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Frau Gross

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Ich liess meine beiden Söhne machen, was sie wollten. Der eine war ein Draufgänger, ging in die Pfadi, trieb sich nach der Schule im Quartier herum, ass nur Teigwaren und kein Gemüse; der andere schwieg den ganzen Tag, schloss sich in seinem Zimmer ein, nahm alte Radio­apparate auseinander und baute mit seinen Stokys riesige Lastwagen zusammen; oft wollte er nicht mal zum Essen kommen, weil er so sehr in seine Basteleien ver­sun­ken war. Nun, das ist halt so. Und heute fährt der eine ein teures Auto, der andere fährt mit dem Rad um die Welt. Weshalb sollte man, was verschieden ist, gleichmachen? Meine eigene Mutter aber sorgte mit Sprichwörtern dafür, dass ich nicht ausscherte, schön in der Mitte blieb: In jeder erdenklichen Situation kam ihr augenblicklich ein passendes in den Sinn, sie zog es aus der Schürzentasche und warf es mir an den Kopf.

Zitierte Mutter ein Sprichwort, so nahm sie eine aufgeplusterte, drohende Haltung ein. Nicht nur wechselte sie den Tonfall ihrer Stimme, sie wechselte auch die Sprache. Anstatt des nagelfluhartigen, etwas grobkörnigen, an manchen Stellen auch sandsteinweichen Luzerner-Hinterländer-Dialekts sprach sie nun ein spitzes, messerscharfes Hochdeutsch. Sagte ich am Frühstückstisch: Ich mag dieses Brot nicht, es ist trocken und hart, so sagte sie sofort: Hartes Brot ist nicht hart, aber kein Brot, das ist hart! Sagte ich, wenn sie mit mir schimpfte: Du gehst mir so was von auf die Nerven!, so sagte sie: Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst! Sagte ich: Nein, ich habe keine Lust, bei Regen an der Wallfahrt teilzunehmen!, so sagte sie: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker! Sagte ich: Den Hasenstall putze ich morgen, so sagte sie: Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute! Sagte ich: Vater hat mich geschlagen!, so sagte sie: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein! Sagte ich: Du musst gar nicht meinen, ich habe es schon gehört, wie du Vater erzählt hast, dass ich heute Nachmittag nach der Schule zu spät nach Hause gekommen bin, so sagte sie: Der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand! Sagte ich: Nein, ich habe jetzt keine Zeit, den Tisch zu decken!, so sagte sie: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen! So ging das, den ganzen Tag. Schlag auf Schlag. Warf ich ein Kie­sel­­­steinchen, um auf meine Situation aufmerksam zu machen, warf sie augenblicklich einen Pflasterstein mit eingemeisseltem Spruch zurück.

Der Staubwedel muss mit

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