Читать книгу Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek - Christopher Ross - Страница 8

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Julie schaltete das Radio aus und betrachtete sich prüfend im Innenspiegel, bevor sie ausstieg und geduckt über den verschneiten Parkplatz lief. Das Büro des Superintendent befand sich im Verwaltungsgebäude, einem verwinkelten Blockhaus mit einem spitzen Giebeldach über dem Eingang. Im Flur war es angenehm warm. Sie wischte sich den Schnee vom Gesicht und klopfte.

»Herein!« Die Stimme des Superintendent klang so energisch wie beim letzten Mal, als sie sich vorgestellt und um das Praktikum beworben hatte.

Julie betrat das Büro und begrüßte ihren neuen Vorgesetzten, der aufgestanden war und auf den Besucherstuhl deutete. John W. Green war ein imposanter Mann, groß gewachsen, die grauen Haare sauber gescheitelt, buschige Brauen über stahlblauen Augen. Seine maßgeschneiderte Uniform saß ihm wie angegossen. »Auf die Minute«, lobte er sie nach einem Blick auf seine Uhr, »bei den Rangern legen wir großen Wert auf Pünktlichkeit. Andere Leute mögen darüber lachen, aber uns erleichtert sie die Arbeit kolossal.« Er setzte sich und öffnete ihre Personalakte im Computer. »Julie M. Wilson, 21 Jahre, wohnhaft in Fairbanks, Highschool, College, Bachelor’s Degree in Naturwissenschaften, Erste-Hilfe-Kurs, weitere Kurse in Sports Management …« Er blickte vom Computer auf. »Sie bringen alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ranger-Laufbahn mit, Miss Wilson. Aber noch wertvoller ist die Erfahrung, die Sie sich nur während eines Praktikums aneignen können. So habe ich auch mal begonnen.« Er lächelte. »Ist schon eine ganze Weile her. Damals war dieser Park wesentlich kleiner und hieß noch Mount McKinley National Park.«

»Bis er am 2. Dezember 1980 um beinahe die Hälfte vergrößert wurde«, ergänzte Julie lächelnd. »Ich habe die Bücher, die Sie mir empfohlen haben, eingehend studiert. Nicht nur wegen der schriftlichen Prüfung, die ich irgendwann ablegen muss, sondern vor allem wegen der Besucher, die hier vorbeikommen. Den Rangern fragen die Leute doch ein Loch in den Bauch.«

»Und es ist besser, man weiß auf jede dieser Fragen eine Antwort, das ist richtig.« Auch der Superintendent lächelte jetzt. »Ich sehe, wir verstehen uns. Sie passen gut zu uns, Miss Wilson … oder darf ich Julie sagen?« Sie nickte, und er fuhr fort: »Wir sind eine große Familie. Das mag ein bisschen abgeschmackt und wie eine Floskel klingen, aber so ist es tatsächlich. Einen ›eingeschworenen Haufen‹ nenne ich uns Ranger gern, denn nur, wenn sich einer auf den anderen verlassen kann, können wir auf einsamen Patrouillen oder Einsätzen im Hinterland bestehen. Denken Sie immer daran, Julie: Es gibt kaum einen Beruf, der in der Öffentlichkeit so angesehen ist wie der des Park Rangers, und es liegt an uns allen, diesem Image auch gerecht zu werden. Dass ein solcher Zusammenhalt feste Regeln erfordert, versteht sich von selbst. Ranger Schneider wird Sie über alles informieren und Ihnen auch Ihr Zimmer und die anderen Örtlichkeiten zeigen. Ich habe Sie für die Hundezwinger einteilen lassen, was nicht heißt, dass ich Sie nicht auch anderweitig einsetzen werde. Im Winter sind wir auf allen Positionen etwas schwächer besetzt, und Sie bekommen einiges zu tun. Gleich am Wochenende werden Sie Ranger Schneider begleiten und mit ihr eine Wandergruppe zum Denali führen. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne.«

»Natürlich, Sir«, sagte sie eifrig. »Und ich freue mich vor allem auf die Arbeit mit den Hunden. Ich bin eine begeisterte Musherin …«

Draußen waren Schritte laut geworden, es klopfte, und eine Rangerin betrat den Raum. »Tut mir leid, Sir. Es gab wieder mal Ärger mit Rowdy. Wenn er so weitermacht, werde ich ihn wohl aus dem Gespann werfen müssen.«

