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Der Hieb des Druiden

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Acht Jahreswechsel waren verstrichen. Acht Mal war Samhain, das Fest der Toten, gefeiert worden, acht Mal Lugnasad, das Fest des Lug, acht Mal Imbolc und Beltene, seit die große Schlacht stattgefunden hatte. Es war im Frühjahr gewesen, der Zeit der Raubzüge, Viehdiebstähle und großen Kämpfe. Ein Caledonierheer, unter Führung des Vacomagerkönigs Mac o Tauroc, war ohne Vorwarnung in die nördlichen Ländereien der Selgovater einmarschiert und hatte innerhalb kürzester Zeit drei Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht. Die caledonischen Horden metzelten alles nieder, was ihnen vor die Waffen lief. Nur wenige Selgovater der nördlichen Clans entkamen. Diejenigen, die die Massaker überlebten, schlugen sich bis zum Dorf der Selgovater durch und warnten Toromic und Tarcic vor der Gefahr.

Sie berichteten, dass die Zahl der Angreifer sehr groß sei. Man habe viele hundert Krieger gesehen und vielleicht folgten auf diese noch weitere. Was das zu bedeuten hatte, war den Brüdern klar: Mac o Tauroc wollte sich Selgovatergebiet einverleiben. Mit einem solch großen Heer, wie es die Überlebenden beschrieben, zog man nicht aus, um ein paar Rinder zu rauben. Über lange Zeit hinweg war es zwischen den Selgovatern und den Caledoniern lediglich zu Grenzscharmützeln oder kleineren Feldschlachten gekommen. Diese Auseinandersetzungen hatten der Bestätigung der unsichtbaren Grenze zwischen den beiden Volksstämmen gedient. Niemand hatte jedoch ernsthaft versucht, dem Feind ein größeres Gebiet abzuringen.

Das schien sich nun geändert zu haben. Den Vacomagerkönig, Mac o Tauroc, verlangte es offensichtlich nach Beute und Land. Das galt es um jeden Preis zu verhindern.

In großer Eile hatten Toromic und Tarcic alle verfügbaren Krieger der benachbarten Clans zusammengetrommelt und eine Streitmacht gebildet. Gleichzeitig wurden Boten zu den verbündeten Brigantern entsandt.

Unter dem Oberbefehl der Brüder zogen die Krieger der vereinigten Selgovaterclans den Caledoniern entgegen.

Als die Späher Toromic und Tarcic die Stärke der Feinde mitteilten, wurden die Brüder blass. Die Überlebenden hatten nicht übertrieben. Es waren Hunderte von Caledoniern gesichtet worden!

Sie fragten die Späher über Bewaffnung, Marschroute und Truppenstärke der Feinde aus. Diese zählten so viele schlechte Nachrichten auf, dass ihnen der Häuptling der Selgovater schließlich wütend Einhalt gebot.

Einen Vorteil hatte er gesehen: Zwar war die Stärke der Feinde gewaltig, doch bewegte sich das Caledonierheer geschlossen. Hätte Mac o Tauroc in mehreren Zügen marschieren lassen, so hätten sich die Selgovater nur einem Teil seiner Truppen entgegenstellen können - die übrigen Feinde wären in der Zwischenzeit in der Lage gewesen, unbehelligt in seine Ländereien einzudringen.

Toromic und Tarcic wussten, dass es an Selbstmord grenzte, sich den Caledoniern unter diesen Bedingungen zum Kampf zu stellen, doch die Zeit spielte gegen sie. Eine offene Feldschlacht war die einzige Möglichkeit, die Scharen des Mac o Tauroc wenigstens so lange aufzuhalten, bis das Heer der Briganter eintreffen würde.

Um den Feind auf sich aufmerksam zu machen, verursachten die vereinten Selgovaterclans, während sie den Caledoniern entgegen zogen, soviel Lärm wie möglich. Die verfeindeten Heere hatten in dem von Wald überzogenen, hügeligen Gelände noch keinen Sichtkontakt, und diese Situation nutzten die Brüder aus, um die Caledonier Glauben zu machen, es mit einer größeren Streitmacht zu tun zu haben.

Mac o Tauroc fiel auf die List herein und ließ sein Heer auf einer großen Wiese zur Schlacht antreten.

Die Selgovater durchquerten das letzte Waldstück, welches die Heere voneinander trennte, und hielten unmittelbar an der Baumgrenze. Sie wollten sich erst einen endgültigen Eindruck von der Stärke des Feindes verschaffen, bevor er sich stellten.

Den Brüdern bot sich ein entmutigendes Bild: Eine unüberschaubare Zahl von Caledoniern hatten sich zu loser Schlachtordnung formiert. Und sie besaßen Streitwagen, was unüblich war, da sie ansonsten in bergigem Gelände und daher höchstens mit einigen Berittenen kämpften. Für dieses Mal schienen sie sich aber besser auf die Kampfesweise der Britannier eingestellt zu haben, denn Toromics Krieger kämpften traditionell mit Streitwagen.

Das Aufgebot der Selgovater umfasste annähernd fünfhundert Mann. Dazu kamen noch etwa achthundert Krieger der Vunier und Dumnoier, die Toromic und Tarcic auf die Schnelle zusammengetrommelt hatten.

