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8. Ich will nach Hause!

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Die Stimmung im Haus des Schmieds war gedrückt. Denn es war nun doch genau das passiert, was sie eigentlich mit Hilfe des Bürgermeisters verhindern wollten: Das ganze Dorf setzte nun enorme Hoffnungen in Johannes und glaubte, mit seiner Hilfe die Banditen bald loswerden zu können. Aber wie sollte Johannes diese Erwartungen erfüllen? Das wussten alle fünf nicht. Johannes wirkte müde und aufgedreht zugleich und es war ihm anzusehen, wie ihm die Situation zu schaffen machte. Er rutschte auf seinem Stuhl nervös hin und her und legt dann los:

„Langsam, Leute, langsam. Das ist doch völlig verrückt. Gestern kannte ich euer Dorf noch gar nicht, bin dann irgendwie hierher gekommen, laufe beinahe ein paar von diesen Gangstern in die Arme, ihr nehmt mich bei euch auf und lebt noch fast in der Steinzeit. Am nächsten Morgen kommt eine ganze Räuberbande ins Dorf, ich muss dem Räuberhauptmann meine Hose vorführen, weil der so etwas noch nie gesehen hat und auch eine haben möchte. Danach erzählt ihr mir, daß ich wohl der von irgendeinem Wahrsager angekündigte Retter bin und das ganze Dorf fällt über mich her und feiert mich, als hätte ich den Admiral samt Gefolgschaft schon über alle Berge vertrieben. Und dann soll ich noch mal eben aus einem Haufen von Leuten, die ich im Leben noch nicht gesehen habe, die berüchtigten Sieben auswählen, dir mir helfen sollen. Und das alles nur, weil ich meinen uralten Weltraum-Pulli anhabe und ihr noch nie Bilder vom Saturn gesehen habt. Lasst mich doch mit eurem Admiral in Ruhe. Ich will kein Retter sein. Mir reicht's langsam! Ich will nach Hause!“

Die anderen sahen ihn erstaunt an, immerhin hatte er in der ganzen Zeit wohl noch nicht so viel gesprochen wie gerade eben und dazu noch so aufgeregt. Mutter Grethe griff seine Hand, um ihn zu beruhigen. Marie stellte ihm einen Becher mit Wasser hin und Johannes nahm einen kräftigen Schluck. „Das hat der Bürgermeister prima hinbekommen, erst verspricht er uns, dafür zu sorgen, daß alle Ruhe bewahren, dann wiegelt er aber das ganze Dorf zu so einem Trubel auf und macht sich auf Johannes' Kosten wichtig, der Hohlkopf.“ Marie war der Ärger anzusehen.

„Dann lasst wenigstens uns vernünftig bleiben und kühlen Kopf bewahren“, sagte Jakobus. „Möchtest du dich nach der ganzen Aufregung etwas ausruhen, Johannes? Manchmal wirkt ein kleines Schläfchen Wunder. Leg dich doch etwas hin und versuch zu schlafen.“

Eigentlich fühlte sich Johannes noch viel zu aufgewühlt, um jetzt zu schlafen, aber Grethe griff ihn schon vorsichtig am Arm. „Komm, Johannes, ich bring dich in Gregors Kammer. Wenn du möchtest, bleibe ich noch einen Moment bei dir. Du musst jetzt wieder zur Ruhe kommen.“

Gemeinsam gingen sie in Gregors Zimmer und Johannes legte sich auf das Bett. Grethe setzte sich auf einen Schemel neben ihn und hielt seine Hand. Johannes beruhigte sich und merkte, daß sein Herz nicht mehr so aufgeregt pochte. Seine Augen wurden schwerer und einen Augenblick später war er schon eingeschlafen. Grethe blieb noch eine Weile neben ihm sitzen bis sie sicher war, daß er ruhig und fest schlief.

Mittlerweile war der schwarze Reiter, der den ganzen Tag lang das Dorf im Auge behalten hatte, im Versteck der Banditen angekommen. Die Banditen hatten sich in einem alten verlassenen Gutshof niedergelassen, der aus einem großen Herrenhaus und mehreren Stallungen bestand. Der Hof lag inmitten einer grünen Niederung und war beinah ringsum von Wald umgeben. Nur über einen kleinen See hinweg konnte man auf ein paar Hügel blicken, über die der schwarze Reiter gekommen war. Er brachte sein vom schnellen Ritt schweißglänzendes Pferd zu einer Koppel, auf der auch die anderen Pferde grasten, und rannte dann hinüber zum Herrenhaus. Aus den Stallungen hörte er das Gegröle der anderen Banditen, die sich offenbar schon am Wein gütlich taten und alte Seemannslieder sangen. Der Reiter durchquerte den großen Flur des Hauses, lief über die laut knarzende Holztreppe in den ersten Stock und klopfte an die schwere Holztür. „Herein!“, brüllte Franco von innen und der Reiter trat ein.

