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1.2 Den Stammgästen etwas Gutes tun
ОглавлениеEin Stammgast ist eine Person, die ein Hotel häufig besucht. Hotels leben von Stammgästen, insbesondere die Ferienhotellerie ist ohne Stammgäste kaum vorstellbar. Fast alle Hoteliers sind stolz auf einen hohen Stammgastanteil. Genaue Messdaten haben die wenigsten Betriebe, zumal die Definition, was ein Stammgast ist, in der Regel völlig beliebig ist. Für manche ist ein Gast dann ein Stammgast, wenn er oder sie schon einmal da war. Andere grenzen schon etwas schärfer ab. Für sie ist jemand erst dann ein Stammgast, wenn er oder sie mindestens drei Mal in den letzten fünf Jahren Gast war.
Stammgäste werden geliebt, zumindest die meisten. Auf einige Stammgäste könnte man zwar verzichten, aber sie kommen doch immer wieder, obwohl sie sich beim letzten Aufenthalt beschwert haben. Was gibt es Schöneres für eine Hoteliersfamilie, wenn die Stammgäste den Urlaub genossen haben, die Rechnung anstandslos bezahlen und gleich den nächsten Urlaub buchen? Diese Vision ist nachvollziehbar wünschenswert, vielleicht auch deshalb, weil der Stammgast Dr. Schmidt mit seiner Frau schon seit 25 Jahren regelmäßig kommt, seit vier Jahren sogar zweimal pro Jahr und mit dem Seniorchef ausgedehnte Wanderungen unternimmt. Die Kinder kommen seit einigen Jahren nicht mehr mit, doch beim letzten Mal war die Tochter mit ihrem Verlobten dabei. Solche Gäste will man halten und unternimmt alles, um sie glücklich zu machen.
Die persönliche Beziehung zu den Gästen ist eine herausragende Stärke von Familienbetrieben, vor allem in der Ferienhotellerie. In unseren Marktforschungsprojekten stellt das familiengeführte Hotel immer wieder eine gewichtige Gästeerwartung dar. Neue Gäste sind unberechenbar und schwer zu finden. Einen Stammgast zu verlieren, weckt Verlustaversionen8. Den Stammgast zu halten ist daher oberstes Gebot. Diese Stammgastfixierung ist verständlich, auf der anderen Seite aber nicht unproblematisch. Wenn wir alles tun, um den Stammgästen zu gefallen, dann verhindern wir auch Neuerungen. Der Stammgast ist deshalb im Hotel, weil es ihm so gefällt wie es ist und weil das Preis-Leistungsverhältnis aus seiner Sicht passt, sonst würde er ja nicht kommen.
Ein Hotel, welches sich voll auf die Stammgäste fokussiert, läuft Gefahr mit den Stammgästen alt zu werden und für neue Gäste zu wenig attraktiv zu sein. Ein sehr hoher Stammgastanteil führt zu hohen Auslastungen mit Stammgästen und zu weniger neuen Gästen, da für neue Gäste vielleicht gar keine Zimmer mehr zur Verfügung stehen. Nach einigen Jahren – spätestens bei der Übergabe des Betriebes – stellt man plötzlich fest, dass die Altersstatistik nicht wirklich Freude bereitet, wenn z. B. der Anteil der Gäste über 60 Jahre zu 70 Prozent der Übernachtungen beitragen. Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine gute Durchmischung von Stammgästen und neuen, vor allem auch jungen Gästen, anzustreben.
Es mag nun paradox anmuten, wenn ich die Hypothese aufstelle, dass es gar nicht so gut ist, in den Top-Zeiten ausschließlich Stammgäste zu verwöhnen. Wie oft wollte ein neuer Gast über Weihnachten buchen, und wie oft haben Sie ihm absagen müssen, da die Stammgäste alle Zimmer schon reserviert haben? Geben Sie auch neuen Gästen die Chance zu Top-Zeiten zu kommen, damit Sie neue Stammgäste gewinnen. Achten Sie auf eine gute Gästedurchmischung, auch hinsichtlich der Altersstruktur, die zur Positionierung Ihres Hotelbetriebes passt. Diese Strategie hat einen weiteren Vorteil. Sie signalisieren Ihren Gästen die Knappheit Ihres Angebotes zu bestimmten Zeiten. Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass Sie das ohnehin tun. Was soll man machen, wenn die Stammgäste so früh buchen und neuen Gästen die Zimmer wegbuchen? Vielleicht liegt es am zu günstigen Preis, an den zu günstigen Bedingungen für Stammgäste, die manchmal sensationelle Rabatte und Sonderkonditionen haben, die schon vor 20 Jahren von den Seniorchefs gewährt worden sind.
