Читать книгу Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek - Christopher Ross - Страница 10
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Während der folgenden Tage arbeitete Julie vor allem mit den Huskys. Nach der Fütterung eines »Hundesüppchens« am frühen Morgen, für das wenig Trockenfutter mit viel Wasser vermischt wurde, unternahmen Carol und sie mehrere Patrouillenfahrten in die Wildnis. Erst nach den Ausflügen bekamen die Huskys ihre tägliche Futterration, die ebenfalls mit Wasser vermischt wurde, damit die Hunde die nötige Flüssigkeit aufnahmen. Bei den hohen Anforderungen, die an die Huskys gestellt wurden, mussten die Ranger sehr genau auf die richtige Ernährung und Pflege achten. Ihre Touren führten sie quer durch den Nationalpark, über die geräumte Park Road und durch den Tiefschnee abseits der Straße, um den Hunden die nötige Bewegung zu verschaffen und Julie darauf vorzubereiten, was bei einem Einsatz von ihr verlangt werden könnte. »Letzten Winter haben wir drei Tage nach einem verschwundenen Wanderer gesucht«, berichtete Carol. »Das Wetter war so schlecht, dass der Hubschrauber nicht starten konnte, und ich musste mich mehrere Stunden durch den Tiefschnee kämpfen, bis ich ihn endlich gefunden hatte. Er hatte sich das Bein gebrochen und konnte von Glück sagen, dass er überlebt hat.«
Am zweiten Tag wechselten sie die Gespanne, und Julie machte sich mit Skipper und den anderen Hunden des Parks vertraut. Schon beim Verteilen des Hundesüppchens redete Julie lange mit Skipper, gewöhnte den eher zurückhaltenden Leithund an ihre Stimme und ihren Geruch und kraulte ihn freundschaftlich zwischen den Ohren, wie sie es mit Chuck immer tat. »Wir haben jetzt öfter miteinander zu tun«, sagte sie. »Ich weiß, du hast dich an Carol gewöhnt. Ihr beide versteht euch und seid ein eingespieltes Team … und außerdem ist sie eine erstklassige Musherin. Aber wir beide kommen sicher auch miteinander aus. Enttäusch mich nicht, Skipper, hörst du?« Sie kraulte ihn noch mal, griff ihm unters Kinn und blickte ihm in die Augen. »Und pass mir auf Rowdy auf. Den dürfen wir nicht an der langen Leine laufen lassen.«
Schon nach wenigen Meilen erkannte Julie, dass sie auch mit dem anderen Gespann zurechtkommen würde. Skipper reagierte ähnlich schnell wie Chuck, schien die meisten ihrer Befehle sogar im Voraus zu erahnen und ließ sich auch durch Rowdy nicht aus der Ruhe bringen. Sobald der junge Husky aus dem Gespann ausscheren wollte oder sich ablenken ließ, brachte er ihn mit einem heftigen Knurren oder allein durch seine Körpersprache zur Vernunft. »Skipper ist in Ordnung!«, rief sie Carol zu. »Kein Wunder, dass du beim Iditarod so gut abgeschnitten hast. Oder war er damals gar nicht dabei?«
Carol fuhr direkt hinter ihr. »Beim Iditarod war Timber mein Leithund. Stark wie ein Wolf, wendig wie ein Luchs. So stand es damals in der Zeitung. Wenn einer meiner anderen Hunde nicht krank geworden wäre, hätte ich das Rennen vielleicht sogar gewonnen. Aber Platz 5 war auch nicht übel.«
Auch den schmalen Weg, den sie mit den Wanderern gehen würden, ein ehemaliger Jagdtrail der Indianer, fuhren Julie und Carol mit den Schlitten ab. Ein paar Meilen östlich vom Wonder Lake würden sie die Park Road verlassen und bis in die Senke unterhalb des Muldrow Glaciers durch den Schnee stapfen, um im Schatten der riesigen Bergmassive ihr Lager aufzuschlagen. Ein eindrucksvolles Erlebnis, auf das sich Julie riesig freute, auch wenn sie der Gedanke, dass Josh an der Wanderung teilnehmen würde, etwas aus der Ruhe brachte. Jeden Abend vor dem Einschlafen dachte sie an ihn, manchmal wurde sie dabei so wütend, dass sie ihr Kissen nahm und gegen den Wandschrank warf, um schon im nächsten Augenblick von seinen dunklen Augen zu träumen und im Schlaf zu lächeln.
