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7. Der neue Held

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Es war am frühen Nachmittag als es an der Tür klopfte. „Jetzt geht es los“, sagte Marie und ging zum Fenster. „Es sind der Bäcker Georg und seine Frau, Helmut, der Schleifer, Bauer Franz mit seinem Sohn und ein paar andere, die ich nicht erkennen kann.“

Mutter Grethe ging zur Tür und öffnete. Vor ihr standen gut zwei Dutzend Dorfbewohner, die offenbar von Bäcker Georg angeführt wurden.

„Entschuldige die Störung, liebe Grethe“, begrüßte sie Bäcker Georg und tippte sich an seine Mütze, kam dann aber gleich zur Sache. „Ich weiß nicht, ob du es auch schon gehört hast, aber im Dorf geht ein Gerücht um. Stimmt es, daß ihr diesen Jungen bei euch aufgenommen habt und, daß er der Retter ist, den uns der Weise angekündigt hat?“

Die anderen, die hinter Georg standen, reckten ihre Hälse und drängelten sich etwas weiter nach vorne, um besser ins Haus sehen zu können. Offenbar wollten sie einen Blick auf Johannes werfen, aber er war nicht zu sehen. Grethe baute sich vor Georg in der Tür auf, um klar zu machen, daß sie nicht wollte, daß die ganze Versammlung auf der Suche nach Johannes in ihr Haus stürmte.

„Guten Tag, Georg“, antwortete sie. „Ist schon richtig, was ihr gehört habt, zumindest was den Jungen betrifft und, daß wir ihn bei uns aufgenommen haben. Er ist wohl von zu Hause ausgerissen und brauchte ein Dach über dem Kopf. Gregor hat ihn bei den Schafwiesen aufgelesen. daß er aber der Retter sein soll, das ist tatsächlich eher ein Gerücht, der Junge ist doch erst acht Jahre alt!“

„Können wir ihn sehen, Grethe?“, fragte der Schleifer Helmut von weiter hinten.

„Nein, nicht hier im Haus. Er ist bei Gregor und Jakobus in der Schmiede, schließlich haben auch wir zu tun, zwei Dutzend Pferde will der Admiral beschlagen haben.“

Grethe hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da machte sich die Gruppe auch schon auf den Weg hinüber zur Schmiede. Grethe und Marie sahen ihnen hinterher. „Wenn die Bescheid wissen, dann weiß es längst das ganze Dorf“, bemerkte Marie. „Da hat sich der Bürgermeister wirklich beeilt, die Geschichte vom ersehnten Retter überall herum zu tratschen.“

Schon stand der Bäcker Georg mit seinen Begleitern vor der Schmiede und rief lauthals: „Jakobus, wir wollen diesen Johannes sehen! Ist er bei dir da drin?“

Und ein anderer rief: „Zeigt uns die heiligen Zeichen! Wir wollen die himmlischen Bilder sehen!“ Und im Nu riefen sie alle durcheinander. „Zeig' uns den Retter! Wir wollen den Retter sehen!“

„Ruhe!“, rief da jemand aus der Schmiede heraus. Es war Jakobus, der nach draußen ging und mit den Händen eine beschwichtigende Geste machte. „Jetzt bleibt bitte ruhig, Freunde“, fing er an, „ihr macht dem Jungen doch nur Angst, wie soll er euch denn so helfen, falls er es überhaupt kann?“

Die Leute wurden tatsächlich ruhiger, ließen aber nicht locker. „Wir wollen doch nur wissen, ob es wahr ist, was man im Dorf erzählt“, sagte die Frau vom Bäcker Georg.