Eine beängstigend geringe Abwehrmacht.

Die Brüder wussten zwar von den Boten, dass sich die übrigen Selgovaterclans auf dem Anmarsch befanden und dass auch der große Bruderstamm, die Briganter, schon ein ganzes Heer in Marsch gesetzt hatten, doch bis zur Ankunft dieser Kriegshaufen waren sie und ihre Mitstreiter auf sich allein gestellt.

Sie mussten Mac o Tauroc aufhalten, sonst waren Frauen und Kinder in den Dörfern verloren!

Toromic und Tarcic schritten die Reihen der Krieger ab. Der Häuptling hob sein Schwert und rief: „Heute ist der Tag gekommen, an dem viele von uns ihre Ahnen in der Anderswelt wieder treffen werden. Tut alles, um ihnen von großen Taten berichten zu können, bevor ihr in ein neues Leben eingehen werdet.“

Die Krieger nickten grimmig.

Er sah sich um. „Wer hier und heute stirbt, wird als Held in die Sagen eingehen, unsere Namen werden überleben.“

„Überleben!“ brüllten einige Krieger.

Große, mit Met gefüllte Lederschläuche wurden herumgereicht, gierige Münder hoben sich ihnen entgegen. Toromic wies seinen Untergebenen und den Häuptlingen der Vunier und der Dumnoier Positionen im Schlachtkeil zu, Tarcic kümmerte sich um die eigenen Männer.

Die Selgovater würden im Zentrum der Schlachtreihe, die die vereinigten Clans gebildet hatten, angreifen. Nur ein kleiner Trupp Selgovater blieb mit Wurfspeeren und Pfeil und Bogen bewaffnet im Wald zurück, um einen Rückzug decken zu können, von dem niemand annahm, dass er überhaupt möglich sein würde.

Als die Schlachtlinie der vereinten Selgovaterclans unter Führung der mit zwei Mann besetzten Streitwagen aus dem Wald hervorkam, hob wilder Lärm auf Seiten der Caledonier an. Diese sahen nun die geringe Stärke des Gegners, und waren sich, da sie selbst leicht hügelan standen, ihrer Sache sicher.

Lediglich der Vacomagerkönig, Mac o Tauroc, traute dem Schauspiel nicht. Er sandte Spähtrupps aus, die das Waldstück umgehen sollten, aus dem Toromic und Tarcic mit ihren Gefolgsleuten gekommen war. Er wollte herauszufinden, ob auf diese Abwehrmacht nicht noch größere Truppenteile folgten.

Die Selgovater sahen sich inzwischen einem Heer von mindestens fünfzig Streitwagen, vielen Berittenen und einem riesigen Schlachtkeil zu Fuß kämpfender Caledonier gegenüber.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, preschten Streitwagenbesatzungen beider Parteien auf die freie Fläche zwischen den Heeren. Die Speerwerfer sprangen bei voller Fahrt auf die Deichsel des Wagens und riefen dem Feind Schimpfworte zu, während die Wagenlenker halsbrecherische Bahnen durch das unebene Gelände fuhren. Die Fußtruppen der Selgovater begannen gleichzeitig in ohrenbetäubendes Gebrüll auszubrechen. Die Krieger sangen, schrien, hoben die Waffen, schlugen mit ihren Schwertern, Äxten, Kriegskeulen und Lanzen auf ihre Schilde, bliesen die Hörner und schlugen die Trommeln im Stakkato.

Einen Augenblick lang schien es, als würden die hochgestellten Stachelfrisuren, die bunt bemalten Schlachtschilde und das Getöse die Caledonier beeindrucken, doch dann brach auch ihr Geschrei von neuem los.

Die ersten Krieger, vornehmlich Edle und Unterführer, traten auf beiden Seiten aus den Reihen, gingen auf den gegnerischen Haufen zu und forderten Feinde zum Zweikampf heraus. Sie priesen die Tapferkeit ihrer Ahnen und schmähten die des Feindes, bis sich ein Gegner fand, der zum Kampf bereit war. Die ersten Todesmutigen begannen sich grausame Duelle zu liefern. Auf beiden Seiten gab es Tote, und die Sieger hoben die abgeschlagenen Schädel ihrer Feinde entweder triumphierend den eigenen Reihen oder aber höhnend den gegnerischen entgegen. Dann zogen sie sich in ihre Gruppen zurück, wo sie gelobt und beglückwünscht wurden.

Plötzlich stellten die Caledonier ihr Geschrei ein und auch Toromics Männer wurden still. Es geschah, als hätte eine unsichtbare Macht den Kriegern befohlen, den Atem anzuhalten. Gespanntes Schweigen senkte sich über die Reihen beider Heere, während die Schatten der an der Sonne vorüber ziehenden Wolken träge über das Feld wanderten.

Dann hob Mac o Tauroc das Schwert und das gesamte Caledonierheer eröffnete unter ohrenbetäubendem Gebrüll den Angriff.

