Читать книгу Allein am Stony Creek / Schutzlos am Red Mountain - Christopher Ross - Страница 12
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ОглавлениеAm nächsten Morgen rief Superintendent Green alle anwesenden Ranger in den Konferenzraum des Murie Centers. Sie bedienten sich an der Kaffeemaschine im Vorraum und setzten sich mit ernsten Mienen an den langen Tisch. Wenn der Super die Ranger zusammenrief, bedeutete es selten etwas Gutes.
Green setzte sich ans Kopfende und las und löschte eine Nachricht auf seinem Smartphone, bevor er sagte: »Guten Morgen, Kollegen. Bevor ich zur Sache komme, möchte ich unserem jungen Praktikanten ein besonderes Lob aussprechen.« Er blickte Johnny an, der am weitesten von ihm entfernt saß und sich offensichtlich unwohl unter so vielen Erwachsenen fühlte. »Johnny war gestern zum ersten Mal mit einem Hundeschlitten unterwegs und verhielt sich dabei, wie ich von Ranger Wilson höre, ausgesprochen professionell. Er hatte das Gespann schon nach kurzer Zeit unter Kontrolle, und als dicht vor ihm ein Elch aus dem Unterholz brach und Ranger Wilson vom Schlitten geschleudert wurde, gelang es ihm, den Schlitten anzuhalten und zu verankern, bevor der Elch den Huskys gefährlich werden konnte.« Er blickte den Jungen direkt an. »Das war große Klasse, Johnny. Ich glaube, du hast einiges zu erzählen, wenn du mit deinem Referat dran bist.«
Johnny errötete. »Vielen Dank, Sir.«
»Und nun zu dem eigentlichen Grund, warum ich Sie zusammengerufen habe. Wie Sie wissen, treibt seit einiger Zeit ein Wilderer sein Unwesen im Park. Ein Problem, mit dem wir uns leider immer wieder auseinanderzusetzen haben. Normalerweise hat unsere Polizeitruppe die Sache im Griff, und an den Parkgrenzen können wir uns auch auf die Unterstützung der Alaska State Trooper verlassen, aber wie Sie wissen, haben wir im Winter zu wenig Personal, und zusätzliche Planstellen will man uns nicht gewähren. Das liebe Geld. Auch deshalb können wir das Auffinden und die Festnahme des Wilderers nicht allein unserer Polizeitruppe überlassen. Wir müssen uns alle daran beteiligen oder zumindest wachsam sein. Ranger Erhart, Sie wissen mehr.«
»Vielen Dank«, erwiderte der Polizeichef. »Wären wir im Wilden Westen, würde ich sagen, lasst uns die Bevölkerung mobilisieren und den Schuldigen so lange jagen, bis wir ihn erwischt haben.« Einige Ranger verdrehten heimlich die Augen. »Aber selbst im Wilden Westen kehrten die Aufgebote ohne den Gefangenen zurück. Das Land war einfach zu groß und weit. Ähnlich ist es in unserem Nationalpark. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, dass es kaum ein anderes Naturschutzgebiet in den USA gibt, das so unzugänglich und wild wie unseres ist. Leider kennt sich der Wilderer, mit dem wir es diesmal zu tun haben, bestens in dieser Gegend aus. Und was noch schlimmer ist: Er kennt auch die alten Jagdtrails der Indianer und kann daher den Park rechtzeitig verlassen, bevor wir ihn einholen und dingfest machen können. Für Hubschraubereinsätze bekommen wir wegen der hohen Kosten kein grünes Licht, die werden nur bei Search & Rescue-Operationen genehmigt.« Er zeigte allein durch sein geringschätziges Kopfschütteln, was er von dieser Entscheidung hielt.
»Manche Leute werden sagen, was kann uns ein Wilderer schon anhaben? Mehr als einen oder zwei Elche wird er nicht abschießen, und was machen die schon aus? Aber so ist es nicht. Es gibt Hinweise, dass er auch Fallen auslegt und die Felle über irgendwelche obskuren Kanäle verkauft. Leider haben wir noch keine dieser Fallen gefunden.« Er legte eine kurze Pause ein und fuhr fort: »Allerdings haben wir einen Verdächtigen: Hector Morrison. Wir wissen, dass er mehrfach gewildert hat, konnten ihm aber nie etwas beweisen. Ich kümmere mich persönlich um ihn und hoffe, dass er sich irgendwann verrät.«
»Und wie können wir helfen?«, fragte Carol.
