Читать книгу Familien-Erinnerungen aus vergangenen Jahrhunderten - Christoph Weißer - Страница 10
ОглавлениеChristl. geführt und vollführter Lebens- und Sterbens-Lauf. 29 Anna Maria Ebert geb. Nusch (1668–1737)
Unserer nach ausgestandenen vielen Kreuz u. Leiden von ihrem Heylande in sein ewiges FreudenReich nunmehr auf und angenommene seel. Frau Mittschwester ist gebohren Ao. 1668 den 16. Jan. 1 Viertelstund auf 8 Uhr der kleineren Vormittags. Ihr längst seel. Herr Vatter ist gewesen der weyl. HochEdle und Hochgelahrte Herr Johann Gottfried Nusch, Hochmeritirter Mittler-Steurer zu Rotenburg ob der Tauber, die auch seel. Frau Mutter aber, Nahmens Anna Margareta, deß Geschlechts eine Müllerin aus Windsheim.
Von diesen Ihren seel. lieben Eltern ist sie nach der leibl. Geburth noch selbigen Tags zu den Bad der geistl. u. Wieder Geburth sogleich befördert, und bey solch heyl. Handlung von weyl. Frauen Anna Maria Rengerin, deß weyl. HochEhrwürdig und Hochgelahrten Herrn Georg Simon Rengers, treuverdient-gewesenen Vesper-Predigers zu ermelden Rotenburg, als hiezu erbettenen Tauf-Gezeugin versprochen und mit dem Nahmen Anna Maria in das Buch der Glaubigen eingezeichnet worden.
So große Sorgfalt nun Ihre erst Hochgedachte seel. liebe Eltern er unserer nun auch seel. lieben Frau Mit-Schwester bezeiget, daß sie in wahrer Gottesfurcht als dem Grund aller Tugenden Christl. auferzogen werden mögte; wie sie dann zeitl. zu Kirchen u. Schulen angehalten worden; eben so begierig war auch unsere seel. Frau Mit-Schwester, als ein Kind gutter Art, allen heylsamen Unterricht zu Ihrem geistl. Seelen-Besten zu faßen und anzunehmen, sich auch deßen auf ihre ganze Lebens-Zeit bestens zu Nuz zu machen; neben deme genoße sie auch von Ihrer ao. 1688 frühzeitig verstorbenen seel. Fr. Mutter biß in das 20. Jahr ihres Alters eine sorgfältige Anweisung zu allerhand haußl. und dem weiblichen Geschlecht wolanständigen Geschäfften, als worinnen sie deren seel. Hr. Vatter in seinem einige Zeit geführten Wittberstand ihre kindl. Treue und Uffwartsamkeit in so lange zu seiner Freude und Vergnügung sattsam erwiesen, biß dieser sich wiederum anderwärts auf göttl. Direction verehelicht und eben diese Vorsehung es nachmalen dahin gefüget, daß ao. 1691 mit guten Rath und Einwilligung Ihres Hr. Vatters, deß obhochgedachten Hr. Mittler-Steurers lobseel. Andenkens Sie sich an den WohlEdel u. Vesten Herrn Georg Friederich Ebert Hochfürstl. Brandenb. Onolzb. Wolverordneten Glaitsmann zu Aub und nachmalen zu Ober-Ickelsheim, als Wittberen ehel. verlobet, welches ehel. Verlöbnuß auch darauf in Rotenburg durch Priesterl. Einseegnung confirmiret u. bestättiget worden, mit deme sie in einer friedlichen geseegneten und vergnügten Ehe 7 Kinder, als 4 Söhn und 3 Töchter, davon 1 Sohn nach der Geburt wiederum seel. verschieden, durch göttl. Seegen erzeuget, benamtl. Herr Johann Gottfried Hochfürstl. Brandenb. Onolzbach. wolverordneter Cammer-Secretarius, ingleichen Herr Fried. Christian Hoch Freyherrl. Adelsheim. wohl bestellter Verwalter, der 3. u. iüngste Sohn Hr. Georg Fried. p. t. [pleno titulo: mit vollem Titel] deß außern Raths und bey der wohllöbl. Stadt-Deputation, die älteste Frau Tochter Jul. Marg. Agatha, verehelicht an Herrn Pfarrer Christ. Nic. Rückern hiesigen wolverordneten und treueyfrigen Pfarrern, die 