In der Nacht vor der Wanderung schlief Julie sehr unruhig. Die Gewissheit, sich zum ersten Mal auf einer geführten Tour beweisen zu müssen, ließ sie immer wieder aus dem Schlaf schrecken und nervös in die Dunkelheit blicken. Ihr Rucksack stand gepackt vor dem Einbauschrank, aber hatte sie auch wirklich an alles gedacht? Obwohl sie eine Liste von Carol bekommen hatte, war sie unsicher und checkte ihr Gepäck mehrmals, denn wenn sie erst einmal unterwegs waren, gab es keine Möglichkeit mehr, etwas zu besorgen. Einen Teil ihrer Ausrüstung hatte sie erst vor einer Woche besorgt, das kleine Zelt und den Schlafsack, beides ein Geschenk ihres Vaters, die wasserdichten Stiefel, den Wasserfilter. Ihre Digitalkamera, so klein, dass sie in die Brusttasche ihres Anoraks passte, hatte sie sich vom großzügigen Abschiedsgeschenk der Queen gekauft.
Sie trank einen Schluck von dem lauwarmen Tee, den sie neben ihrem Bett stehen hatte, und blickte aus dem Fenster. Über den Fichten flackerte grünes Nordlicht, ein Anblick, der sie immer wieder faszinierte, obwohl sie schon so lange in Alaska lebte. Zwischen den Wolken waren der zunehmende Mond und einige Sterne zu sehen. Irgendwo in weiter Ferne heulte ein Wolf, wahrscheinlich am Rock Creek, wo Carol vor einigen Wochen ein Rudel gesichtet hatte. Als unheimliches Echo verhallte es in den Ausläufern der fernen Berge.
Was einer jungen Frau aus New York oder San Francisco vielleicht Angst bereitet hätte, beruhigte sie und stärkte ihren Mut für das Abenteuer der kommenden Tage. Josh gegenüber würde sie sich ganz normal verhalten. Ein junger Mann, dem sie aus der Patsche geholfen hatte, mehr war er doch nicht. Zumindest machte sie sich das vor. Carol würde darauf achten, wie professionell sie sich auf dieser ersten Tour verhielt und ihr Urteil sicher in einem Bericht vermerken. Nur wenn sie ihre Arbeit vorbildlich erledigte, hatte sie eine Chance, nach dem Praktikum von den Rangern im Denali National Park übernommen zu werden. Ein beliebter Posten, um den sich so viele Leute bewarben, dass man schon gut sein musste, wenn man den ersehnten Vertrag bekommen wollte.
Am nächsten Morgen stand sie früh genug auf, um sich gründlich zu waschen und noch einmal ihr Gepäck zu überprüfen, dann trug sie ihren Backpack zu dem Kleinbus, den sie bereits am Vorabend vor ihrem Blockhaus geparkt hatte. Wie Carol hatte auch sie ihre Wollmütze gegen eine gefütterte Kappe mit Ohrenschützern eingetauscht, die besser gegen die Kälte schützte, und in einer Tasche befand sich eine Stirnlampe, deren Licht ihnen den Weg weisen würde, wenn der Himmel sich verdunkelte und sie in komplette Finsternis gerieten. Zusätzlich befanden sich eine Taschenlampe und die Notausrüstung mit einigen Medikamenten, Streichhölzern, Schokolade, einem Messer, Seil und anderen praktischen Dingen in ihrem Anorak. »Wie ein Marine«, scherzte sie, als sie zu Carol in den Kleinbus kletterte, »nur dass wir nicht in den Krieg ziehen.«
»Das fehlte noch«, erwiderte Carol.
Obwohl noch eine halbe Stunde Zeit war, warteten schon drei Teilnehmer vor dem Murie Center, einem großen Blockhaus, das im Winter als Besucherzentrum diente: Mike und Ruth Linaker, die mit ihrem Geländewagen vom Savage Creek gekommen waren, und Josh Alexander, der seine Schneeschuhe angeschnallt hatte und durch den Tiefschnee neben dem Haus stapfte.