»Indem ihr die Augen offenhaltet«, antwortete Erhart. »Seid bitte wachsam, wenn ihr im Park unterwegs seid, seht euch nach Spuren um und versucht die Fallen zu finden, falls es welche gibt. Aber da bin ich sehr sicher. Achtet vor allem auf die Motorengeräusche eines Snowmobils, so wie Ranger Wilson gestern. Leider konnte sie das Gesicht des Fahrers nicht erkennen, aber wir wissen jetzt zumindest, dass sein Snowmobil Zwillingsscheinwerfer hat. Hector Morrison hat ein solches Snowmobil. Also … höchste Aufmerksamkeit, und falls ihr etwas Verdächtiges entdeckt, bitte gleich eine Meldung an mich.«
Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. »Aye, Chief«, rief jemand.
Johnny bekam den Auftrag, den ganzen Tag mit Ranger Short auf dem Campground am Savage River zu verbringen und ihm bei der Arbeit zu helfen. Im Gegensatz zum vergangenen Morgen, als er wenig Begeisterung für seinen Auftrag gezeigt hatte, war er nun froh, dazuzugehören. Julie freute sich insgeheim. Der Ausflug mit den Huskys hatte Johnny wohl dabei geholfen, sich für die Arbeit im Nationalpark zu erwärmen.
Sie selbst kümmerte sich wie fast jeden Morgen um die Huskys, diesmal auch um das Denali-Team. Carol hatte im Verwaltungsgebäude zu tun, versprach aber, in spätestens einer Stunde nachzukommen. Wie immer, wenn sich Julie den Hundezwingern näherte, begrüßten sie die Huskys mit aufgeregtem Jaulen und Bellen und sprangen erwartungsvoll an ihr hoch. »Schon gut, ihr bekommt ja gleich euer Fressen«, beruhigte sie die Meute, »ich musste zu einem Meeting, deshalb ist es heute ein bisschen später geworden.«
Diesmal gab es wieder Trockenfutter aus Plastikbeuteln, verdünnt mit etwas Wasser, damit sie genug Flüssigkeit bekamen. Huskys neigten dazu, zu wenig zu trinken, und litten dann oft unter Mangelerscheinungen. Auch die Huskys, die Carol vor ihren Schlitten spannte, bekamen diese Mischung und stürzten sich begierig darauf. Skipper, der kräftige Leithund, war ein wenig unruhig, eine andere Zweibeinerin als seine Herrin zu sehen, und Rowdy machte seinem Namen wieder mal alle Ehre. Aber das Futter schmeckte wohl so gut, dass sie sich schon bald wieder beruhigten.
Die Welpen stritten, als sie ihnen ihr Futter brachte. Jenny drängte Noatak ständig zur Seite und versuchte auch aus seinem Napf zu fressen, sodass Julie nichts anderes übrig blieb, als die beiden zu trennen und Jenny in das Welpengehege der Denali-Huskys zu sperren. »Tut mir leid, Jenny«, sagte sie, »aber du willst es ja nicht anders. Ihr beide vertragt euch nicht, und ich habe beinahe das Gefühl, als würde sich das auch in Zukunft nicht ändern. Haben sie dich verzogen, oder was ist los? Wie wollt ihr denn jemals im selben Gespann laufen? Ihr würdet euch unterwegs zerfleischen. Oder hast du Heimweh? Willst du wieder zurück? Bist du eifersüchtig auf die vielen Hunde hier?«
Sie ging zum Schuppen und begegnete Carol, die ihre Arbeit im Verwaltungsgebäude beendet hatte und gerade zu den Hundezwingern herunterstieg.