„Richtig“, stimmte ihr ein anderer zu, „zeig' uns doch bitte diese Bilder des Himmels, dann wissen wir schon, was an der Sache dran ist.“

In diesem Moment kamen auch Gregor und Johannes nach draußen und ein Raunen ging durch die Leute. Einer rief: „Das ist er, das muss Johannes sein!“

Und ein anderer stellte sogleich fest: „Er hat aber ein einfaches Hemd an. Wo sind die Bilder?“

Die Leute drängten auf Johannes zu, aber Jakobus baute sich mit seiner imposanten Gestalt vor ihnen auf und sagte: “Das andere Wams ist im Haus, er hat es nicht hier. Es ist zu warm für den heutigen Tag, da hat er ein dünneres Hemd angezogen.“ Jakobus merkte aber gleich, daß es kein gute Idee war, ihnen das zu erzählen, denn die ganze Gruppe machte beinahe augenblicklich wieder kehrt und ging zum Haus zurück, fest entschlossen, einen Blick auf Johannes' Pullover zu werfen. Und es sah fast so aus, als würden sie diesmal einfach an Grethe und Marie vorbei ins Haus stürmen wollen. Um das zu verhindern, wollte Johannes ihnen zuvor kommen, rannte an ihnen vorbei ins Haus, holte den Pullover, rannte wieder zurück, stellte sich vor die Gruppe und reckte ihnen den Pullover entgegen. Da trat plötzlich Stille ein, die Leute starrten staunend und schweigend auf den Pullover und es dauerte einen Moment bis jemand leise sagte: „Der Retter. Der Junge ist der Retter.“ Auch die anderen brauchten einen Moment, um ihre Sprachlosigkeit zu überwinden, aber dann brabbelten sie alle wieder durcheinander, wurden immer lauter und brachen dann in Jubel aus.

„Hurra, der Weise hat Recht gehabt! Der Retter ist gekommen! Hurra! Der Junge ist der Retter!“ Mittlerweile hatte das ganze Dorf das Spektakel mitbekommen und es wurde vor Jakobus' Haus immer voller, immer mehr Menschen drängten sich hinzu, alle wollten Johannes und seinen Pullover sehen. Von hinten bahnte sich der Bürgermeister Leopold seinen Weg nach vorne zu Johannes und musste dabei ein paar Dorfbewohner zur Seite drängeln. Bei Johannes angekommen, klopfte er ihm auf die Schulter und richtete sein Wort an die Dorfbewohner:

„Freunde, Freunde! Gemach, Gemach. Es sieht so aus, als sei die Prophezeiung des weisen Mannes nach langer Zeit nun endlich wahr geworden, indem der junge Johannes hier zu uns gefunden hat.“

Die Dorfbewohner beruhigten sich allmählich wieder und hörten zu.

„Das gibt uns Hoffnung. Lasst uns Johannes deshalb bei uns willkommen heißen!“ Da fing Leopold an zu klatschen und die Dorfbewohner klatschten mit und lachten und riefen wieder „Bravo!“ und „Hurra!“ Zwei Männer liefen zu Johannes hinüber, nahmen ihm den Pullover ab, übergaben ihn Leopold und setzten sich den verblüfften Johannes auf die Schultern. Dann trugen sie ihn unter lautem Jubel hinüber auf den Dorfplatz. Alle kamen ihnen hinterher und das ganze Dorf geriet in einen Freudentaumel. Nur Johannes, der wusste überhaupt nicht wie ihm geschah. Irgendwann begann er, in die Menschenmenge zu winken, lachte ebenfalls und musste von oben herab viele Hände schütteln, während er auf dem Dorfplatz im Kreis herum getragen wurde. Leopold lief hinterher und zeigte den Leuten immer wieder den Pullover, was immer neue Jubelstürme auslöste. Jakobus überholte ihn und lief dann neben dem gefeierten Johannes her, um zu verhindern, daß ihn noch irgendjemand vor lauter Begeisterung den Männern von den Schultern zog. Dann setzten die Männer Johannes auf den Tisch, der seit dem Morgen noch immer in der Mitte des Platzes stand, und begannen ebenfalls zu applaudieren. Ein kleines Mädchen kam aus der Menge zu Johannes herüber gelaufen und schenkte ihm einen Apfel, lief dann aber schnell zurück zu seiner Mutter. Leopold und Jakobus stellten sich neben den Tisch und der Bürgermeister ergriff wieder das Wort:

