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Der Busen – der Po

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Weibliche Busen wie Pos bilden die Formen der Rundung schlechthin und lösen damit in Pierre ein schwer zu hemmendes Verlangen aus, ihnen zu begegnen. Nicht nur schauend, sondern auch tastend, streichend, vorsichtig drückend, bewegend. Pierre begegnet so Reiz und Potenz der Form. Mag man ihm mit seiner Kunstgeschichte folgen, kennt sich Pierre mit der Formenwelt ein wenig aus. Aber diese ist sachlich in Bauten, Skulpturen, Bildern und Texten vorhanden und überwiegend gewesen – seit Jahrhunderten; Pierres gegenwärtige Pos und Busen sind warm und lebendig, er begreift sie als seinen taktilen Besitz. Sie haben einen aktuellen Reiz, den er fühlen, aber nicht in seinen Stream voranzukommen umsetzen kann. Er sucht vergeblich.

Der Eros der Wissenschaft und speziell der Kunst- und Bildgeschichte, Pierres Fach, besteht aus dem Finden. Etwas sichtbar zu machen, was andere noch nicht sahen. Oder was nicht mehr gewusst wird. Das sind keine isolierten Positionen. Diese Einsichten ergeben sich nur, wenn man das Wissenschaftssystem auf Löcher durchsuchen kann. In der Geschichte der Bilder geschieht das weitgehend zweckfrei. Findet man tatsächlich eine Lücke in dem enggestrickten Netz von Metabildern und Texten, die revidierend ist, kann der Kick enorm sein – es gibt zwei- dreimal im Wissenschaftlererosleben einen Geistesblitz, der mehr ist als ein nicht endender Megaorgasmus. Pierre hatte bisher einen Richtigen. Die Erkenntnis, der Blick, dauert nur ein paar zehntel Sekunden, dann weiß man es. Pierre vergewisserte sich so ruhig wie möglich ein paar Minuten, geht weg vom Objekt und lässt dann die Aufregung in sich kreisen, strömen, versucht die Ruhe zu halten. Er muss das Gefundene in sich begründen und dann haptisch werden lassen, es erneut berühren. Pierre fand ein Buch, er legte die Seiten erneut um, roch sie wie einen Körper, war verschämt, niemand sollte es sehen. Das war die Potenz von Pierres vollgefülltem Kopf, der Intelligenz. Ein Hinweis eines Kollegen hatte letztlich den Ausschlag gegeben, eine besonders schöne Form der Findung, ein in sich über die Kenntnis des Objekts voneinander entfernender, doch gemeinsamer Eros zweier ganz verschiedener Köpfe. Es entsteht eine Lust im Kopf, der Drang des Forschers Pierre, mit Schau und Lesen Neues zu finden. Der Reiz der Busen, des Po, des Bauches, der Beine und des Gesichtes sollte sich ebenso erdrängen lassen. Der Forscherdrang des Kopfkörpers ist eine nach außen auf das Objekt, das Original gerichtete Bewegung, der Fühldrang des Gliedkörpers die Tendenz zur Verschmelzung mit dem Gegenüberkörper. Der Satz vom Kopfkörper gilt, der Satz vom Gliedkörper gilt, eine Antinomie; sie kennzeichnet Pierre. Solche Impotenz beruht auf einer nur leichten Verschiebung dieses unauflöslichen Gleichgewichts zweier Verschiedenheiten, die Lust nicht aufkommen lässt. Der Kopf lässt das Glied baumeln, die Augen sind einmal machtlos, sie können den Penis nicht emanzipieren.

Abfall der Lust

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