»Carol«, rief Julie, »gut, dass du kommst. Ich glaube, wir müssen uns etwas für Jenny überlegen. Sonst kann es sein, dass wir sie zu den Cooks zurückbringen müssen. Sie verträgt sich nicht mit Noatak, und mit den anderen Huskys wird sie auch nicht richtig warm. Sie ist wohl eine Einzelgängerin.«
»Ist es so schlimm?«
»Im Augenblick noch nicht, aber alle Anzeichen sprechen dafür. Bei zwei Welpen, die ich vor ein paar Jahren hatte, fing es genauso an, und wenn ich einen nicht verschenkt hätte, wäre es bestimmt zu echten Schwierigkeiten gekommen.«
»Und bei seinem neuen Besitzer ging es ihm besser?«
»Viel besser«, bestätigte Julie. »Er war wie neugeboren. Bellte kaum noch und schnappte nicht mehr … benahm sich wie eine Eins. Sieht so aus, als hätte ich mit Jenny wieder so einen Hund erwischt. Ich hab sie in dein Welpengehege gesperrt, dort gibt sie Ruhe. Nicht, dass noch ein Unglück passiert.«
»Okay, wir kümmern uns später darum. Jetzt wartet ein ganz anderer Auftrag auf uns. Ranger Erhart bittet uns, zu den Becketts in Healy zu fahren. Richard und Josie Beckett, beide Lehrer an der Highschool, und ihre achtjährige Tochter Sophie. Der Husky der kleinen Sophie, ein zehn Monate alter Rüde, wurde vergiftet, und wir sollen die Trooper bei den Ermittlungen unterstützen.«
»Vergiftet? Aber das fällt doch gar nicht in unser Aufgabengebiet.«
»Ich weiß, aber Trooper Corwin hat uns ausdrücklich darum gebeten. Er kann nicht mit Kindern umgehen, sagt er. Wir würden es eher schaffen, aus Sophie etwas herauszubekommen, falls sie etwas weiß. Ich habe mit Ranger Erhart gesprochen, er ist dafür. Könnte sein, dass wir es mit einem Serientäter zu tun haben, und dann würde es uns vielleicht auch bald betreffen. Trooper Corwin wartet vor dem Haus der Becketts.«
Sie nahmen einen der weißen Geländewagen des Nationalparks und fuhren über die Park Road zum Highway. Bis Healy waren es nur wenige Meilen. Über Nacht waren Wolken aufgezogen, und es schneite leicht, böiger Wind wirbelte die Flocken über die geräumte Straße. Leichter Nebel hing über dem vereisten Nenana River. Auf dem Schnee spiegelten sich die trüben Lichter der Straßenlampen und die hell erleuchteten Fenster einiger Läden und der Tankstelle. Auf einem Hügel lag ein dunkles Motel, das im Winter geschlossen war. Manche Einheimische behaupteten, dass es dort manchmal spukte.
Das Haus der Becketts lag abseits der Hauptstraße in der Nähe des Flussufers. Vor dem Eingang parkte ein Streifenwagen der Alaska State Trooper. Sie stiegen aus und begrüßten Trooper Eddy Corwin, einen Mann um die vierzig, der sich mit der rechten Hand meist auf seinen Revolver stützte, als würde ihm die Dienstwaffe eine besondere Sicherheit vermitteln.
»Ranger Schneider. Ranger Wilson. Schön, Sie wiederzusehen.« Sie hatten schon öfter mit ihm zusammengearbeitet und ihn als verlässlichen Mann kennengelernt. Er blickte auf das hell erleuchtete Holzhaus. »Richard Beckett hat den toten Hund direkt zum Tierarzt gebracht. Dort, wo sie früher gewohnt haben, gab es mal einen Hundehasser, der reihenweise unschuldige Welpen tötete, und er hat Angst, dass wir es hier auch mit so einem Täter zu tun haben.« Er räusperte sich verlegen. »Der Tierarzt hat einige Ungereimtheiten entdeckt, darum sind wir hier.«
»Und deshalb haben Sie uns gerufen? Damit wir dem Mädchen sagen, dass jemand ihren Husky absichtlich vergiftet hat? Haben die Trooper denn keinen Psychologen? Der könnte das doch sicher viel besser. Oder steckt was anderes dahinter?«
Corwins Blick blieb auf das Haus gerichtet. Er wollte niemanden die Tränen sehen lassen, die sich in seinen Augen gesammelt hatten. »Ich weiß, wie das ist, Ranger Schneider. Der Hund, den ich als Kind hatte, wurde von einem Auto überfahren, und mein Vater war weniger zimperlich und sagte, ich solle mir wegen eines Hundes doch nicht in die Hosen machen. Ich würde nur …« Er atmete tief ein und wieder aus. »Sie können das wesentlich besser, Ranger.«
»Okay, dann befragen wir das Mädchen und Sie die Eltern.« Carol konnte nachempfinden, welche Gefühle den Trooper bedrückten. Gerade wortkarge Typen wie er taten sich in einem solchen Fall immer schwer. »Wo hat Beckett den toten Hund denn gefunden? Und an was für einem Gift ist er gestorben?«
»Max … so hieß der Hund … Max lag hinter dem Haus. Beckett fand ihn nur, weil er nach seiner Schneeschaufel suchte. Das Zeug, das er fraß, war mit gewöhnlichem Rattengift versetzt.« Er zog seinen Notizblock aus der Tasche und blätterte ihn auf. »Einem Rodentizid. Das bekommt man im Drugstore.«
»In Healy?«
»So dumm war er nicht. Ich habe bereits nachgefragt.«
»Okay, dann lassen Sie uns reingehen.«
Julie hatte vergeblich nach Josh im Streifenwagen gesucht. Eigentlich war sie froh, ihm nicht über den Weg zu laufen, andererseits hätte sie gern mit ihm darüber gesprochen, was passiert war, und sich dafür entschuldigt, am Telefon mit ihm Schluss gemacht zu haben. Aber so lief das nicht. Wenn man einen jungen Mann vor den Kopf stieß, konnte man nicht erwarten, dass bei der nächsten Begegnung alles vergeben und vergessen war. Bei einer Trennung wurden immer Gefühle verletzt. Und was hätte sie auch sagen sollen? Sie konnte ihre Worte nicht ungeschehen machen und stand inzwischen auch zu ihnen. Ihre Beziehung mit Josh war endgültig beendet, und wie sie glaubte, funktionierte dann auch der viel gehasste Satz »Aber lass uns Freunde bleiben« nicht. Bei so unterschiedlichen Charakteren wie Josh und ihr selbst würde es über kurz oder lang wahrscheinlich wieder zum Krach kommen.
