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5. Der Pullover

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Kaum saßen alle beim Frühstück zusammen, da machte Marie ihrem Unmut Luft.„Habt ihr wieder diesen Leopold gesehen, wie er vor dem Admiral herum gekrochen ist? So ein Jammerlappen, kein Wunder, daß dieses feige Dorf ausgerechnet den zum Bürgermeister gemacht hat. Ja, Herr Admiral, gewiss Herr Admiral, untertänigster Diener, Herr Admiral – bah, widerliches Geschleime. Der sollte diesem eitlen Gockel endlich einmal da hinschicken, wo der Pfeffer wächst!“

Jakobus blickte schon wieder böse zu seiner Tochter, doch bevor er sie wieder zurecht weisen konnte, fragte Johannes schnell: „Warum nennt ihr den Typen eigentlich 'Admiral' ? Admirale gibt es doch nur auf dem Meer.“

„Um den Admiral ranken sich viele Geschichten“, antwortete Gregor.

„Eine besagt, er sei mit seinen Männern eines Tages mit einem großen Schiff, dessen Kapitän er war, irgendwo an der Küste gestrandet. Das Schiff wäre zerschellt und dann hätten sie einfach an Land ihr mieses Geschäft weiter betrieben. Vielleicht wird er auch nur wegen der Uniform so genannt, aber ob er die wirklich einmal als echter Admiral getragen hat oder auch nur irgendwo gestohlen hat, das weiß niemand ganz genau.“

„Das ist auch ganz egal, ob der nun eine echter Kapitän oder Admiral ist oder nicht, am Ende ist er doch nur ein gemeiner Räuber und Dieb, da ändert auch sein vornehmes Getue und sein hübsches Mäntelchen nichts!“, meinte Marie immer noch erbost und machte ein wütendes Gesicht.

„Dann sehen sie also doch nicht zufällig wie Piraten aus“, meinte Johannes. „Und wie geht es jetzt weiter, bis sie in einer Woche zurückkommen?“

„Der Bürgermeister wird im Dorf von Haus zu Haus gehen und jedem erklären, was er zur Bestellung beizutragen hat: Der Müller das Mehl, der Schneider ein paar neue schwarze Mäntel und jetzt auch blaue Hosen, der Sattler neues Zaumzeug und so weiter und so weiter. Und Vater wird erfahren, wie viele Hufeisen, Steigbügel und Sporen er anzufertigen hat. Und dann legen sich alle ins Zeug, um alles pünktlich fertig zu haben. So geschieht es immer“, erklärte Mutter Grethe. „Wir können froh sein, daß der Bürgermeister sich so sehr bemüht, Unheil vom Dorf abzuhalten.“

„Unheil abhalten?“, fragte Marie spöttisch, „das Unheil ist doch allein diese Lumpenbande selber, die werden wir kaum vom Dorf abhalten, wenn wir immer auf Knien vor ihnen herumrutschen und ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Hinaus geprügelt gehören die, ein für alle Mal!“

„Lass mal, Marie“, versuchte Gregor sie zu beruhigen, „so einfach ist das nun auch nicht, der Bürgermeister kann sich kaum allein gegen den Admiral stellen, da muss das Dorf schon zusammenstehen.“

Vater Jakobus nickte Gregor zu und stand vom Tisch auf: „Jetzt müssen wir erst einmal zusammenstehen, um in den sieben Tagen unsere Arbeit zu erledigen. Ich werde sehen, was mein Anteil dabei ist. Und ihr beiden könnt Euren Kampf gegen die Halunken am Besten beginnen, indem ihr endlich eure Nachthemden auszieht.“

Er nahm seine Lederschürze vom Kleiderhaken und ging hinaus. Johannes und Gregor trugen tatsächlich immer noch ihre Nachthemden über den Hosen, in der Aufregung am frühen Morgen hatten sie das völlig vergessen. Sie gingen hinaus zur Wäscheleine, um sich dort umzuziehen. Gregor zog sein Hemd an und Johannes seinen Pullover, auf dem man ohne den ganzen Staub und Dreck jetzt wieder die Weltraum-Motive erkennen konnte. Gregor schaute sich die Abbildungen an.