2te Frau Tochter, Maria Christina, verehlicht an den in Hochgräfl. Wertheim angeseßenen Bürgern und Meister deß Rothgerber Handwerks Paul Plozen, die 3. Frau Tochter Magdal. Jacob. verehlicht an Hr. N. N. Häcker Herzogl. Braunschweig. Limburg. Stadt- u. Land-Bau Inspectorem, welche außer den 2 letztern Töchtern sämtl. dieser ihrer lieben und getreuen seel. Frau Mutter, nebst der übrigen resp. Hoch und Wohlansehnlichen Leichen-Versammlung die lezte Liebes- und Freundsschaffts-Pflicht, iene auch mit herzl. Trähnen und Wehemut, zu ihrer Grabesstätte anhero erwiesen haben. Als nun unsere wolseel. Frau GIaitsmännin durch den in ao. 1710 den 29. Aug. erfolgten seel. Hintritt in das ewige Freuden-Leben ihres herzl. geliebten Ehe-Gatten das von Ihme zu Ober-Ickelsheim nachgelaßene Hauß und Güter zu verkaufen sich wolgemeynt anrathen laßen, hat sie sich sodann nach Ihrem Rotenburg. Vatterlande im Nahmen Gottes wiederum gewendet, um ihre übrige Lebens-Zeit alda vollends zuzubringen, und, wie auch erfolget, seel. zu beschliesen, da sie in wehrender Zeit sich meistens bey Ihren Kindern und besonders der ältesten an den hiesigen S. T. [salvo titulo: unter Vorbehalt des richtigen Titels] Herrn Pfarrer Rücker verheyratheten Tochter aufgehalten, und deren Warte und Pfleg in ihrem beschwehrl. u. baufälligen Alter biß ans Ende Ihres Lebens genoßen, davor sie auch derselben allen zeitlichen u. ewigen Seegen als reichester Vergeltung ihrer kindl. Treue viel tausendmal angewünschet, und Ihren Mütterl. u. Groß-Mütterlichen Seegen ihren übrigen Kindern und von ihnen durch Göttl. Gnade nach u. nach erlebten 38 Enkelein auf der Welt zum Valet und lezten Abschied treumeynend zurückgelaßen hat. Kommen wir nun auf Ihr Christentum, Leben und Wandel, so war Sie, so viel ihr meist kränklicht u. schwächlicher LeibesZustand und Kräfften verstattet eine fleißige u. andächtige Zuhörerin göttl. Worts, und ebenso beschaffene Leserin, so lang es das erforderl. Gesicht zuließ, gewesen, hatte auch die öffentliche Gottesdienste, wo sie anders Unpäßl.keit halber gekönnet, gerne u. fleißig besuchet, und sich daraus, zumalen bey dem von Gott ihr zugeschickten Creuz u. Trübseel.keit eyfrig erbauet u. aufgerichtet; darneben war sie auch eine fleißig und sorgfältige Haußhalterin, die das Ihrige suchte zu erhalten, und ihrem seel. Ehe-Gatten alle Christl. Lieb und Treue biß an deßen Tod erzeiget; Ihren Kindern mit gutem Exempel fürgegangen, sie zu allen guten angewiesen; Gegen Ihren lieben Geschwistrichten und Befreunden war sie verträgl. und freundlich, gegen Nachbaren friedl. und schiedl. und gegen Arme gutthätig und barmherzig; Und ob sie schon nicht iedermann recht thun können, so hat sie es doch mit einem ieden aufrichtl. u. ehrlich gemeint, und sich einer herzl. Demuth gegen Gott u. Menschen in Ihren ganzen Leben beflißen. Doch können wir sie nicht gar für Engel rein achten, sintemalen sie auch Ihre menschl. Schwachheiten an Ihre gehabt u. dahero bey Gott in Ihren Herzen Gnade u. Vergebung zu gewöhnl. Zeit im Beicht-Stul gesuchet, auch darauf das heil. Hochwürdige Abendmahl, zu Ihrer Seelen-Erquickung, andächtig gebrauchet, wie sie dann solches als eine himmlische Gnaden-Speise und Weg-Zehrung in das ewige Vatterland am lezten 10. Julii auf Ihren Krankenbett herzandächtig und begierig genoßen.