Wie eine dunkle Woge ergoss sich die Heermasse der in Tierfelle gekleideten Krieger über das Feld und brandete Toromics Männern entgegen. Nun gaben auch Tomoric und Tarcic das Zeichen zum Angriff. Die Kriegstrompeten erschallten, und ihr nerv durchdringender Klang riss die Streiter mit sich.

Borix stand, wie immer, als Wagenlenker neben Toromic und gab den Pferden die Peitsche zu spüren, während einige Meter weiter Turumir, mit Tarcic als Speerwerfer lospreschte. Der Boden erbebte unter den eisenbeschlagenen Rädern der Streitwagen und hunderten Paaren von Hufen und Füßen ...

... Tarcic spürte die Stöße, die den Boden des Streitwagens erschütterten, durch seinen Leib fahren. Die Erregung des Angriffs erfasste ihn und versetzte ihn in Raserei. Während Turumir neben ihm die Pferde antrieb, brüllte Tarcic aus voller Kehle seinen Hass dem Feind entgegen. Er ergriff den ersten Wurfspeer, hob ihn über den Kopf und stieß den Kampfruf der Selgovater aus. Mit der freien Hand hielt er sich am Wagenrand fest, während er gleichzeitig seinen Schild mit dem Körper zwischen sich und die Wagenwand presste. Die Masse der Feinde schien eine drohende Wand zu bilden, die sich durch einen Schleier aus Vibrationen, Staub und Lärm näher schob. Während er sich mit zitternden Gliedern auf dem dahinrasenden Wagen hielt, nahm Tarcic seinen Körper bis in den letzten Winkel wahr: der kalte Schweiß, der aus seinen Poren trat, das Pulsieren des Blutes in seinem Kopf, das ihn wahnsinnig zu machen drohte, donnernde Wagenräder, auf und ab hüpfende Lanzenspitzen, wild verzogene Gesichter ...

Die Zeit schien still zu stehen, die Reihen der Gegner eine unwirkliche Masse zu bilden

... dann prallten die Schlachtkeile der beiden Heere aufeinander.

Berstendes Krachen, fürchterliches Getöse, Schreie, spritzendes Blut, brechende Schilde, das Klirren aufeinander schlagender Schwerter, das dumpfe Geräusch eingeschlagener Schädel, Staub-, Gras- und Dreckbrocken, die durch die Luft flogen, umstürzende Streitwagen, sich niederringende Krieger, Chaos, Blut und Tod überall.

Tarcic schleuderte den Wurfspeer und sah, wie die Waffe einem Caledonier den Hals durchschlug, dann erreichte auch sein Streitwagen die Kampflinie und donnerte in die Masse der Feinde.

Der Keulenhieb eines feuerhaarigen Gegners brach einem der Pferde die Läufe, woraufhin Turumir, trotz aller Mühen, die Kontrolle über das Gefährt verlor und der Wagen umstürzte.

Tarcic und Turumir wurden herausgeschleudert und flogen in hohem Bogen in die tobende Schlacht ...

Während Borix auf die feindlichen Massen einhieb, bemerkte Toromic aus dem Augenwinkel den Sturz seines Bruders. Er selbst wurde von seinen Kriegern geschützt, doch Tarcics Gefolge schien schon beim ersten Zusammenstoß mit den Caledoniern aufgerieben worden zu sein.

Toromic versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, doch er sah nur im Nahkampf verkeilte Kriegerhaufen, und im nächsten Augenblick musste er sich unter einem heran schießenden Speer abducken.

Sei stark, Bruder! dachte er und wandte sich dem Kampf zu. Er griff sich Speer um Speer und schleuderte sie in die ihn umtobenden Menschenmassen. Als er den letzten geworfen hatte, zog Toromic sein Hiebschwert und begann, wie Borix, auf die sie bedrängenden Feinde einzuschlagen.

Nach endlos scheinendem, blindem Gemetzel bekam Toromic einen Augenblick Luft. Er blickte wieder in die Richtung, in der er Tarcic das letzte Mal gesehen hatte. Doch wo vor wenigen Augenblicken noch die stolzen Fahnen der Selgovater geweht hatten, tobte jetzt das Handgemenge, und er konnte Freund und Feind kaum auseinander halten. Er hob sein Schwert und brüllte: „Mir nach, Männer! Wir müssen Tarcic helfen!“

Borix und die übrigen Krieger seiner Leibwache hieben ihre jeweiligen Gegner nieder, dann folgten sie ihrem Häuptling. Gemeinsam begannen sie sich einen Weg durch die Reihen der Feinde zu bahnen.

Tarcic hatte den Überblick verloren und kämpfte instinktiv. Er fing den Hieb eines Caledonier mit dem Schild auf, ließ sein Schwert absacken und schlug dem Gegner ein Bein ab. Dann fuhr er blitzschnell herum.