„Du trägst wirklich ungewöhnliche Kleidung, da hat der Admiral schon Recht“, sagte er. „Und was sind das eigentlich für eigenartige Bilder?“

Johannes blickte an sich herunter und zeigte nacheinander auf die Bilder auf seinem Pullover. „Na, das ist die Erde, das der Mond und das ist der Planet Saturn. Was denkst du denn, was das ist?“

„Den Mond erkenne ich auch. Und das runde Blaue da soll unsere Erde sein? So ein Unsinn.“ Gregor zeigte zur Anhöhe hinüber, danach zu den Weiden und Feldern ringsum das Dorf. „Blau, ich sehe hier nichts Blaues, nur grüne Wiesen und Wälder!“

„Die Erde ist zu zwei Dritteln mit Ozeanen bedeckt, deswegen sieht sie, vom Weltraum gesehen, so blau aus, das weiß doch jeder. Die grünen Wiesen und Felder - das sind die Flecken dazwischen, Afrika, Amerika und die anderen Kontinente.“ erklärte Johannes. Aber Gregor sah ihn nur verwundert an und tippte sich an die Stirn.

„Was für ein Weltraum? Wo soll der denn sein? Kann man da rein gehen, in deinen Welt-Raum?“

„Weltraum eben, die Sterne, die Sonne, der Mond und alles. Stell dich auf den Mond und die Erde sieht von dort so aus wie eine blaue Murmel“, fuhr Johannes leicht ungeduldig fort. Gregor begann zu lachen:

„Auf den Mond stellen? Wer hat sich auf den Mond gestellt und zur Erde gesehen? Du etwa? Ich glaube, du hast gestern Abend wohl noch heimlich von Vaters Wein getrunken, so einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Kein Mensch hat jemals die Erde von oben gesehen, selbst der höchste Berg reicht dafür nicht!“

Johannes schüttelte den Kopf. „Euer ganzes Dorf hat scheinbar von vielen Dingen noch nichts gehört, nichts von Telefonen, nichts von Traktoren! Dieser Admiral hat offenbar noch nie eine gewöhnliche Jeans gesehen und ihr habt kein elektrisches Licht und keine Fernsehapparate – ist vielleicht wirklich kein Wunder, daß ihr auch noch nie ein Bild von der Erde gesehen habt!“

„Natürlich haben wir einen Fernsehapparat, warte!“ entgegnete Gregor und lief ins Haus. Einen Moment später kam er mit einem langen Fernrohr in der Hand zurück: „Hier, sieh, da hast du einen Fernsehapparat!“

Johannes rollte mit den Augen. „Das ist doch kein Fernsehapparat, das ist ein altes Fernrohr.“

„Ja, natürlich, eben ein Apparat, um in die Ferne zu sehen, ein Fernsehapparat. Mit dem hat einmal ein Reisender Vater für das Beschlagen seines Pferdes bezahlt“, erwiderte Gregor während er durch das Fernrohr zur Anhöhe hinüber sah.

Jetzt musste Johannes lachen und nahm das Fernrohr in die Hand und sah hindurch: „Ich meine einen anderen Fernsehapparat, der steht im Wohnzimmer und man kann damit, ach, wie soll ich das erklären?“.

Johannes bemerkte, daß es wohl zwecklos sein würde, Gregor Aufbau und Funktion eines Fernsehapparates zu erklären, wenn im Dorf schon elektrischer Strom unbekannt war.

„Dann nimm doch deinen Fernsehapparat und schau heute Nacht zum Himmel, da kannst du dann vielleicht wenigstens den hier entdecken“, sagte er und zeigte dabei auf den Saturn auf seinem Pullover. Als er das sagte, wurde Gregor plötzlich kreidebleich und starrte dabei schweigend und mit weit aufgerissenen Augen auf den Pullover.

„Ich Dummkopf!“, stammelte er, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte, „ich riesengroßer Dummkopf, daß ich das nicht sofort gesehen habe. Los, schnell wir müssen wieder zu den anderen. Geh' zu Mutter und Marie, ich hole Vater, schnell!“

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