„Freunde, Freunde! Ihr alle kennt die Worte des Weisen. Derjenige, der die Bilder des Himmels trägt, wird die Sieben anführen, die nur er allein kennt! Johannes hier wird uns also nicht allein helfen. Also lasst ihn seine Wahl treffen!“

Der Bürgermeister verlor wirklich keine Zeit. Mit einer Handbewegung deutete er an, daß die Dorfbewohner einen Kreis rund um den Dorfplatz bilden sollten, so wie sie es am Morgen auch schon getan hatten, als die Banditen gekommen waren. Und als sie das getan hatten, da nahm der Bürgermeister Johannes bei der Hand und begann, mit ihm langsam an den Dorfbewohnern vorbei zu gehen. Jakobus wich Johannes aber nicht von der Seite.

„Mein Junge“, begann Leopold, „hier siehst du alle, die dir helfen können. Schau sie dir in Ruhe an, starke und kluge Männer sind dabei, du wirst gewiss die sieben Männer finden, die dir beistehen werden.“

Er stellte Johannes ein paar der Männern vor, vermutlich diejenigen, die er selber für besonders geeignet hielt, es mit dem Admiral aufzunehmen. Johannes nickte allen freundlich zu, sagte hier und da 'Hallo' oder 'Guten Tag' konnte aber beim besten Willen nicht feststellen, wer denn nun die Sieben sein sollten. Nachdem sie ihre Runde beendet hatten, setzen sich die drei wieder an den Tisch.

„Nun, Johannes, hast du deine Wahl getroffen?“, fragte der Bürgermeister. Johannes sah ihn ratlos an und war dankbar, daß Jakobus antwortete.

„Bürgermeister, meinst du nicht, daß das ganze Spektakel etwas viel für den Jungen ist? Sieh doch, wie müde er aussieht, fürwahr. Lasst ihn in Ruhe nachdenken, wen er auswählen möchte. So etwas will doch wohl bedacht sein, immerhin ist er kaum einen Tag bei uns hier im Dorf.“

Johannes gähnte im passenden Moment, um ihn zu bestätigen. Der Bürgermeister überlegte kurz, stand dann wieder auf und sprach zu den Dorfbewohnern:

„Jakobus hat Recht. Wir wollen nichts überstürzen und nicht zu viel von unserem jungen Freund hier verlangen. Geben wir Johannes genügend Zeit für seine Wahl. Er wird sich jetzt bei der Familie vom Schmied ausruhen und sich alles gut durch den Kopf gehen lassen. Also geht nach Hause und wartet seine Entscheidung ab!“ Natürlich waren die Leute zuerst einmal enttäuscht und begannen wieder durcheinander zu murmeln, zu gerne hätte sie sofort erfahren, wer von ihnen denn nun zu den Sieben gehören sollte, mit deren Hilfe Johannes den Admiral und seine Leute ein für allemal aus dem Dorf vertreiben würde. Aber dann sahen sie doch ein, daß der Bürgermeister Recht hatte und gingen zurück zu ihren Häusern oder wieder an ihre Arbeit. Jakobus hob Johannes vom Tisch und gemeinsam gingen sie zum Haus zurück, wo Gregor, Marie und Mutter Grethe auf sie warteten. Die drei hatten die ganze Zeit von dort aus dem Treiben zugesehen. Aber sie waren nicht die einzigen, die still beobachtet hatten, was im Dorf passierte. Denn niemand hatte bemerkt, daß jemand vom Hügel hinab die ganze Zeit das Dorf mit einem Fernrohr im Blick gehabt hatte. Und dieser jemand trug einen langen schwarzen Mantel und ritt auf seinem Pferd davon, um dem Admiral zu berichten, was vorgefallen war.

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