»Guten Morgen«, begrüßte Carol die Wartenden. »Willkommen im Denali National Park. Ich bin Carol Schneider und werde Sie auf unserer Wanderung führen. Julie Wilson wird mich dabei unterstützen.« Julie hob lächelnd eine Hand. »Aber mit meinem Vortrag warte ich besser, bis die anderen hier sind.«
Julie wollte Josh aus dem Weg gehen und mit den Linakers reden, doch Carol kam ihr zuvor und gesellte sich zu dem Paar. So blieb ihr nichts anderes übrig, als auf Joshs freches Grinsen einzugehen. »Was gibt’s denn da zu lachen?«, fragte sie.
»Ich musste dich einfach wiedersehen«, erwiderte er und blickte sie aus seinen dunklen Augen an. Sie waren tatsächlich braun. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich im Nationalpark besuchen würde.« Aus seinem Grinsen wurde ein eher schüchternes Lächeln. »Du bist mir doch nicht böse, Julie?«
»Warum sollte ich? Aber denk bitte daran, dass wir hier nicht zu einem Date verabredet sind, und ich weder Zeit noch Lust habe, mit dir zu flirten. Ich behandele dich wie jeden anderen Besucher auch.« Sie klang kühler als beabsichtigt. »Wenn ich es nicht täte, würde ich meinen Job riskieren. Ich bin auf dieser Wanderung nicht zum Vergnügen unterwegs. Ich bin Rangerin und trage Verantwortung.« Sie bemerkte seine Enttäuschung. »Ist nicht persönlich gemeint, Josh. Aber ich hab keine Lust, hier Mist zu bauen.«
»Ich will dich doch nur kennenlernen«, sagte er. »Und keiner kann mir verbieten, dass ich dich ansehe oder ein paar freundliche Worte zu dir sage. Vielleicht kann ich dich ja nach der Wanderung zu einem Date überreden.«
»So wie die junge Frau an der Tankstelle?«
Josh wusste nicht, was sie meinte, und musste erst mal in seinem Gedächtnis kramen, dann fiel es ihm ein. Er lachte. »Aber das war doch kein Date!«
»Es sah aber ganz danach aus, Josh.« Ein Auto fuhr auf den Parkplatz, und zwei Männer stiegen aus. »Entschuldigung, da sind noch andere Wanderer …«
»Julie … es war nicht so, wie du denkst …«
»Den Satz kenne ich, Josh.«
Julie ließ ihn stehen und ging auf die Neuankömmlinge zu, die gerade dabei waren, ihre Backpacks von der Rückbank zu nehmen. Zwei Brüder, wie sie inzwischen wusste, beide blond und sehr sportlich und mit jener Arroganz ausgestattet, die manche Männer gegenüber Frauen in Uniform empfinden.