Ihre Krankheit und darauf erfolgtes seel. Ende nun betreffend so hat Gott vor bereits 6 Jahren zur Herbst-Zeit mit einer so harten Unpäßlichkeit heimgesuchet, daß Sie von solcher Zeit an meistens zu Hauß bleiben u. deß Bettes hüten, mithin der öfentlichen Betstunden und Sonntags Predigten darbey entbehren müßen. Doch hat sie den Hauß-Gottesdienst eyferig und sorgfältig zu beobachten keineswegs unterlaßen und in solchem Zustande ordentl. communiciret, fleisig gebetet und Gott früh u. spath und nach iedesmal gehörten Glockenschlag theils vor abermals zurück gelegten gnädige Heimsuchung auch Creuzes-Stunden gedanket, theils auch um weitere Hülfe und Beystand in Ihrem beschwehrlichen Crenzes-Zustand angerufen, u. auch in solchen gedultig sich erwiesen, in der Hofnung, Er werde nach seiner Verheißung Ihr über Vermögen nicht aufladen, sondern alles Elend erträgl. machen, besonders aber ihr liebster Heyland u. Chreuz-Träger Jesus Christus ihr Creuz u. Elend versüßen und tragen helfen, und in solchen herzl. Vertrauen verharrete Sie ohnabläßig, seüffzete und betete, und ruffte Gott an um das Erlösungs-Stündlein, doch nach seinen heil. Wolgefallen. Wenn sie im Anfang noch die wenige Kräfften hatte die Stiege mit harter Mühe auf oder abzusteigen mit bitteren Thränen: Ich habe hie wenig guter Tag etc.:/ Am vergangenen Mittwoch vor 8 Tagen, als d. 14. Aug. überfiel sie eine große Schwachheit, welche Ihr einige Speiße, wie vorhero zu genießen, nicht verstattete, und mußte man nur mit labenden Dingen der schwachen Patientin in etwas zu Hülfe kommen; dabey sie dann den Beicht-Vätterl. Zuspruch und viele schöne Lieder und Trost-Sprüche vor Ihre beste Labsal gehalten und vielfältig zu Ihrem Erlöser gerufen: Ach Gott machs nur ein End mit mir etc. Ach wenn werde ich dahin konmen, Gottes Angesicht zu schauen etc. Ach wie sehnl. wart ich der Zeit etc. Ach Herr laß deine liebe Engelein etc. In solchen guten Gedanken u. mit gefaltenen Händen auß ihrem Herzen zu ihrem Helfer und Erretter abgeschikten beweglichen Stoß-Gebetlein verharrete sie stets gedultig, und ihre dabey empfundene Leibes-Schmerzen wurden ihr von ihrem gnädigen Gott durch iezuweilen und auf die lezte Tage meistens geschikten Schlummer wiederum gelindert; Sie behielt aber dabey Gehör u. Verstand biß auf den lezten Abdruck ihres Lebens und da sie nichts mehr reden kunte, gab Sie doch ein Zeichen, daß Sie allen Zuspruch u. Gebeth wol verstehe, biß endlich Mittwochs Mittag das Athem holen schwehr zu werden angefangen, da dann in solchem Zustand mit dem eyferigen Gebet, so sie stets wol verstanden, so lange fortgefahren worden, biß den gefolgten Donnerstag d. 22. Aug. gegen 9 Uhr Vormittag sie unter solchem, und denen vergoßenen Thränen der Umstehenden ohne einige Bewegung oder Ungebehrde in Ihrem Heyland u. Erlöser J. C. sanfft und seel. eingeschlafen, nachdeme sie gelebet im ledigen Stande 23 Jahr, im Ehestand 19 Jahr, im Wittib-Stand 27 Jahr, mithin in allen ihr Müheseeliges Alter gebracht auf 69 Jahr 7 Monath u. 6 Tag.
Ist sel. gestorben [Donnerstag] d. 22. Aug. Vormittag gegen 9 Uhr u. begraben zu Bettwar [Sonntag] d. 25. Dito 1737.30
Christl. geführter Lebens- und SterbensLauf weyl. Frau Anna Maria Ebertin verwittibter Glaitsmännin zu Ober-Ickelsheim, nata [geb.] d. 16. Jan. 1668, denata [gest.] zu Betwar d. 22. Aug. 1737, sepulta [begr.] d. 25. eiusd. d. a.
29 Offensichtlich handelt es sich um das Manuskript der Leichenpredigt, das F. E. ohne Beschreibung des Originals transkribiert und in seine Sammlung von Familientexten aufgenommen hat.
30 Letzter Absatz von anderer Hand geschrieben (F. E.).