Ein gewaltiger, in Wolfsfell gekleideter Caledone hatte die Streitaxt zum Schlag in seinen ungeschützten Rücken erhoben, doch noch bevor der Riese dazu kam sein Vorhaben auszuführen, durchschlug ihm Tarcics Klinge die Kehle. Tarcic war wie von Sinnen. Mordlust hatte ihn erfasst und ließ ihn wie einen Berserker durch die Reihen der Gegner fahren: er spaltete einem caledonischen Krieger den Schädel bis aufs Brustbein und drängte einen anderen mit dem Schild beiseite. Dieser stürzte und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch Tarcic setzte nach und stach ihn nieder. Zwei weitere Feinde versuchten nun Tarcic mit ihren langen Speeren in die Enge zu treiben, doch der Bruder des Toromic war nicht aufzuhalten. Der Blutrausch, der ihn erfasst hatte, verlieh ihm ungeahnte Kräfte.

Er schlug einem der Gegner mit einem kurzen Hieb die Lanzenspitze ab und zog den Caledoniern dann, an dem Schaft der unbrauchbar gemachten Waffe, zu sich heran. Er sah deutlich das Weiße in den Augen des Mannes, als er ihm sein Schwert durch den Leib trieb und ihn anschließend mit einem wuchtigen Schildstoß niederrammte. Gurgelnd brach der Krieger zusammen. Der zweite Caledone war von dem tollkühnen Vorgehen Tarcics so überrascht, dass er zu spät reagierte, als der Selgovater seine Klinge abermals durch die Luft sausen ließ. Einen Augenblick später fiel sein Schädel, und der enthauptete Leib sank zu Boden.

Auf einmal bemerkte Tarcic, dass er nicht mehr angegriffen wurde. Während er sich keuchend Blut und Schweiß aus den Augen wischte, sah er, dass sich keiner seiner Männer mehr in der Nähe befand. Entweder lagen sie gefallen zwischen den Leichen der Caledonier, oder sie kämpften weiter entfernt. Unmöglich, schoss es ihm durch den Kopf, meine Krieger haben mich mit ihrem Leben zu verteidigen - bis zum Ende, aber ...

Er sah sich um. Der Boden war mit Leichen übersät. Einige Verwundete zuckten und stöhnten noch oder krochen orientierungslos zwischen den Toten umher, doch sonst bewegte sich nichts mehr. Tarcic blickte auf. Mit Schrecken bemerkte er, dass ihn eine Horde caledonischer Krieger eingekreist hatte. Allmählich begann er, zu begreifen: die Caledonier hatten in ihm einen Anführer der Selgovater erkannt. Da sie sich ohnehin in der Überzahl befanden, war es ihnen nicht schwer gefallen, seine Gefolgsleute von ihm abzudrängen oder zu vernichten und ihn anschließend einzukesseln. Während überall im Hintergrund noch gekämpft wurde, schlossen die caledonischen Krieger den Kreis enger. Sie hoben ihre Waffen und drohten, griffen aber nicht an. Tarcic wusste, was das zu bedeuten hatte. Entweder wollten sie ihn gefangen nehmen und ihren Göttern opfern, oder sie würden ihn benutzen, um seinen Clan zu erpressen. Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Als Tarcic an diese dachte, verzog ein wildes Grinsen seine blutbesudelten Züge. Vielleicht wollten sie ihn für einen Zweikampf gegen einen ihrer Edlen aufsparen. Diese Möglichkeit erschien ihm am erstrebenswertesten. Doch was auch geschah - lebendig würden sie ihn nicht in die Hände bekommen.

Einen Augenblick lang stand er ruhig, dann schwang er sein Schwert und rief den Caledoniern Schmähworte zu, um sie zum Angriff zu reizen. Doch sie reagierten nicht. Anstatt ihn zu attackieren, begannen auch sie ihn in ihrer seltsamen Sprache zu verhöhnen. Tarcic blieb keine Antwort schuldig, und so standen sich die ungleichen Parteien eine ganze Weile lang wild schimpfend und gestikulierend gegenüber, ohne dass einer von beiden den Anfang zu machen wagte.

Doch plötzlich kam Bewegung in die Reihen der Feinde. Sie blickten sich um, traten beiseite und machten eine schmale Gasse frei. Tarcic hielt unwillkürlich den Atem an, als er den Grund für das seltsame Verhalten seiner Feinde auf sich zukommen sah. Denn der Krieger, der nun den Kreis betrat, war ein Koloss. Er war mindestens zwei Köpfe größer als er und ihm auch an Masse weit überlegen.

Mit fast nachlässiger Ruhe baute sich der Gigant vor ihm auf. Tarcic schluckte. Der Schädel des Caledoniers war bis auf einen langen Zopf, der seitlich am Kopf herunterhing, kahlrasiert und vollkommen schwarz bemalt. Eine massive, aus geschmiedeten Silberringen bestehende Kette umspannte den Hals des Mannes, seine kräftigen Arme waren über und über tätowiert, fein verzierte Goldreifen umspannten die mächtigen Muskeln. In der rechten Hand des Mannes ruhte eine bluttriefende Streitaxt.

Tarcic befiel ein seltsames Gefühl. Es war nicht nur die Angst vor dem Zweikampf mit diesem Giganten, die ihm kalte Schauer über den Rücken trieb. Nein, noch eine andere Empfindung mischte sich unter die Furcht. Es war, als verberge sich etwas viel Mächtigeres als bloße Mordgier hinter dem kalten Blick, der ihm aus den gnadenlosen Augen des schwarz bemalten Schädels entgegenblitzte.