Dennoch wollte sie nach Josh fragen, aber Corwin kam ihr zuvor: »Was ist eigentlich mit Josh los? Er ist heute nicht zum Dienst erschienen und hat sich auch nicht krank gemeldet. Sie sind doch mit ihm befreundet. Ist was passiert?«
Julie druckste ein wenig herum, entschloss sich aber dann, ihm die Wahrheit zu sagen. In wenigen Worten schilderte sie, was geschehen war. »Er wird zu einer Geldstrafe verurteilt und fürchtet wahrscheinlich, dass ihn die Trooper rauswerfen werden. Es war immer sein Traum, zu den State Troopern zu gehen. Es wäre wohl am besten, er würde etwas Gras über die Sache wachsen lassen und sich dann für die Law Enforcement Academy bewerben, aber er denkt wohl, dass es gar nicht mehr klappt. Außerdem …« Sie hatte plötzlich das Gefühl, es ihm sagen zu müssen. »… sind wir nicht mehr zusammen.«
Sie blieben wenige Schritte vor dem Eingang stehen. Carol ahnte, über was sie sprachen, und drängte sie nicht. »Nun ja«, sagte Corwin nach einigem Überlegen, »Josh war immer etwas unbeherrscht, aber diesen Fehler würden sie ihm auf der Academy schon austreiben. Ich glaube, er könnte ein guter Trooper werden, und wenn ich mich bei meinem Vorgesetzten für ihn einsetze, denke ich, dass man über diese Jugendsünde hinwegsehen würde.«
»Das würden Sie tun?«
»Er ist ein guter Junge, Ranger Wilson. Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen vorgefallen ist, und es geht mich auch nichts an, aber ich glaube, es fehlt ihm nur etwas an Disziplin. Ich hab schon versucht, ihn ausfindig zu machen. In dem Motel in Lignite, in dem er neuerdings wohnt, ist er nicht, und über Handy erreiche ich ihn auch nicht. Sie wissen sicher besser, wo er sich verstecken könnte. Sagen Sie ihm, er soll zurückkommen. Ich würde das Problem mit meinem Chef besprechen und die Sache in Ordnung bringen.«
Julie war nicht gerade begeistert, in Joshs Angelegenheiten hineingezogen zu werden. Sie zuckte mit den Schultern. »Ich will’s versuchen, Trooper.«
Carol hatte inzwischen geklopft und begrüßte bereits die Becketts, als Julie und der Trooper die Tür erreichten. Richard und Josie Beckett waren beide um die dreißig, ein Ehepaar, für das Julie kaum Augen gehabt hätte, wenn sie ihnen begegnet wäre. Wie Highschool-Lehrer eben aussahen, fand sie.
Nachdem man sich einander vorgestellt hatte, wurden sie ins Wohnzimmer gebeten, einen L-förmigen Raum mit einem altmodischen Esstisch und einer Fernsehecke mit einer Couch und zwei Sesseln aus schwarzem Kunstleder. An den Wänden standen Regale mit vielen Büchern und ein antiker Glasschrank mit Geschirr.
