nach Pullach. Der BND führt „V-7331“ ab 1961 als „Mitarbeiter“, was auf eine kontinuierliche finanzielle Entschädigung aus Pullach schließen lässt.

Im Frühjahr 1963 berichtet „V-7331“ über eine Aussprache mit Viktoria Stadlmayer, in der diese über Norbert Burger herzieht. Im BND-Bericht heißt es:

Er ist nach einwandfreien Informationen Verbindungsmann für ehemalige SS-Leute, die von der SBZ aus über Bayern nach Oberösterreich gesteuert werden. Von dieser Gruppe werden die Sprengstoffanschläge in Italien organisiert und durchgeführt. Mit einer Verstärkung dieser Sprengstoffanschläge ist zu rechnen, da sie ein Teilglied einer Ostaktion gegen die EWG einerseits bilden und andererseits einen italienischen Einspruch hervorrufen sollen, der die österreichische EWG-Mitgliedschaft verhindert.47

Viktoria Stadlmayer echauffiert sich laut diesem Bericht bei Otto von Eiselsberg alias „V-7331“, dass sie „um dringenden Kontakt zur Firma gebeten habe“, diese sich aber nicht gemeldet hätte. Innerhalb des BND ist „Firma“ die gängige Bezeichnung für den Nachrichtendienst selbst. Stadlmayer ersucht Otto von Eiselsberg, unmittelbar einen ihr bekannten Mitarbeiter des BND zu kontaktieren: „Dr. Ohlendorf“. Im Bericht heißt es dann weiter:

Jedoch wies V-7331 wahrheitsgemäß darauf hin, dass sein letzter Kontakt zu diesem vor etwa sechs oder sieben Jahren bestanden hat und er daher kaum eine Möglichkeit sieht, ihrem Wunsch heute zu entsprechen. Die Verbindung V-7331-Ohlendorf war kein ND-Kontakt [ND = Nachrichtendienst – Anm. d. Autors], sondern im Zusammenhang mit irgendwelchen Freimaurer-Angelegenheiten entstanden. […] V-7331 kann sich Frau Dr. St. gegenüber nicht exponieren.48

Hier fällt auf, dass der Sachbearbeiter, der über 50 Jahre später für den Autor die Akten zur Einsicht in Pullach aufbereitet, etwas geschlampt hat. Er hat nämlich vergessen, das „Frau Dr. St.“, das für Viktoria Stadlmayer steht, wie vorgesehen zu schwärzen.

Stadlmayers Wunsch hat einen klaren Hintergrund. Dr. Gert Ohlendorf (*1910), DN „Oheimb“ und Tarnnummer „V-54“, ist einer der ältesten Mitarbeiter von Reinhard Gehlen. Der Arzt stößt als einer der Ersten bereits 1946 zur Org. „Oheimb“ arbeitet danach bis zu seiner Pensionierung 1975 für den BND, tätig in der Abteilung „Sonderverbindungen“. Er ist es auch, der sechs Jahre zuvor auf Weisung von Reinhard Gehlen jene Operation leitet, mit der Ferdinand von Cles in die USA geschickt werden soll, um für Südtirol Stimmung zu machen. Spätestens damals dürften sich Stadlmayer und Gert Ohlendorf kennengelernt haben.

Der BND bemüht aber keinesfalls „Oheimb“, sondern es ist wiederum die Gehlen-Vertraute Annelore Krüger, die sich am 21. April 1963 mit Stadlmayer trifft. „Stasi“ kann dabei außer einigen Zeitungsberichten aber keine konkreten Beweise für die angebliche Oststeuerung der Attentate vorlegen. Zwei Jahre später wiederholt sich die Geschichte. „V-7331“ meldet am 21. Juni 1966 nach Pullach:

Die Südtirol-Referentin in der Tiroler Landesregierung, eine durchaus seriöse Persönlichkeit, Frau Dr. Victoria Stadlmayer – seit Jahrzehnten auch bekannt und befreundet mit dem Südtirol-Exponenten in der Bundesregierung in Wien, C. Bobleter – hat dem Berichter, mit dem sie ebenfalls durch Abstammung und Erziehung seit Kindheit verbunden ist – expressis verbis unter vier Augen gesagt, dass sie selbst nunmehr endlich die Beweise dafür in der Hand habe, dass es die SBZ sei, die immer wieder im Südtiroler Raum Unruhe stifte.

Segretissimo, streng geheim!

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