Es muss mir gelingen, ihn zu besiegen! dachte er.

In diesem Augenblick gab der Caledone seine vorgetäuschte Ruhe auf und stürzte mit erhobener Streitaxt, laut brüllend vor. Tarcic blieb kaum Zeit, um zu reagieren. Ein fürchterlicher Schlag traf krachend seinen Schild. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wich Tarcic zurück und versuchte den Griff fester zu umklammern, doch es war bereits zu spät. Der nächste Hieb des Giganten riss ihm den Schild mit solcher Wucht vom Arm, das er das Gleichgewicht verlor und nach vorne taumelte.

Völlig überrascht und seiner Deckung beraubt, schlug Tarcic blind mit dem Schwert um sich, verfehlte den Caledonier aber. Dieser huschte mit einer für seine Größe unglaublichen Behändigkeit an Tarcic vorüber und schlug nun von hinten wieder zu. Das alles spielte sich so schnell ab, dass Tarcic nur noch instinktiv reagieren konnte.

Er duckte sich, fuhr gleichzeitig herum, hob den Schwertarm und blockte den Hieb des Gegners in letzter Sekunde ab. Der Zusammenprall der Waffen ging ihm durch Mark und Bein.

Ich bin verloren! schoss es ihm durch den Kopf, als auch schon der nächste Schlag auf ihn niederging. Er versuchte sich aufzurichten, doch der Caledone schlug mit solcher Gewalt zu, dass es ihm nicht gelang.

Das Gesicht des Gegners war eine starre Maske. Kein Hohnlachen oder Gebrüll kam über seine Lippen, er war einzig und allein auf die Ausführung seines Vorhabens konzentriert.

Die Todesangst setzte in Tarcic noch einmal ungeahnte Kräfte frei.

Mit letzter Anstrengung schob er den Riesen von sich, richtete sich auf und schlug mit seiner ganzen Kraft, beidhändig den Griff seines Schwertes umklammernd, auf den Caledonier ein. Der Gigant schien überrascht und wich, Tarcics Hiebe abwehrend, ein paar Schritte zurück, dann jedoch trieb er seinen eigenen Angriff wieder mit aller Macht voran.

Tarcics Kräfte schwanden. Das Gebrüll der Feinde, die ihren Mann anfeuerten, nahm er nur noch aus weiter Ferne wahr. Während er die Schläge des Gegners instinktiv parierte, schien es ihm, als klänge von irgendwoher leiser Singsang an seine Ohren.

Nun, dachte er träge, vielleicht beginnt ja auf diese Art der Übergang in die Anderswelt?

Der nächste Hieb traf seinen Kopf und fuhr dann an Hals und Schulter hinab. Tarcic schrie laut auf, ließ sein Schwert fallen und umklammerte seinen Hals. Die Leichen der Gefallenen schienen einen wilden Tanz um ihn herum aufzuführen und die Gestalt des Gegners riesenhaft zu werden. Dann traf etwas mit großer Wucht seinen Kopf.

Für Toromic und seine Männer war es inzwischen immer schwieriger geworden, sich dem Ort des Zweikampfes zu nähern, denn mehr und mehr Gegner stellten sich ihnen entgegen. Mit dem Mut der Verzweiflung kämpften sie sich den Weg frei und erreichten schließlich den Schauplatz des Zweikampfes. Während sich seine Gefolgsleute auf die Caledonier stürzten, brach Toromic durch den Kreis.

Der Riese setzte gerade zum Todeshieb auf seinen wehrlos am Boden liegenden Bruder an. Toromic riss einem Toten den Speer aus der steifen Hand und schleuderte ihn auf den Caledonier. Tödlich getroffen ließ dieser die Axt fallen und sank auf die Knie. Toromic stieß einen fürchterlichen Schrei aus, ließ sein Hiebschwert kreisen und schlug dem Gigant mit einem einzigen Hieb den Kopf vom Rumpf. Der Schädel des Mannes rollte in den Schlamm, der Körper sank zu Boden.

Dabei löste sich die Schulterfibel, die das Bärenfell des Riesen über der Brust zusammen gehalten hatte, und Toromic erkannte mit Schrecken die heiligen Tätowierungen der Druiden. Doch es blieb ihm keine Zeit, um zu begreifen was diese Entdeckung zu bedeuten hatte, denn die Lage spitzte sich zu.

Die Caledonier drängten wieder verstärkt vor und bedrohten sein Gefolge aufs Äußerste. Auf einmal brüllte Borix. Toromic fuhr herum und sah den Grund des Zurufs aus dem hinter ihnen liegenden Waldstück hervorbrechen. Die verbündeten Entsatz Truppen hatten die Walstatt gerade noch rechtzeitig erreicht.

Zu Hunderten stürmten Briganter und Carvaeter auf das Schlachtfeld und brachten die Reihen der Feinde in Verwirrung. Die dem Waldstück am nächsten stehenden caledonischen Truppen wurden in wenigen Augenblicken überrannt. Die übrigen versuchten, sich den neuen Angreifern entgegenzustellen, doch der Schock über die Wendung der Ereignisse lähmte ihre Kampfkraft. Chaos war die Folge. Immer mehr Briganter strömten aus dem Waldstück hervor und warfen sich in den Kampf. Nach kurzer Zeit wurden Toromic und seine letzten lebenden Krieger von ihren Verbündeten erreicht, und gemeinsam drängten sie die Caledonier zurück.