»Vielleicht wird unsere neue Praktikantin mit ihm fertig«, erwiderte der Superintendent. »Julie Wilson, sie ist eine begeisterte Musherin und wird sich hauptsächlich um die Hunde kümmern, unter Ihrer Anleitung natürlich. Julie, das ist Ranger Carol Schneider, sie arbeitet schon ein paar Jahre im Park.«

Julie war aufgestanden und reichte der Frau die Hand. Sie war Ende zwanzig, wirkte sehr sportlich und durchtrainiert und hatte ihre dunklen Haare zu einem Knoten gebunden. »Carol Schneider …«, überlegte Julie, »haben Sie nicht mal beim Iditarod mitgemacht? Sie waren Vierte, nicht wahr?«

»Fünfte«, verbesserte sie die Rangerin, »aber das ist eine Weile her.«

Der Superintendent erhob sich und begleitete die beiden Frauen zur Tür. »Ich wünsche Ihnen einen guten Start, Julie. Ranger Schneider wird Ihnen Ihre Unterkunft und die anderen Örtlichkeiten zeigen. Aber ich denke, Sie werden sich zuerst um Ihre Hunde kümmern wollen, nicht wahr?« Er lächelte verhalten. »Ich wollte auch mal am Iditarod teilnehmen. Leider hat es dazu nie gereicht. Aber ich weiß, wie anspruchsvoll manche Schlittenhunde sind.«

Zusammen mit der Rangerin fuhr Julie zu den Hundezwingern unterhalb der Park Headquarters. »Carol«, sagte die Rangerin unterwegs, »wir nennen uns hier alle beim Vornamen, nur beim Super machen wir eine Ausnahme.«

Die Hunde waren schon von Weitem zu hören. Als Julie die Abzweigung zu den Zwingern nahm, setzte ein vielstimmiges Jaulkonzert ein, das Julies Huskys lautstark erwiderten und wohl deutlich machen wollten, dass sie keinesfalls die Absicht hatten, im Nationalpark die zweite Geige zu spielen.

»Die merken, dass sie Konkurrenz bekommen«, sagte Carol.

Die Hundezwinger lagen in einer Mulde abseits der Park Headquarters. Es waren zwanzig feste Hütten, umgeben von einem hellen Holzzaun, einem Vorratsspeicher, wie überall in der Wildnis auf Stelzen gebaut, damit sich die wilden Tiere nicht daran vergriffen, und einem Schuppen, in dem Schlitten, Geschirre und andere Gerätschaften aufbewahrt wurden. Für Julies Huskys standen sechs leere Hütten bereit, weit genug von den anderen Hunden entfernt und schon mit den festgeschraubten Eimern, in denen das Futter gereicht wurde.

Wie jedes Mal kümmerte sich Julie zuerst um ihren Leithund. Nur wenn sie seine Führungsrolle innerhalb des Gespanns anerkannte, respektierten ihn die anderen Hunde. »Hey, Chuck!«, begrüßte sie ihn. Der Husky sprang aus seinem Verschlag und drängte sich gegen ihre Beine, ließ sich von ihr streicheln und liebkosen und brummte zufrieden, als sie seinen Kopf in beide Hände nahm und ihm einen Kuss auf den weißen Fleck drückte, der auf der Stirn sein schwarzes Fell unterbrach. »Das ist Chuck«, stellte sie ihn der Rangerin vor, »er hat in meinem Gespann das Sagen, und wenn ich nicht aufpasse, kommandiert er auch mich herum.« Sie gab ihm einen freundschaftlichen Klaps. »Ist er nicht ein Prachtkerl? Der beste Leithund südlich des Nordpols.«

Die Rangerin lachte. »Unser Skipper ist aber auch nicht ohne. Er hat sogar schon mal einen Orden bekommen, vor zwei Jahren, als er uns half, einen Vermissten in den Bergen aufzuspüren. Nur Rowdy macht uns ein wenig Kummer. Der Rabauke wird einfach nicht erwachsen. Sobald ihm etwas nicht in den Kram passt, fängt er zu bellen an und schnappt nach jedem, der ihm zu nahe kommt. Es wird allerhöchste Zeit, dass wir ihm Manieren beibringen.«