„Ah, mein Kundschafter ist zurück“, begrüßte der Admiral den Reiter, „sprich, warum kommst du erst jetzt von unseren Freunden zurück?“ Der Admiral und Franco saßen an einem reich gedeckten Tisch und aßen gebratene Hühnerschenkel mit dicken Dampfnudeln. Der Reiter blieb vor dem Tisch stehen und berichtete in aller Ausführlichkeit von der plötzlichen Aufregung im Dorf und den Jubelszenen um Johannes. Allerdings hatte er vom Hügel aus nicht hören können, was im Dorf gesprochen wurde, er musste seinen Bericht auf seine Beobachtungen beschränken. Als er fertig war, nickte ihm der Admiral zu und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, daß er jetzt zu den anderen Banditen gehen könne, um sich dort zu vergnügen.

„Was hältst du davon, Franco? Der Junge in den feinen Beinkleidern wird von den Dörflern auf Schultern herumgetragen und lauthals bejubelt. Und was mag es mit dem Wams auf sich haben, das der gute Leopold allen während dieser merkwürdigen Prozession vorgeführt hat?“

Franco warf ein abgenagtes Hühnerbein auf einen Teller und wischte seine fettigen Finger an einem Lappen ab.

„Gute Frage, Admiral. Schade, daß der Kerl durch das Fernrohr nicht mehr als ein paar bunte Flecken auf dem Wams erkennen konnte. Jedenfalls schien der Junge neu im Dorf zu sein.“

„Ganz recht, mein Lieber, ganz recht. Mit diesen Hosen muss er von weit her kommen. Und es ist ungewöhnlich, daß das Dorf in Feierlaune gerät, nachdem wir ihnen am Morgen einen Besuch abgestattet haben und der Bürgermeister sogleich angefangen hat, unsere bescheidenen Wünsche an diese Tölpel weiterzugeben. Da heißt es doch arbeiten und nicht jubilieren!“

Der Admiral machte beim letzten Gedanken ein erstauntes Gesicht und schenkte sich etwas Wein nach. „Ein fremder Junge kommt ins Dorf und das gerade noch von uns so betrübte Volk gerät in Verzückung, erkläre mir das, Franco.“

Franco zuckte mit den Schultern und machte einen gleichgültigen Eindruck: „Ich habe keinen Schimmer, was an dem Jungen so toll sein soll, Admiral. Ein hergelaufener Bauernjunge, nichts weiter.“

„Aber ein hergelaufener Bauernjunge in sehr ungewöhnlichen Beinkleidern und mit einem Aufsehen erregenden Wams“, erwiderte der Admiral. „Hast du dieses Gerücht gehört, das bei den Männern umgeht?“

„Ihr meint das Altweibergeschwätz vom weisen Mann und seinen Prophezeiungen? Alle Wetter, das abergläubische Pack hat auch noch Angst vorm Klabautermann. Das ist ein halbwüchsiger Knabe, ein Kind! “

„Gewiss, gewiss, aber war nicht die Rede von Sieben anderen, die ihm zu Hilfe sind?“ Der Admiral nahm sich noch ein Hühnerbein und gab einen leisen Rülpser von sich.

„Sieben, acht oder zwanzig von diesen Feiglingen, was spielt das für eine Rolle? Bauern, Waschweiber und Betbrüder, die können dem Bübchen helfen soviel sie wollen, was kümmert's uns? Ich stelle drei von unseren Männern dagegen, lasse sie einmal 'Buh!' rufen und schon machen die sich in die Hosen wie die kleinen Kinder!“ Franco musste bei dieser Vorstellung lachen, offenbar war er von der Überlegenheit seiner Bande sehr überzeugt. Der Admiral schien sich nicht so sicher zu sein, meinte dann aber: „Kein Zweifel, kein Zweifel, das Dorf kann es nie mit unserer Mannschaft aufnehmen. Schickst du wieder ein paar Männer zum Dorf, die beobachten, ob unsere Freunde auch fleißig sind und sie bei Bedarf etwas ermuntern, damit alles pünktlich fertig ist?“ Franco nickte. „Dann trag' ihnen auf herauszufinden, was es mit diesem Wams auf sich hat. Sie sollen es sich unbemerkt ansehen und mir Meldung machen.“

Franco spuckte einen Knochen auf den Teller, trank seinen Wein aus und ging hinaus, um die Bitte des Admirals als Befehl an seine Männer weiter zu geben. Der Admiral selber nahm sein Glas, stand auf und ging hinüber zum Fenster. Irgendwo hinter den Hügeln, die er von dort sehen konnte, lag das Dorf. Er blickte lange in diese Richtung und wurde dabei das Gefühl nicht los, daß es diesmal nicht so einfach werden würde, das Dorf auszuplündern.

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