»Gary und Chris Clarke, nehme ich an«, begrüßte sie die Männer freundlich. »Ich bin Ranger Julie Wilson. Willkommen im Denali National Park.«
»Na, wenn das keine Begrüßung ist«, erwiderte der etwas ältere der beiden. Er trug einen roten Skianzug und eine Wollmütze mit dem Logo eines bekannten Wintersportzentrums. »Und ich dachte, wir bekommen es mit einem grauhaarigen Ranger mit Schnauzbart zu tun.« Er schüttelte Julie die Hand und grinste dabei. »Ich bin Gary. Seit wann zieht man denn unschuldigen Mädchen wie Ihnen eine Uniform an und schickt sie in die Wildnis? In den Rangergeschichten, die ich kenne, hüten die Ladys das Blockhaus.«
»Das müssen ziemlich alte Geschichten sein«, konterte Julie. »Ich wette, die Bücher haben Sie bei Ihren Großeltern auf dem Speicher gefunden.« Als sie den verdutzten Gesichtsausdruck der beiden sah, unterdrückte sie nur mühsam ein Lachen. »Auch meine Chefin ist übrigens eine Frau. Ranger Carol Schneider. Sie war mal Fünfte beim Iditarod. Bei ihr wäre ich mit solchen Scherzen also eher vorsichtig.«
Gary lachte. »Gut, dass Sie uns warnen. Wir würden es niemals wagen, uns mit einer solchen Heldin anzulegen. Fünfte beim Iditarod? Gar nicht übel … für eine Frau, meine ich.« Er ging grinsend an Julie vorbei, gefolgt von seinem Bruder, der bisher noch gar nichts gesagt hatte. »Unterwegs werden wir ja sehen, was sie draufhat … oder ob ich ihren Backpack tragen muss.«
Julie wartete, bis die Brüder ihr den Rücken zuwandten, und schüttelte den Kopf. Hab ich’s denn heute nur mit Blindgängern zu tun, dachte sie. Dabei hatte sie Gary und Chris Clarke durchaus positiv eingeschätzt. Von dem Ranger, der ihre Anmeldung entgegengenommen hatte, wusste sie, dass sie erfahrene Snowboarder waren und beinahe an den Olympischen Spielen teilgenommen hätten, zwei fröhliche »All-American Boys«, wie der Ranger sie genannt hatte. Schon am Telefon hätten sie gute Laune versprüht und seien sicher eine Bereicherung für die Wandergruppe. So konnte man sich täuschen.
Aus der Ferne beobachtete sie, wie Carol die beiden begrüßte und dabei einen sehr souveränen Eindruck machte. Wer so viel Erfahrung mit Wandergruppen hatte wie sie, erkannte seine Pappenheimer wohl auf Anhieb und verhielt sich entsprechend. Allein ihre Körpersprache drückte aus, wie wenig sie sich von solchen Machos beeindrucken ließ. »Alles nur heißer Wind«, würde sie später zu Julie sagen. »Frustrierte Jungs, die auf sich aufmerksam machen wollen. So was gab es früher auch bei den Rangern, ist aber lange her. Inzwischen haben die meisten Jungs erkannt, dass wir mehr können als Windeln wechseln.«
Hinter Julie fuhr eine weitere Teilnehmerin auf den Parkplatz und stieg aus ihrem Wagen, eine zierliche Person, die beinahe in die Knie ging, als sie ihren Backpack auf den Rücken schnallte. Auf Julie machte sie eher den Eindruck einer frustrierten Städterin, die in der Natur ihre Probleme vergessen wollte. Dazu passten auch ihre verweinten Augen und das blasse Gesicht. Ihr Lächeln wirkte gekünstelt. »Kati Wilcott«, stellte sie sich vor. Ihre Stimme klang viel zu leise und etwas heiser. »Ich hoffe, ich komme nicht zu spät.«
»Pünktlich auf die Minute«, widersprach ihr Julie. »Ranger Julie Wilson. Meine Kollegin Carol Schneider und ich werden Sie auf der Wanderung begleiten.« Sie blickte die Frau prüfend an. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Kati?«
»Alles okay. Ich kann es gar nicht erwarten.«
Julie blickte der Frau verwirrt nach, als sie zu den anderen ging, und fragte sich, was eine Frau wie sie dazu trieb, an einer Schneeschuhwanderung durch die Wildnis teilzunehmen. War sie stärker und zäher, als es den Anschein hatte? Eine Einzelgängerin, die sich etwas beweisen wollte? Die meisten Urlauber in Alaska waren zu zweit oder in Gruppen unterwegs. War sie allein aus Oregon gekommen, um in Alaska zu sich selbst zu finden? Eine Esoterikerin?
Sie musste über ihre eigenen Gedanken lachen und kehrte zu den anderen zurück, vermied es dabei aber, Josh anzublicken, der sie unverwandt anstarrte und ihr wohl irgendetwas sagen wollte. Zum Glück winkte Carol sie zu sich heran.