Andererseits sind Stammgäste auch ursächlich für den betriebswirtschaftlichen Erfolg. Ein Gast, der mit seiner Familie viele Jahre seinen Urlaub im Hotel verbringt, leistet einen beachtlichen Umsatzbeitrag. Vielleicht zählen auch bekannte Persönlichkeiten zu den Stammgästen, die quasi zur Marke des Hotels gehören und auf die man auf gar keinen Fall verzichten möchte.9 Mit diesem Wissen ist die Beurteilung des Preis-Leistungsverhältnisses aus Sicht des Stammgastes elementar. Auch die Meinung der Stammgäste zu Servicequalität und Preisen hat ein großes Gewicht. Stammgäste sind daher Meinungsschwergewichte, von denen man lieber keine Kritik ernten möchte, schon gar nicht wegen einer vielleicht etwas zu kecken Preisanpassung. Lieber die Preis-Latte etwas niedriger halten, damit nur keine Kritik aufkommt.
Die Angst vor der Stammgastkritik wegen zu hoher Preise ist allgegenwärtig und torpediert nicht nur die Preisfindung, sondern auch die Preisdurchsetzung. Man mag die Stammgäste und möchte ihnen etwas Gutes tun, und sei es einfach denselben Preis für den Urlaub im nächsten Jahr, obwohl die Inflation eine Preisanpassung um drei Prozent erfordert, damit die Marge zumindest gleichbleibt. In einem solchen Moment rächt sich auch die meistens viel zu späte Beschäftigung mit den Preisen für die nächste Saison. Der Gast möchte für das nächste Jahr seinen Urlaub buchen, aber der Hotelier hat die Preise noch nicht festgelegt.
Neben der jährlichen Preisanpassung, die aufgrund der Inflation für jeden Hotelbetrieb überlebenswichtig ist, sind Investitionen in das Unternehmen wesentliche strategische Effekte, die einen starken Einfluss auf die Preis-Politik haben sollten. Dieses Thema wird in den folgenden Kapiteln behandelt. Hotelbetriebe sind generell sehr investitionsgetrieben. Um den sich immer wieder ändernden Gästewünschen anzupassen, sind Hotels gezwungen, Investitionen durchzuführen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und am Markt bestehen zu können. Manche Investitionen sind Grundvoraussetzung, damit der Betrieb überhaupt funktionieren kann, oder sogar gesetzlich vorgeschrieben. Solche Investitionen können nicht einmal in den Preisen abgebildet werden, sie sind selbstverständlich und grundlegend, um die bestehenden Preise überhaupt zu halten.
Anders hingegen ist es bei Investitionen, die den Gästenutzen direkt betreffen. Eine umfassende Zimmerrenovierung erhöht den Nutzen der Gäste erheblich, je nachdem wie intensiv die Renovierung durchgeführt wird. Auch eine Erweiterung oder Erneuerung des Wellness- oder Restaurantbereiches führt zu einem höheren Gästenutzen10. Je nach Strategie und Positionierung Ihres Betriebes gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten Ihren Gästen einen höheren Nutzen zu bieten. Gästenutzen sind nicht nur durch infrastrukturelle Maßnahmen zu erhöhen, sondern können auch durch Serviceverbesserungen gesteigert werden. Die strategischen Effekte der Preis-Strategie zählen zu den stärksten Einflussfaktoren und sollten daher sehr sorgfältig analysiert und berechnet werden. Um die richtigen Preise zu finden, nutzen wir quantitative Simulationen. Im Kapitel 6.3 (Preis-Szenariorechnung) wird näher auf dieses Thema eingegangen.