Erst nach langen Minuten des Kampfes bekam Toromic Luft, um nach seinem Bruder zu sehen. Er eilte zu ihm und legte sein Ohr auf Tarcics Brust. Ganz schwach nahm er Herzschlag wahr. „Er lebt!“ stieß er hervor.

Plötzlich schien ihn ein Hauch zu streifen. Eine Ahnung von Unheil. Sein Blick fiel auf die Leiche des Riesen und er begann zu stöhnen. „Verzeiht, meine Götter … , verzeiht mir!“ Eine grauenhafte Kälte stieg in ihm empor. Er wusste, ohne es zu begreifen, was zu tun war. Schwer keuchend erhob er sich und ging auf den Toten zu. Seine Hand zog den Dolch aus dem Gürtel. Seine Männer waren so sehr mit der Vertreibung der Caledonier beschäftigt, dass sie nichts von dem mitbekamen, was ihr Häuptling jetzt tat. Toromic war nicht bei sich, als er die Spuren seines Frevels für immer vernichtete. Betäubt kehrte er zu Tarcic zurück.

Kaum war er bei ihm niedergekniet, als auch schon Borix und einige seiner Männer herbeikamen.

Borix untersuchte Tarcic. „Er ist böse zugerichtet, doch er lebt“, stellte er fest.

Toromic nickte unbehaglich. Er half den Männern seinen Bruder anzuheben und zu einem der Streitwagen zu tragen. Dann wandte er sich um und ließ seinen Blick über das Schlachtfeld wandern.

Der Anblick von Tod und Verwüstung war grauenhaft, doch nicht die vielen Gefallenen beschäftigten ihn.

Ein Derwydd der Caledonier, das ist verdammungswürdig! dachte er aufgebracht. Seit wann ist es den heiligen Männern gestattet, an einer Schlacht teilzunehmen? Nicht einmal das Tragen von Waffen ist ihnen erlaubt, es sei denn zum Ausführen der rituellen Tötungen. Wie kommt es, dass sich einer von ihnen - und sei es auch ein Eichenkundiger der Caledonier - unter die Krieger mischt? Er muss doch gewusst haben, dass er damit ein Tabu bricht, die Wut der Götter heraufbeschwört ...

Plötzlich wurde ihm bewusst, warum er den Leichnam des Druiden unkenntlich gemacht hatte. Heftige Angst ergriff ihn. Was für Folgen es auch immer für einen Druiden haben mochte, ein Tabu zu brechen, für einen normal Sterblichen galt es als Todsünde, auch nur die Hand gegen einen der heiligen Männer zu erheben.

Wie ein eisiger Hauch durchdrang diese Erkenntnis Toromics Geist. Tarcic hatte die Waffe gegen einen Druiden erhoben, und er selbst hatte ihn getötet. Das war der schlimmste Tabubruch, den ein sterblicher Krieger begehen konnte! Die Tatsache, dass er im Getümmel der Schlacht nicht hatte erkennen können, wen er angriff, würden weder die Götter noch seine eigenen Clanbrüder berücksichtigen. Das Leben Tarcics und sein eigenes waren nichts mehr wert, wenn die Männer die Wahrheit erfuhren.

Der Häuptling der Selgovater begriff, dass sein Leben soeben eine tragische Wendung genommen hatte. Erschöpft stützte er sich auf sein Schwert.

Die Caledonier wurden vernichtend geschlagen. Mac o Tauroc hatte sich rechtzeitig abgesetzt, doch blieben ihm nicht viele Krieger seiner stolzen Streitmacht. Die Selgovater und Briganter zählten weit über tausend feindliche Gefallene und opferten die Gefangenen ihren Göttern. Doch die Schlacht hatte auch ihnen einen hohen Blutzoll abgefordert. Von den Kriegern der vereinten Selgovaterclans, die Toromic angeführt hatte, war weniger als die Hälfte am Leben. Die Kriegerschaft seines eigenen Clans hatte ebenfalls stark gelitten. Auch die Briganter hatten viele Gefallene zu beklagen, denn sie hatten die zurückweichenden Horden des Mac o Tauroc noch weit verfolgt und schließlich zu einer weiteren Schlacht gezwungen.

Für die Clans der Selgovater aber war die größte Schlacht seit Jahren heldenhaft gewonnen und die Gefahr für die Bruderstämme vorerst beseitigt.

Tarcic lag wochenlang mit hohem Fieber danieder, und oft schien es, als würde er seinen Verletzungen erliegen. Toromic ließ nach allen Regeln der Kunst für ihn sorgen, doch der Zustand seines Bruders wollte sich nicht bessern. Lange Zeit lebte der Häuptling der Selgovater in Angst, denn er befürchtete den Zorn der Götter für seinen Frevel. Er haderte mit sich selbst, brachte aber nicht den Mut auf, sich jemandem anzuvertrauen.