»Das kenne ich«, erwiderte Julie, während sie die anderen Hunde aus ihren Verschlägen holte und zu ihren Hütten brachte. »Curly, mein Jüngster, der mit den weißen Ohren, steht auch nicht auf Teamarbeit. Am liebsten würde er den ganzen Tag allein im Schnee herumtollen. Zum Glück hat Chuck ihn fest im Griff. Er knurrt ihn sofort an, wenn er sich nicht benimmt. Wie ein Wolf.«

Nachdem Julie ihre Hunde untergebracht und den Pick-up auf dem nahen Parkplatz abgestellt hatte, machte Carol sie mit den Hunden des Nationalparks vertraut. Je nach Temperament beschnüffelten die Hunde sie neugierig, bellten herausfordernd oder straften sie mit Nichtachtung, wie eine schlanke Husky-Dame mit schwarz-weiß geflecktem Fell. Sie wandte ihr das Hinterteil zu und schien bewusst in eine andere Richtung zu blicken, als wollte sie sagen: Was fällt dieser Zweibeinerin ein, hier unangemeldet hereinzuplatzen?

Carol hatte diese Reaktion bereits erwartet. »Darf ich vorstellen? Lady, die vornehmste Dame des Nationalparks, die weiblichen Ranger eingerechnet. Eigentlich hätten wir sie ›Prinzessin‹ taufen sollen, so wie sie sich benimmt.«

»Hi, Prinzessin«, grüßte Julie die Hündin.

Keine Reaktion.

»Ich meine natürlich, es ist mir eine außerordentliche Freude, die Bekanntschaft einer so hübschen und vornehmen Hundedame zu machen«, verbesserte sie sich. »Mit diesem Aussehen und dieser eleganten Haltung würden Sie auf jeder Hundeshow den ersten Preis gewinnen! Hab ich nicht recht, Carol?«

Carol grinste. »Ganz sicher, Julie.«

Die freundlichen Worte überzeugten die Hundedame. Zumindest für ein paar Sekunden wandte sie Julie ihr Gesicht zu und schenkte ihr einen Blick in ihre blauen Augen. Sie war tatsächlich eine ausgesprochen elegante Hündin.

Ganz im Gegensatz zu Buddy, einem kräftigen Rüden, der ihr seine blitzenden Reißzähne zeigte und sich erst beruhigte, als er Julies sanfte Stimme hörte. »So böse meinst du es doch gar nicht, Buddy. Ein kräftiger Bursche wie du hat diese Drohgebärden doch gar nicht nötig. Ich wette, du bist der kräftigste Hund hier. Ich hab auch so einen Burschen im Team. Er heißt Bronco und ist mindestens genauso stark wie du. Ich hoffe, ihr vertragt euch.«

Ihren Problemhund Rowdy brauchte Carol gar nicht vorzustellen. Bei Julies Anblick zerrte er an seiner Kette und bellte aus Leibeskräften, wie ein Wachhund, dem man zu nahe gekommen war, und wirbelte den Schnee auf, der sich vor seiner Hütte angesammelt hatte. Wie ein Irrwisch sprang er herum.

Julie blieb in respektvoller Entfernung stehen. »Du musst Rowdy sein«, sagte sie lächelnd. »Warum bist du denn so wütend? Du musst doch nicht so einen Lärm machen. Oder kannst du mich nicht leiden? Das glaube ich nicht, Rowdy. Ich kann dich nämlich ganz gut leiden. Du bist ein stattlicher Kerl und hast sicher einiges drauf. Also mach nicht solch einen Lärm, sonst erinnerst du mich noch an meine Highschool-Zeit. Da gab es einen Jungen, der war genauso wie du, immer die große Klappe. Leider hatte er sonst wenig zu bieten. Das ist bei dir anders, da bin ich ganz sicher. Du bist ein guter Hund.«

Rowdy schien sie zu verstehen und hielt tatsächlich einen Augenblick inne, dann aber bellte er noch lauter als zuvor und steckte auch einige der anderen Hunde an. Sogar ihr Bronco fühlte sich herausgefordert und bellte wild.

