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ZWEI KÄTZCHEN
ОглавлениеKurz bevor ich zum ersten Mal straffällig wurde, brachte mein Pflegevater zwei Kätzchen mit nach Hause. Er kam in die Küche, wo wir gerade zu Abend aßen, und stellte einen zugebundenen Leinensack auf den Tisch: Darin bewegte sich etwas Lebendiges.
„Was soll das?“, fragte meine Pflegemutter in dem Tonfall, den sie immer anschlug, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. „Nimm das dreckige Zeug vom Tisch! Wir essen zu Abend.“
„Kätzchen“, erklärte mein Pflegevater, ohne sie anzusehen. „Ich hab’ den Jungs zwei kleine Kätzchen mitgebracht.“
„Die brauchen keine Kätzchen! Bring sie dahin, wo du sie herhast!“
Und so blieb der Sack ungeöffnet. Und so sahen wir nie die beiden kleinen Kätzchen. Wenige Minuten später kehrte mein Pflegevater zurück und hängte, ehe er sich zu uns an den Tisch setzte und sich ein Glas Wein einschenkte, den leeren Sack über die Lehne des freien Stuhls, auf dem bis vor wenigen Wochen Lina gesessen hatte. Wir aßen schweigend weiter. Mein Pflegevater hatte frische Kratzer auf beiden Handrücken. In der Nacht, als ich im Bett lag und meine Stiefbrüder schon schliefen, erfüllte mich plötzlich ein Gefühl, das ich anfangs nicht einordnen konnte. Aber kurz bevor ich einschlief, begriff ich, wie sehr es mich mit einer tiefen, düsteren Zufriedenheit erfüllte, dass die Kätzchen sich gewehrt hatten.