Einige Hotelbetriebe bilden strategische Investitionen mutig in den Preisen ab. Was uns manchmal überrascht sind Bauchentscheidungen, die mehr oder weniger ohne rationales Denken getroffen werden. Preisentscheidungen aufgrund von Investitionen primär mit dem Bauch zu tätigen ist hochgradig riskant. Ist man sich relativ sicher, den richtigen Preis gefunden zu haben oder stochert man im Nebel der möglichen Preisbereitschaft der Gäste hinterher? Die Gefahr, einen zu niedrigen Preis anzusetzen, ist hoch, sehr hoch sogar. Zugegeben, es gibt auch das Risiko eines zu hoch angesetzten Preises. In unserer Beratungspraxis ist dieses Phänomen jedoch äußerst selten anzutreffen.
»Den Stammgästen etwas Gutes tun« ist in den meisten Hotelbetrieben Teil der DNA, ein wirkmächtiges Element der Unternehmenskultur, das über Generationen weitergegeben wird. Investitionen in den Gästenutzen sind daher erregende Momente eines jeden Hoteliers. Man stellt sich die freudigen Gesichter der Stammgäste vor, wenn sie die neuen Zimmer betreten oder wenn sie den neuen Infinity-Pool und den Panorama-Ruhebereich sehen.
Die Schattenseite ist der Mehrpreis, den man für Investitionen verlangen sollte bzw. verlangen muss. Investitionen sind nicht umsonst. Die aufgenommenen Darlehen müssen zurückgezahlt werden, ebenso die Zinsen und eventuell höhere Kosten, die auch aufgrund der Personalsituation jährlich steigen. Welchen Preis sollen wir verlangen? Welcher Preis ist für die Stammgäste akzeptabel? Und genau an diesem Punkt tritt das Meinungsschwergewicht Stammgast in Aktion. Man stellt sich ein paar Stammgäste bildlich vor, wie sie auf die neuen Preise reagieren werden. Herr Meier hat doch immer gesagt, dass er keinen Infinity-Pool braucht. Auch Frau Müller hat gesagt, dass ihr Lieblingszimmer in Ordnung ist. Was sollen wir tun, wenn die Stammgäste die neuen Preise gar nicht großartig finden? Die manchmal zu starke Stammgastfixierung führt mitunter zu sonderbaren Preis-Entscheidungen.
Ein Hotelier investierte einen hohen Millionenbetrag in die Attraktivierung seines Wellnessbereiches. Anstatt die Preise angemessen anzupassen, verzichtete der Hotelier darauf, mit dem Argument, den Stammgästen etwas Gutes tun zu wollen und gleichzeitig die Auslastung zu steigern. Er wolle später – in den Folgejahren – den Preis etwas stärker anziehen. Die von uns empfohlene Preisanpassung wollte er nicht akzeptieren. Er meinte, dass seine Stammgäste über eine solche Preiserhöhung verärgert sein würden. Jeder Unternehmer hat freie Wahl in seinen Entscheidungen. Man muss die Preise nicht erhöhen. Vielleicht steigt die Auslastung tatsächlich so massiv an, dass sich die Strategie der unveränderten Preise rechnet. Im obigen Fall argumentierte der Hotelier weiter, er habe dies bei Investitionen immer so gemacht und sei damit gut gefahren. Nun hatte der Betrieb eine relativ gute Bilanz, doch im Jahr darauf konnte man die Konsequenz der Entscheidung klar an den roten Zahlen ablesen. Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Wir erleben immer wieder Anhänger solcher Glaubenssätze. Meiner Meinung nach ist ein Verzicht auf Preisanpassungen bei veränderten Gästenutzen eine Fehlentscheidung. Wir empfehlen einen erhöhten Gästenutzen grundsätzlich in den Preisen abzubilden und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gäste den Mehrnutzen genießen können.
Der obige Fall ist ein gutes Beispiel, wie problematisch eine zu starke Stammgastfixierung sein kann. Wir wollen uns daher etwas detaillierter mit dem Beispiel befassen. Folgende Fragen werfen sich auf:
• Warum hat der Hotelier in die Attraktivierung seiner Wellnessanlage investiert?
• Wie reagieren Stammgäste, neue Gäste oder verlorene Stammgäste auf die Investition?
• Wie reagieren Gäste bei angepassten und nicht angepassten Preisen?