Carol hatte wohl so etwas erwartet. »Rowdy ist eine harte Nuss, der gibt nicht mal Ruhe, wenn ihn der Super anspannt, und der lässt sich wenig gefallen.« Sie wandte sich dem aufgebrachten Hund zu. »Und wenn du nicht gleich die Klappe hältst, gibt’s heute Abend nichts zu fressen, hast du mich verstanden? Was soll denn Julie von uns denken, wenn du so einen Lärm machst!«

Unterwegs zu den Blockhäusern der Park Headquarters, die oberhalb des Hundezwingers lagen, fügte sie beinahe entschuldigend hinzu: »Wenn wir unterwegs sind, gibt er sich etwas gesitteter. Skipper hat ihn ganz gut im Griff.«

Das Hauptquartier des Parks hatte sie bereits nach ihrer Vorstellung kennengelernt. Außer dem Hauptquartier mit den Büros und dem stattlichen Blockhaus, in dem Superintendent John W. Green mit seiner Frau wohnte, gab es eine Werkstatt und eine Tankstelle sowie eine Recreation Hall mit Fernseher, Computer, einem Pooltisch, einer kleinen Bücherei und einer Halle, in der Volleyball oder Basketball gespielt wurde. Im C-Camp teilten sich jeweils zwei Ranger ein Blockhaus mit zwei Schlafräumen und einer kleinen Küche, für die morgendliche Dusche gab es ein Shower House außerhalb des Camps, in dem auch die Waschmaschinen und Trockner untergebracht waren. Die monatliche Miete wurde vom Lohn abgezogen. »Kein Vergnügen, der Gang zum Shower House, wenn es so geschneit hat wie heute«, sagte Carol.

Carol führte Julie zu einem der Blockhäuser. »Du wohnst bei mir«, sagte sie und zeigte ihr das leere Schlafzimmer. Es war nüchtern eingerichtet, außer einem Bett gab es lediglich einen eingebauten Schrank und einen kleinen Schreibtisch, aber zumindest gab es ein Fenster, durch das man den lichten Fichtenwald und die Lichter einiger anderer Häuser sehen konnte. Ebenso zweckmäßig präsentierte sich die kleine Küche. »Im Winter haben wir kein fließendes Wasser, sonst würden uns die Leitungen zufrieren und platzen. Kochen tun wir mit Propangas. Wenn du mal beim Campen warst, kennst du dich aus.«

Viel wichtiger als die Kücheneinrichtung war Julie jedoch ihre neue Uniform, die über einem der Küchenstühle hing, dunkelgrün wie bei allen Rangern und mit dem flachen Hut, auf den die meisten Ranger besonders stolz waren. Dazu gab es einen winterfesten Anorak in der gleichen Farbe und eine Wollmütze. »Wow!«, staunte Julie, während sie mit der flachen Hand über die Uniform strich, »davon habe ich ein Leben lang geträumt. Wenn ich es jetzt noch schaffe, eine feste Anstellung zu bekommen … das wäre das Größte.« Sie trug die Uniform in ihr Schlafzimmer.

»Das schaffst du bestimmt«, ermutigte Carol sie. »Ich werde schon dafür sorgen, dass aus dir eine anständige Rangerin wird. Am besten richtest du dich erst mal häuslich ein. Ich erledige inzwischen einigen Papierkram. In einer Stunde hole ich dich ab, dann gehen wir zusammen auf Patrouille, okay?«

»Heute schon?« Sie strahlte. »Das ist ja riesig. Ich beeile mich.«

Julie holte ihren Pick-up und parkte ihn direkt vor dem Blockhaus. Sie brauchte keine halbe Stunde, um ihr Gepäck in die Hütte zu tragen. Sie hatte sich die Ausrüstung besorgt, die den neuen Praktikanten in einer Info-Broschüre empfohlen wurde. Einige persönliche Dinge verstaute sie sofort in ihrem Nachttisch, darunter auch ein Foto ihrer Eltern, als sie noch verheiratet gewesen waren. Sie sehnte sich oft nach dieser Zeit, vor allem, weil sie kaum noch Kontakt zu ihrer Mutter hatte, die beinahe viertausend Meilen von ihr entfernt in San Diego wohnte und sich nur alle paar Wochen meldete, meist per E-Mail. »Viel Glück«, hatte ihre Mutter gemailt, als sie ihr von der Anstellung als Rangerin berichtet hatte, »ich hoffe, du bringst es bis zum Superintendent.« Ihrer Mutter war ihre Karriere immer wichtig gewesen, und auch sie sah ihren Beruf im Augenblick an erster Stelle. Das nächste halbe Jahr würde entscheidend für ihre berufliche Entwicklung sein, und sie hatte geschworen, sich ganz auf ihren Job zu konzentrieren. Für Beziehungskisten, wie sie Abenteuer dieser Art spöttisch nannte, blieb da wenig Zeit. Von oberflächlichen Lovern und One-Night-Stands, die nur einen bitteren Geschmack hinterließen, hielt sie sowieso nichts. Wenn irgendwann ein Mann in ihr Leben trat, sollte er auch ernste Absichten haben. Vorausgesetzt, sie liebte ihn.