Erst jetzt fiel Julie ein, dass heute Samstag war, und die Becketts und ihre Tochter nur deshalb zu Hause waren. Sophie hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. »Ich konnte nicht länger warten«, sagte Beckett, »ich musste ihr sagen, dass Max nicht mehr wiederkommen wird. Max, so hieß unser Husky.«
Julie bemerkte, wie Corwin neben ihr aufatmete. Sie saßen inzwischen auf der schwarzen Kunstledercouch und nickten dankbar, als Josie Beckett ihnen Kaffee brachte und einen Teller mit Keksen dazustellte. Obwohl es keine Milch und keinen Zucker gab, trank Julie einen Schluck, nur aus Verlegenheit.
Trooper Corwin fand langsam in die Spur. »Haben Sie denn eine Ahnung, wer den Husky vergiftet haben könnte? Haben Sie Feinde? Gibt es jemanden, der Ihnen schaden will? Die Eltern einer Schülerin oder eines Schülers vielleicht?« Er lächelte verlegen. »Sie müssen doch sicher auch schlechte Noten verteilen. Könnte es nicht sein, dass ihnen jemand eins auswischen wollte?«
Jetzt lächelte auch Beckett. »Niemals. Bei den ersten Jahrgängen gibt es noch keinen Druck, jedenfalls keinen so starken, dass die Eltern zu drastischen Mitteln greifen müssten.« Sein Lächeln gefror schnell. »Wie ich am Telefon schon sagte, wir kommen aus Valdez, und dort gab es mal einen Hundehasser, der reihenweise Tiere vergiftete. Den Täter hat man geschnappt, aber es könnte doch ein Nachahmer sein …«
»Und warum sollte der mit Ihrem Welpen anfangen?«
»Keine Ahnung. Zufall vielleicht …«
Julie und Carol erhoben sich und blickten Josie Beckett an. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir gern einmal mit Ihrer Tochter sprechen.«
»Sie hat sich eingeschlossen«, erwiderte die Mutter des Mädchens. Ihre Augen waren rot vom vielen Weinen. »Max’ Tod hat sie tief getroffen. Der Welpe war ihr Ein und Alles. Glauben Sie denn, Sophie könnte Ihnen helfen?«
»Das wissen wir noch nicht«, sagte Carol. »Aber wir versprechen Ihnen, sehr vorsichtig zu sein. Zwei, drei Fragen … dann gehen wir wieder. Okay?«
Die Mutter nickte nur und klopfte an Sophies Tür. »Sophie … Schatz? Hier sind zwei Frauen, die gerne wegen Max mit dir sprechen würden. Sie kommen aus dem Nationalpark. Erinnerst du dich? Wir waren auch schon mal dort und haben eine Bärin mit zwei Jungen gesehen. Mach bitte die Tür auf, mein Schatz.«
Der Schlüssel drehte sich im Schloss, und das Mädchen öffnete zaghaft die Tür. Auch ihre Augen waren verweint. Ihre blonden Locken leuchteten im Schein der Deckenlampe. »Ihr könnt mir Max auch nicht zurückbringen«, sagte sie. »Max ist tot, hat Daddy gesagt. Er ist jetzt im Hundehimmel.«
Julie ging vor ihr auf die Knie. »Du hattest ihn sehr lieb, nicht wahr?«
»Ganz lieb«, erwiderte sie.
»Gab es denn auch jemanden, der Max nicht leiden konnte? Denk nach, Sophie. Erinnerst du dich an irgendjemanden, der schlecht über Max geredet hat?«
Das Mädchen überlegte lange. »Nein … nur Benji.«
»Benji?«
»Benji sagt, Max hätte große Ohren. Das stimmt gar nicht. Er hatte süße Ohren … die kitzelten an meiner Backe, wenn ich ihn in den Arm genommen habe.« Sie schluchzte ein paarmal. »Weißt du, warum Max sterben musste?«
»Nein, das weiß ich leider auch nicht.« Sie suchte verzweifelt nach etwas Tröstlichem, das sie ihr sagen konnte, und hatte plötzlich eine Idee. »Aber du brauchst nicht zu weinen. Dein Max bekommt sicher einen Ehrenplatz im Hundehimmel. Außerdem kenne ich eine süße kleine Husky-Dame, die hat mir ins Ohr geflüstert, dass sie dich gerne einmal kennenlernen möchte. Sie heißt Jenny.«
»Du kannst mit Hunden sprechen?«
»Manchmal schon. Was meinst du? Soll ich dir Jenny einmal vorstellen?«
Sophie nickte zaghaft. »Das wäre toll. Jenny ist ein schöner Name.«