• Welche Auswirkungen haben Leistungssteigerungen auf die Auslastung?
• Welche Auswirkungen haben Preiserhöhungen auf einen erhöhten Gästenutzen?
• Welche betriebswirtschaftlichen Auswirkungen haben diese Entscheidungen?
Die Investition eines hohen Millionenbetrages in die Attraktivierung eines Wellnessbereiches kann mehrere Gründe haben. Im obigen Fall war der bestehende Wellnessbereich in die Jahre gekommen und passte nicht mehr zur 4-Sterne-S-Kategorie. Auch die Wettbewerber hatten in den letzten Jahren aufgerüstet und einige Stammgäste hatten die attraktiveren Angebote der Wettbewerber angenommen. Die in den früheren Jahren sehr positiven Gästebewertungen haben hinsichtlich des Wellnessangebotes spürbar nachgelassen. Die Preise wurden jährlich vorsichtig angepasst, aber die betriebswirtschaftliche Performance stagnierte. Die Umsatzrendite war zwar noch im Mittelfeld der Branche, aber spürbar niedriger als in früheren Jahren. Der Grund der Investition war nachvollziehbar. Die Wettbewerbsposition und damit die betriebswirtschaftliche Performance sollten verbessert werden.
Stammgäste sind mit dem bestehenden Angebot in der Regel zufrieden, sonst wären sie keine Stammgäste. Im Laufe der Zeit können sich Gästeerwartungen verändern, vielleicht weil die Einkommenssituation sich verbessert hat oder weil die Konsumpräferenzen andere Schwerpunkte bekommen. Vor allem aber die Investitionen der Wettbewerber animieren die Gäste auch einmal andere Hotels zu buchen. Die Kinder gehen nicht mehr mit in den Urlaub oder ein neuer Partner oder eine neue Partnerin ist an der Seite des Stammgastes. Oft sind auch gesundheitliche oder auch andere Gründe ausschlaggebend für eine Buchungsentscheidung. Größere Neuerungen im Lieblingshotel bedeuten für Stammgäste regelmäßig eine Neubewertung. Wollen die Stammgäste diese Veränderung? Und wenn ja, sind sie bereit, den höheren Preis zu bezahlen? Oder nehmen sie die Veränderung zum Anlass, einmal ein anderes Hotel oder eine andere Region zu besuchen?
Neue Gäste, dazu können wir auch verlorene Stammgäste zählen, bewerten das neue Angebot aus einer etwas anderen Sicht. Für diese Gäste ist das Hotel ein Angebot unter mehreren Hotelbetrieben. Sie vergleichen das Angebot, den Preis, die Bewertungen in den Portalen, und wenn sie jemanden kennen, der schon Gast im Hotel war, folgen sie den Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Für diese Personen ist das Preis-Leistungsverhältnis stärker ausschlaggebend als für den Stammgast. Der Stammgast kennt das Hotel, den Nutzen, den er im Hotel genießen kann und er erinnert sich an die Zufriedenheit, die er beim letzten Besuch hatte. Die Stammgäste erinnern sich ungefähr an den Preis, den sie beim letzten Urlaub bezahlt haben und wägen den Mehr-Betrag ab, den sie durch den Mehr-Nutzen zu bezahlen haben.
Die Investition kann also dazu führen, dass Stammgäste verloren und neue Gäste gewonnen werden. Interessant ist die regelmäßige Überschätzung des möglichen Verlustes der Stammgäste und die Unterschätzung des möglichen Gewinns neuer Gäste. Meines Erachtens hat dieses Phänomen mit der bereits erwähnten Verlustaversion zu tun, der Angst, etwas zu verlieren. Neue Gäste kann man sich schwer vorstellen, da sie eben noch nicht bekannt sind. Man kann sich kein neues Gesicht vorstellen und daher denkt man mehr an bekannte Gesichter, eben an die Stammgäste, die nicht mehr kommen könnten. Wenn Investitionen gut getroffen werden, kann sich auch ein sehr erfreuliches Phänomen entwickeln, dass sowohl die Stammgäste als auch neue Gäste von der Investition begeistert sind und die Auslastung trotz höheren Preisen steigt. Gästebegeisterung ist das Ziel der strategischen Positionierung. Daher ist es so wichtig, Investitionen strategisch zu durchdenken, zu entscheiden und die Gästebedürfnisse voll zu treffen.
