Читать книгу Segretissimo, streng geheim! - Christoph Franceschini - Страница 17
ОглавлениеDas Schicksal der deutschsprachigen Minderheit in Norditalien und die politische Entwicklung rund um Südtirol sind auch in der jungen Bundesrepublik politisch ein immer wiederkehrendes Thema. Auch der deutsche Auslandsnachrichtendienst wirft von Anfang an ein Auge auf die ethnische Minderheit in Italien. Viele Akteure, die zuerst in der „Organisation Gehlen“ (Org.) und dann im „Bundesnachrichtendienst“ (BND) tätig sind, haben aus der Kriegszeit noch persönliche Verbindungen zu und nach Südtirol. Somit rückt das kleine Land zwischen Eisack, Etsch und Rienz unweigerlich in den Fokus des deutschen Geheimdienstes.
Als Anfang der 1960er-Jahre der „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) mit seinen Anschlägen gegen faschistische Denkmäler, Volkswohnbauten und Strommasten beginnt, weckt die illegale Untergrundbewegung auch das sicherheitspolitische Interesse des BND. Vor allem die Frage, ob die Anschläge der Südtiroler Separatisten vom Osten gesteuert sind, wird zu einem immer wiederkehrenden Narrativ in den Berichten des Nachrichtendienstes. Ein möglicher Konfliktherd mitten in Europa ist im beginnenden Kalten Krieg ein Gefahrenpotenzial, das nicht nur beim BND ernsthafte Befürchtungen auslöst.
So verwundert es nicht, dass sich im BND-Archiv ein umfassender Bestand an Akten zu Südtirol findet. Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen einheitlichen, kompakten Bestand, sondern um ein wild zusammengewürfeltes Kompendium. Darin enthalten sind Spitzelberichte, politische und wirtschaftliche Analysen, Flugblätter, aber genauso Interna aus dem „Befreiungsausschuss Südtirol“ oder aus den Unterstützervereinen für Südtirol, wie der „Stillen Hilfe“ oder dem „Kulturwerk für Südtirol“. Anhand dieser Akten lassen sich mehrere zentrale Handlungsstränge nachzeichnen.
Man darf Nachrichtendienste grundsätzlich nicht als monolithischen Block sehen, in dem alle in eine Richtung marschieren. Zur Natur der Geheimdienstarbeit gehören diversifizierte und durchaus auch gegensätzliche Vorgangsweisen. So kann ein Teil eines Nachrichtendienstes eine Gruppe bekämpfen, während ein anderer Teil desselben Dienstes einen Spitzel oder Agenten hat, der in dieser Gruppe aktiv und führend mitwirkt. Die Herausforderung ist es, diese Gegensätze im richtigen Moment so zusammenzufügen, dass sie dem eigenen Dienst und damit dem eigenen Land zum Vorteil gereichen. Genau diese Vorgangsweise finden wir auch in Sachen Südtirol.
Ein Teil des BND steht dem Thema Südtirol und vor allem dem Ende der 1950er-Jahre offen auftretenden Konflikt äußerst skeptisch und ablehnend gegenüber, während ein anderer Teil durchaus mit der Attentäter-Bewegung sympathisiert. Dafür gibt es einen Grund. Das BND-Personal, sowohl auf der Ebene der Mitarbeiter wie auch auf jener der Zuträger und Informanten, ist zu diesem Zeitpunkt zu einem hohen Anteil mit ehemaligen Abwehr-, SS- und SD-Funktionären durchsetzt.1 Dadurch gibt es nicht nur ideologische Bezugspunkte zum Südtirol-Terrorismus, sondern innerhalb des BND auch persönliche Bekanntschaften und Kontinuitäten tief in den Kreis der Attentäter hinein.