Doch als Shana eines Tages vorschlug, die Druiden herbeizuholen, um Tarcic zu heilen, brach die mühsam aufrecht erhaltene Fassade seiner Beherrschung zusammen. Völlig außer sich berichtete er seinem Weib von der Tat und wie es dazu gekommen war. Erst weinte Shana vor Schreck, dann gewann sie ihre Fassung zurück. Mit der nüchternen Klarheit, die Toromic schon immer an ihr geliebt hatte, versuchte sie die Situation zu erfassen. Sie gab zu bedenken, dass die Schlacht schon einige Zeit zurücklag und dass sich die Götter wohl kaum viel Zeit mit einer Strafe lassen würden, wenn sie ihn bestrafen wollten. Vielleicht, so meinte sie, würde er später noch für seine Tat bezahlen müssen, doch warum sollte er sich seinen Männern offenbaren, wenn die Götter offensichtlich anderes mit ihm vorhatten? Toromic fluchte und fühlte sich als Feigling. Es war ihm zutiefst zuwider, die Schmach geheim zu halten, doch was sollte er tun? Wenn er die Wahrheit sagte, so war nicht nur er, sondern seine ganze Familie des Todes. Schließlich überwogen die Angst vor den Göttern und die Liebe zu seiner Frau. Gemeinsam entschieden sie, das Geheimnis so lange für sich zu behalten, wie es möglich war. Anschließend opferten sie ihren wertvollsten Schmuck den Göttern. Sie verbogen kostbare Ringe, zerschlugen edelstes Geschmeide und warfen sie heimlich in eine Opfergrube des Clanheiligtums.

Tarcic erholte sich nur langsam von seiner schweren Verwundung. Immer wieder wurde Toromic berichtet, dass sein Bruder im Fieber seltsame Dinge rede, dass er des Nachts oft schreiend hochfahre und die Wache haltenden Sklaven in Schrecken versetze.

Toromic nahm diese Nachrichten äußerlich stets gelassen entgegen, innerlich jedoch zitterte er vor Angst. Schließlich sank Tarcics Fieber. Der Bruder des Häuptlings erwachte und erholte sich zusehends. Als er wieder halbwegs bei Kräften war, weihte Toromic ihn in die Geschehnisse ein. Tarcic war zutiefst betroffen. Doch als ihm Toromic berichtete, dass die Götter bisher nichts unternommen hatten, um sie zu bestrafen, atmete er auf. Tarcic konnte sich nicht genau an die Geschehnisse erinnern, nur noch an den Augenblick, als ihn der Caledone niedergeschlagen hatte. Als Toromic ihm erzählte, wie er den Riesen im letzten Augenblick davon abgehalten hatte, ihn zu töten, legte ihm Tarcic die Hand auf den Arm und lächelte dankbar. „Ich glaubte schon, meine Zeit sei gekommen.“

Kurze Zeit darauf, mitten in der Nacht, ließ Tarcic nach Toromic schicken. Als Toromic die Hütte betrat, sah er Tarcic mit Schweiß bedeckter Stirn am Feuer sitzen. Auf die Frage, wo sein Weib und seine Sklaven seien, antwortete er nicht. Toromic setzte sich zu ihm. „Was willst du zu so später Stunde von mir?“

Tarcic war leichenblass. „Ich habe eine Vision gehabt.“

Toromic wollte gar nicht wissen, was sein Bruder gesehen hatte. Er versuchte so unbeteiligt wie möglich zu klingen. „Beunruhige dich nicht, Bruder. Schon viele tapfere Krieger haben nach einer Schlacht die Geister ihrer getöteten Feinde gesehen.“

Tarcic sah ihn seltsam an. „Ich sah keine Geister, es waren ...“

Toromics Hals schnürte sich zu. Er hatte das Gefühl, dass etwas Schreckliches geschehen würde, wenn er erfuhr, was Tarcic gesehen hatte. Er erhob sich rasch. „Schlafe nun, Bruder, am Morgen wollen wir zur Jagd reiten.“

Tarcic blickte ihm seltsam nach, als er fluchtartig die Hütte verließ.

Doch schon Tage später holte den Häuptling der Selgovater die Wahrheit ein. Tarcic ließ abermals nach ihm rufen, und dieses Mal war sein Bruder einem Zusammenbruch nahe, als Toromic eintraf.

„Was geschieht mit mir?“ rief er, als Toromic die Hütte betrat.

Mit Schrecken sah Toromic, dass Tarcic völlig bleich war und am ganzen Körper zitterte.

„Ruhig, Bruder, was ist mit dir?“, fragte er vorsichtig.

Tarcic ließ sich keuchend am Feuer nieder und berichtete, dass er abermals von Visionen überfallen worden sei. Während des Beischlafs mit seiner Frau, bei Schwertübungen, auf der Jagd und bei Wettkämpfen. Erst habe er versucht, sie zu ignorieren, doch jetzt sei er am Ende seiner Kräfte.