Wenn nun Investitionen durchgeführt und die Preise nicht angepasst werden, was passiert dann in den Köpfen der Gäste? Wie reagieren die Stammgäste? Einige werden vielleicht denken, die Erneuerung der Wellnessanlage wäre gar nicht notwendig gewesen. Da sich die Preise in diesem Fall nicht oder nur wenig verändert haben, ist das für diese Gäste gerne willkommen. Groß kann die Investition auch nicht gewesen sein, denn sonst hätte der Hotelier die Preise anheben müssen, mag vielleicht der eine oder andere Gast denken. Stammgäste könnten aber auch darüber nachdenken, ob die früheren Preise zu hoch waren. Wenn sie bei einem deutlich höheren Nutzen einen bestimmten Preis bezahlen und beim letzten Urlaub fast denselben Preis bezahlt haben, dann könnte sich diese Frage stellen. Stammgäste hingegen, für die die Investitionen sehr willkommen sind, würden wahrscheinlich ohne Schmerzen einen höheren Preis bezahlen. Das bedeutet, wir verzichten auf die Preisbereitschaft eines Teils unserer Gäste und somit auf Umsatz und Cashflow, den wir zur Rückzahlung der Kredite nutzen könnten. Wohlgemerkt, wenn ein Gast für einen Nutzen gerne den verlangten Preis bezahlt, dann ist jeder Preis, der darunter liegt, ein verlorener Umsatz. »Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.«11
Neue Gäste reagieren wahrscheinlich etwas anders, indem sie stärker das Preis-Leistungsverhältnis betrachten. Und nun kommt eine wesentliche Erkenntnis ins Spiel, nämlich der Preis als Qualitätsindikator. Die Rolle des Preises als Qualitätsindikator ist seit über sechzig Jahren Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung12 und vielfach empirisch beobachtet worden.13 Je nach Preisniveau wird auch dem Angebot ein entsprechendes Qualitätsniveau unterstellt. Die Wirkung der Qualitätsindikation des Preises geht weit über die Wahrnehmungsebene hinaus bis hin zu echten Placebo Effekten. »Nach dem Konsum eines Power Drinks zum Preis von 2,89 $ gaben Sportler signifikant bessere Trainingsergebnisse als die Trainierenden an, die denselben Drink zu einem Preis von 0,89 $ erhalten hatten.«14 Wenn der Hotelier nun einen zu niedrigen Preis ansetzt, könnte der Gast zu einer Entscheidung kommen, die völlig konträr zu den Absichten des Hoteliers steht. Der Hotelier will seine Leistung möglichst attraktiv anbieten, indem er für eine hohe Leistung einen niedrigen Preis verlangt, um sein Preis-Leistungsverhältnis zu erhöhen. Diese Strategie kann einen Schuss ins Knie bedeuten, wenn der angepriesene Nutzen aufgrund des falschen Preises vom Gast falsch eingeschätzt wird. Auch hier zeigt sich, wie wichtig der richtige Preis ist.
Ein falsch angesetzter Preis hat zwar einen vermeintlichen Vorteil einige Stammgäste nicht zu verärgern oder nicht zu verlieren. Der Nachteil hingegen ist viel gravierender. Einerseits verzichten wir auf die Preisbereitschaft von Stammgästen, die bereit sind, aufgrund eines höheren Nutzens höhere Preise zu bezahlen, und andererseits verwirren wir neue Gäste mit einem zu niedrigen Preis. Sie können aufgrund des zu niedrigen Preises den Nutzen, den sie genießen könnten, nicht richtig einschätzen. Sie werden vielleicht wegen des zu niedrigen Preises nicht buchen, da ihre Qualitätserwartung für ihren Urlaub höher ist. Insgesamt verlieren wir mit einem zu niedrig angesetzten Preis Umsatz und auch neue Gäste.