»Sieh mal nach, wo dieser Jacobsen bleibt«, flüsterte die Rangerin ihr zu. »Es ist schon nach sieben, und zu lange können wir nicht warten. Vielleicht wartet er beim anderen Besucherzentrum am Eingang des Parks. Nimm den Kleinbus. Ich halte inzwischen meine kleine Rede. Aber beeil dich, Julie!«
Julie versprach es und fuhr mit dem Kleinbus auf die Park Road nach Osten. Sie brauchte nicht lange nach Scott Jacobsen zu suchen. Er stand neben seinem Wagen am Straßenrand und starrte unverwandt nach Westen, in die Dunkelheit und den morgendlichen Dunst, der in feuchten Schwaden über dem verschneiten Land lag. Sie hielt an und ging zu ihm.
»Mister Jacobsen? Ranger Wilson. Wir haben uns in der Lodge kennengelernt. Haben Sie eine Panne? Irgendwas mit dem Wagen nicht in Ordnung?«
Jacobsen schien sie nicht zu hören. »Dahinten muss er liegen, der Mount McKinley. Oder wie nennen sie ihn jetzt? Mount Denali, nicht wahr?« Sein nasaler Dialekt war nur schwer zu verstehen, außerdem sprach er sehr leise.
»Mister Jacobsen. Wir warten auf Sie.«
Er rührte sich nicht von der Stelle, starrte weiter nach Osten, obwohl es dort kaum etwas zu sehen gab. Das Nordlicht war erloschen, der Mond und die Sterne waren hinter einigen Wolken verschwunden. Nur die schneebedeckte Park Road und die schwarze Wand des Waldes waren zu erkennen.
»Mister Jacobsen!«
»Ein unheimlicher Berg, dieser Mount McKinley! Meinen Sie, wir bekommen ihn zu sehen? Ich habe gehört, dass der Gipfel meistens in den Wolken liegt. Wie schaffen es die Bergsteiger nur auf den Gipfel, wenn sie dort oben kaum etwas sehen können? Und warum steigen sie überhaupt hinauf?«
»Das weiß ich nicht, Mister Jacobsen. Weil sie beim Aufstieg eine besondere Erfahrung machen, hat mir ein Bergsteiger mal erzählt. Und weil der Denali ein so gefährlicher und anspruchsvoller Berg ist, dass man sich dort am besten beweisen kann.« Das stand in den Broschüren, die im Besucherzentrum an Bergsteiger ausgegeben wurden. »Weil der Berg da ist, hat mal jemand in einem Fernsehfilm behauptet. Die Menschen wollten schon immer hoch hinaus, und am Mount Denali gibt es immer noch Rekorde zu brechen.«
»Wer am schnellsten über die Wickersham Wall den Gipfel erreicht?«
Seltsam, dachte sie, die gefährliche Nordwand hatte er schon in der Happy Loon Lodge erwähnt. »Zum Beispiel. Einer der gefährlichsten Aufstiege, die man sich vorstellen kann, wurde mir erzählt. Früher sind dort etliche Männer verunglückt. Inzwischen lassen wir nur erfahrene Bergsteiger in die Wand, die schon andere schwierige Touren hinter sich haben.« Sie blickte selbst nach Osten. »Seltsam, dass sich ausgerechnet jemand aus Chicago für unseren Berg interessiert. Und ich dachte, Sie halten es eher mit Wolkenkratzern.«
Zum ersten Mal, seitdem sie ausgestiegen war, wandte er den Kopf und blickte sie an. Seine Lider flackerten. »Wie, sagten Sie, war noch Ihr Name?«
»Ranger Wilson, Mister Jacobsen. Kommen Sie, die anderen warten bereits. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Mit dem Wagen ist alles okay?«
»Natürlich. Wie kommen Sie darauf?«
»Dann folgen Sie mir bitte.«
Julie stieg in den Kleinbus und wendete vor dem Wagen von Jacobsen. Im Rückspiegel beobachtete sie, wie er ebenfalls einstieg und den Motor aufheulen ließ. Ein seltsamer Typ, dieser Scott Jacobsen. Er schien besessen vom Mount McKinley zu sein, als hätte er eine ganz besondere Bedeutung in seinem Leben. Ein Mann aus Chicago, wo es meilenweit keine Berge gab.
Sie fuhr los und atmete erleichtert auf, als sie bemerkte, dass er ihr in geringem Abstand folgte. »Das kann ja heiter werden«, sagte sie vor sich hin.