„Was hast du gesehen?“ fragte Toromic gedehnt. Tarcic antwortete mit brüchiger Stimme: „Ich konnte in die Zukunft blicken. Die Geister unserer Ahnen erschienen mir und wiesen mir den Weg zu Orten, an denen ich sah, was sich in der Zukunft ereignen kann.“

Toromic schluckte. Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er mit fester Stimme: „Niemand darf davon erfahren.“

„Aber was sollen wir tun?“ fragte Tarcic. „Ich ertrage das nicht länger.“

Toromics Blick ging in die Ferne, während seine Finger unbewusst seinen mächtigen Häuptlingstorques umspielten.

„Ich werde die Derwydd herbei bitten.“

Tarcic starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an: „Du wirst was?!“

Toromics Stimme war rau, als er fortfuhr: „Sie werden dich prüfen, die Kraft untersuchen und darüber urteilen, ob du sie rechtmäßig erlangt hast. Sie werden herausfinden, ob wir lügen, denn sie sind den Göttern näher als wir. Sie werden entscheiden, ob wir für unsere Frevel bezahlen müssen. Ich habe das Versteckspiel satt.“

„Aber wir können doch nichts dafür, dass ein Druide an den Kämpfen teilnahm, obwohl es verboten ist“, wandte Tarcic ein.

„Ich bin mir sicher, dass das vor den Augen der Götter keine Rolle spielt“, entgegnete Toromic bitter.

Und so hielten Toromic, Tarcic und Shana die wahren Umstände von Tarcics Verwundung vor den übrigen Clanangehörigen geheim und verbreiteten statt dessen die Mär, Tarcics Geist sei während seines Fiebers im Totenreich der Ahnen, der Anderswelt, gewesen und habe von den Geistern seiner Vorfahren die Gabe des Hellsehens erhalten.

Die Versammlung der Krieger glaubte den Brüdern, und so war die unmittelbare Gefahr gebannt.

Nach anfänglicher Panik bemerkte Tarcic, dass ihn körperliche und seelische Anstrengungen sensibler für die plötzlichen Heimsuchungen machten, dass ihr Kommen in gewissem Maße vorhersehbar war, was den Visionen schließlich ihre Schrecken nahm. Mit der Zeit gelang es ihm sogar, die Möglichkeiten, die ihm seine Fähigkeit bot, zu nutzen. Er konnte, während er sich in Trance befand, undeutlich in die Zukunft blicken.

Toromic hatte inzwischen die im Lande umherziehenden Druiden herbei gebeten, damit sie seinen Bruder begutachten und dessen neue Fähigkeiten erforschen sollten. Und auch vor den allweisen Eichenkundigen hielten die Brüder die Geschehnisse der Schlacht geheim. Die Druiden prüften Tarcic, und als sie, die doch über gewaltige Zauberkräfte verfügten, zur Überraschung der Verschwörer nicht erkannten, woher die Fähigkeit des Hellsehens kam, sahen Toromic und Tarcic Hoffnung für sich.

Niemand würde erfahren, was sich auf dem Schlachtfeld zugetragen hatte, es sei denn, die Götter selbst griffen ein und verrieten die Brüder. Wenn danach Druiden das Dorf besuchten, weihten sie Tarcic Schritt um Schritt in die Geheimnisse des Runenwurfes und anderer magischer Praktiken ein.

Er wurde von ihnen als Vates, als Mann der Weissagungen und des Sehens, anerkannt, als ihr spiritueller Vertreter im Dorf, wenn keiner von ihnen verfügbar war. Ein Druide von der gefürchteten Kaste der Cainte lehrte ihn sogar, wie man aus den Eingeweiden von Tier- und Menschenopfern zukünftige Ereignisse lesen und anhand des Fluges der Vögel das Schicksal deuten konnte.

Tarcic übte alles Beigebrachte und versuchte sich in den verschiedenen Arten der kultischen Handlungen. Je mehr er aber seine neue Rolle im Clan auszuüben begann, desto weniger pflegte er seine alten Gewohnheiten und den Kontakt zu seinen Vertrauten und Kriegern.

Seine Frau litt besonders unter den magischen Fähigkeiten ihres Mannes. Bis zu dem Tag der Schlacht war er der Bruder des Häuptlings gewesen, ein berühmter Krieger, in der Blüte seiner Jugend, dem das Recht auf den Häuptlingssitz zustand, sollte Toromic sterben. Ein Mann, dem Kinder zu schenken ihr höchstes Ziel gewesen war.

Doch nun war sie sich nicht mehr sicher. Tarcic war ihr fremd und unheimlich geworden. Oft schrie er im Schlaf oder gab seltsame Laute von sich. Im wachen Zustand war er unkonzentriert und mürrisch und gab sich unnahbar. Wenn die anderen Männer zu Wettkampf oder Jagd aufbrachen, sah er ihnen wehmütig nach, ohne jedoch Anstalten zu treffen, sich ihnen anzuschließen.

Doch erst die Gleichgültigkeit, mit der er über das Schicksal der Gefangenen entschied, sie für die Opferungen auswählte und schließlich tötete, ließ sie ihre Entscheidung fällen. Tarcic hatte nichts mehr mit dem jungen, ungestümen Anführer zu tun, den sie gekannt und geliebt hatte. Eines Tages machte sie von ihrem Recht der freien Männerwahl Gebrauch und verließ ihn.

DER KELTISCHE FLUCH

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