Ein weiteres Problemfeld ist die Ansprache falscher Zielgruppen mit niedrigen Preisen, den sogenannten Schnäppchenjägern. Meine Empfehlung ist, den richtigen Preis anzusetzen und auf die Stammgäste zu verzichten, die den höheren Preis nicht zahlen wollen. Damit schaffen wir Kapazitäten für neue Gäste, die besser zu unserem Angebot passen. Zugleich verbessert sich die strategische Stimmigkeit der Zielgruppe, was für das Wohlbefinden der Gäste ein nicht zu unterschätzender Faktor ist.
Die Auswirkungen von Leistungssteigerungen auf die Auslastung ist mit professioneller Marktforschung annähernd zu bestimmen. Im Rahmen von strategischen Marktforschungs-Projekten15 können wir von den Gästen eine Meinung zu bestimmten Veränderungen gewinnen, die für die Zukunft geplant werden. Interessant ist die Erkenntnis aus über 30 Marktforschungs-Projekten in der Hotellerie, dass Stammgäste in der Regel diejenigen Gäste sind, die einer Veränderung am kritischsten gegenüberstehen. Bei einem 4-Sterne-S-Hotelbetrieb stellten wir bestehenden und potenziellen Gästen die Frage, welchen Mehrpreis sie zu bezahlen bereit wären für die Nutzung eines neuen Infinity-Pools. 44 Prozent der Stammgäste16 wären nicht bereit, einen einzigen Euro als Mehrwert zu leisten, während 56 Prozent der Stammgäste mehr bezahlen würden, nämlich zwischen einem und über 20 Euro pro Nächtigung. Bei potenziellen Gästen, die noch nie im Hotel genächtigt haben, wären hingegen 79 Prozent bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. 33 Prozent würden 10 Euro und immerhin 17 Prozent würden sogar 20 Euro oder mehr bezahlen.17
Diese Erkenntnis konnten wir auch aus anderen Marktforschungs-Projekten gewinnen. Bei Investitionen, die zu höheren Preisen führen, müssen wir davon ausgehen, dass wir Stammgäste verlieren, während mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Gäste gewonnen werden. Investitionen werden im Rahmen von Strategie-Projekten analysiert, konzipiert, simuliert, bewertet und entschieden. Investitionen sollten zu höheren durchgesetzten Preisen führen. Die Simulationsrechnung basiert überwiegend auf konstanten Auslastungen. Wenn die Nutzenveränderungen und die Kommunikation sehr gut gelungen und die Gäste begeistert sind, können wir auch bei deutlich gestiegenen Preisen Auslastungssteigerungen feststellen.
Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Maßnahmen für die Stammgäste sollten detailliert hinterfragt werden. Tun Sie alles, um Ihre Stammgäste zu begeistern. Geben Sie ihnen Aufmerksamkeit, tun Sie ihnen Gutes und verwöhnen Sie sie. Aber machen Sie sich keine Illusionen bei einer größeren Veränderung Ihres Leistungsangebotes. Sie werden Gäste verlieren und andere Gäste dafür gewinnen. Lassen Sie die Gäste ziehen, die Ihren Weg nicht mehr mitgehen wollen und versuchen Sie nicht, diese Gäste durch Preiszugeständnisse zu halten.
Die beiden zentralen Elemente der Preis-Strategie sind die Preisfindung und die Preisdurchsetzung. Bei der Preisfindung geht es darum den richtigen Preis zu finden. Die Frage lautet, welcher Preis für die Hotelleistung optimal passt. Dieser Entscheidung kommt die allergrößte Bedeutung bei. Davon hängt ab, ob sich das Geschäftsmodell rentiert, ob Gäste angesprochen werden, ob die Gäste die Preise als fair, als zu niedrig oder als zu hoch erachten. Dieser wesentlichen Frage widmen wir uns im Kapitel 4 (Das Spielfeld).
Die Preisdurchsetzung befasst sich mit der Kommunikation, der Vermarktung und des Verkaufs der Leistung mit den festgelegten Preisen. Hierbei sind vor allem Marketing- und Verkaufsfähigkeiten gefragt. Binden Sie diejenigen Mitarbeiter schon bei der Preisfindung ein, die auch bei der Preisdurchsetzung Verantwortung tragen. Wir haben mit interdisziplinären Teams bei der Erarbeitung von Preis-Strategien sehr gute Erfahrungen gemacht.