Julie seufzte und machte sich wieder ans Auspacken. Ebenfalls auf ihren Nachttisch kam ein Plüschfrosch, den sie Mr. Green nannte. »Think Green« hatte er auf seinem Bauch stehen. Ihre Lebensmittel brachte sie im Vorratsschrank, dem Kühlschrank und dem Gefrierschrank unter. Sie würden für mindestens zwei Wochen reichen. In der näheren Umgebung des Parks gab es lediglich einige überteuerte kleine Läden.

Nachdem sie mit dem Einräumen fertig war, tauschte sie ihren Anorak und ihre Mütze gegen die neuen Kleidungsstücke des Nationalparks aus und sah sich das Shower House und den Recreation Room an, bevor sie zu ihrem Blockhaus zurückkehrte. Sie betrachtete sich noch einmal im Spiegel, lächelte zufrieden und wartete vor der Tür auf Carol. Das Schneetreiben hatte nachgelassen, und es war nicht mehr so kalt wie am frühen Morgen, vielleicht lag das aber auch an ihrem neuen Anorak oder daran, dass die Blockhütten des C-Camps alle windgeschützt zwischen hohen Fichten lagen. Der Wind rauschte leise in den Baumkronen und trieb dünne Schneeschleier von den Dächern.

»Der Anorak steht dir gut«, sagte Carol, als sie zurückkam. Sie war in Begleitung eines stämmigen Mannes, der das goldene Abzeichen eines Polizisten an seinem Anorak trug und die natürliche Autorität ausstrahlte, die man bei vielen Polizisten fand. Er musste um die fünfzig sein. Sein Gesicht war wettergegerbt, die Augen stahlblau, der dichte Schnurrbart grau, und das Einzige, was ihn von einem Sheriff, wie ihn Julie aus Westernfilmen kannte, unterschied, waren die etwas zu dicken Backen und der leichte Bauchansatz, der allerdings unter seinem Anorak fast vollkommen verschwand. »Das ist Greg Erhart, unser Polizeichef. Er möchte, dass wir ihm bei der Suche nach zwei Jugendlichen helfen. Zwei Halbwüchsige, die anscheinend ein Snowmobil-Rennen veranstalten und den Park mit einer Rennpiste verwechseln. Sie treiben sich am Igloo Creek rum, da kommt man nicht mal mit dem Geländewagen hin.«

Julie stellte sich vor und unterdrückte mühsam einen Schrei, als der Polizeichef sie mit einem festen Händedruck begrüßte. »Und wir sollen sie festnehmen?«, fragte sie verwundert. »Ich dachte, das dürfen nur Polizisten.«

»Normalerweise schon«, stimmte ihr Greg zu, »aber wir haben es mit zwei jungen Kerlen zu tun, die weder gemeingefährlich noch bewaffnet sind.« Sein Schnurrbart war eisverkrustet und zitterte nicht mal. »Ich habe nicht zum ersten Mal mit den beiden zu tun. Der Super würde mir ordentlich einheizen, wenn ich ihretwegen einen Hubschrauber klarmachen würde. Schon mal von einem Aufgebot gehört? Das waren erfahrene Bürger, die ein Sheriff im alten Westen als Helfer verpflichtete, wenn er auf Verbrecherjagd ging.« Er rieb sich über den Schnurrbart. »So streng, wie es in der Broschüre steht, die man Ihnen gegeben hat, sind unsere Abteilungen nicht getrennt. Man hat mir gesagt, Sie können gut mit einem Hundeschlitten umgehen?«

»Ich denke schon«, erwiderte Julie mutig. »Zum Iditarod hat es bisher noch nicht gereicht, aber ich komme zurecht.« Sie holte tief Luft. »Ich bin bereit.«

»Worauf warten wir dann noch?«, fragte Carol.

Verschollen am Mount McKinley / Die Wölfe vom Rock Creek

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